Im Programm des kurdischen Filmfestivals im Oktober 2023 lief „Rheingold“, ein deutscher Film von Regisseur Fatih Akin. Der Spielfilm schien auf den ersten Blick nicht in die Veranstaltung zu passen – warum seine Präsenz dennoch wichtig war.
Die Vorstellung ist mir besonders aufgefallen, denn im Gegensatz zu vielen anderen Filmen im Programm scheint er erstmal nicht politisch zu sein – doch das trügt. Der Film geht in erster Linie um den Lebenslauf des Rappers Xatar, bürgerlich Giwar Hajabi, und dessen spektakulären Goldraub sowie seinen musikalischen Werdegang. Allerdings werden auch die Zeit seiner Eltern in Iran und die darauffolgende Flucht über Frankreich nach Deutschland thematisiert.
Inhaftierung und Flucht der Hajabis aus dem Iran
Giwar Hajabis Vater Eghbal Hajabi ist ein bekannter und angesehener kurdischer Komponist und seine Mutter Rasal kommt aus einer angesehenen kurdischen Familie. Zusammen leben sie in Iran, wo Eghbal seinem Beruf nachgeht und Rasal sich in den Stücken ihres Ehemanns musikalisch austobt. Eine der ersten Szenen zeigt, wie ein Konzert des Ehepaars von Mullah-Anhängern gestürmt wird. Rasal ist zu diesem Zeitpunkt sichtlich schwanger mit Giwar. Die Mullahs verbieten das Konzert und drohen den dort Anwesenden. Es kommt zu gewaltsamen Angriffen und eine Frau wird ermordet.
Giwars Eltern fliehen daraufhin und schließen sich kurdischen Freiheitskämpfer:innen an, in deren Lager später auch Giwar geboren wird. Die Geburt findet während eines Luftangriffes statt, Rasal befindet sich allein in einer Höhle. Als Folge erleidet sie eine Entzündung im Unterleib, weshalb sie in die nächstgelegene Stadt gebracht wird. Dort gerät die Geflüchtete jedoch ins Visier der Ermitler:innen und landet in Gefangenschaft, in der sie tagelange Folter erlebt. Der Grund: Sie soll den Standort der Freiheitskämpfer:innen verraten, was sie allerdings verweigert. Irgendwann kehrt sie zu ihrer Familie zurück. Wie sie sich aus der Gefangenschaft befreien konnte, wird im Film allerdings nicht erläutert. Diese Lücke im Erzählstrang finde ich schade, da es mich als Zuschauerin irritierte und zu viel Raum für Spekulationen ließ.
Die Familie Hajabi flieht nun in den Irak, wo sie alle in Haft kommen. Durch die guten Kontakte, die Eghbal als angesehene Person in der kurdisch-iranischen Gemeinde hat, werden sie allerdings auf eine Liste von wichtigen Personen in Gefangenschaft gesetzt. Aufgrund ihrer Einstufung auf dieser Liste wird die Familie vom Deutschen Roten Kreuz nach Europa geholt. Hier nimmt das Leben des jungen Giwars seinen Lauf. Er schlägt erst eine kriminelle Laufbahn ein, wodurch er letztlich jedoch zum Rap findet.
Die Bedeutung von kurdischer Präsenz in der deutschen Filmszene
Auch wenn „Rheingold“ sicher nicht so tief auf die Geschichte und den Kampf von Kurd:innen eingeht wie viele andere der gezeigten Filme, ist er doch ein bedeutsamer Bestandteil des Festivalprogramms. Es ist wichtig, dass auch ein Mainstreamfilm die Verfolgung und den Freiheitskampf von Kurd:innen aufgreift und doch recht detailreich und zum Teil auch brutal zeigt. Dies liegt nicht nur daran, dass diese Ereignisse einen wichtigen, realen Teil von Giwars Lebensgeschichte ausmachen, sondern auch daran, dass er das Leid und den Kampf der Kurd:innen sowie der kurdischen Diaspora einem breiten Publikum näher bringt und ins kollektive Gedächtnis eingraviert.
Insbesondere in Deutschland, einem Land, in dem der kurdische Freiheitskampf und auch oft kurdisches Leben im Allgemeinen direkt mit Terror in Verbindung gebracht werden und in dem vielen Menschen grundlegendes Wissen zu Kurdistan und dem Freiheitskampf der Kurd:innen fehlt, wird es dringend Zeit, dass mehr kurdische Stimmen gehört und gezeigt werden.
Es ist noch ein langer Weg, bis Film und Fernsehen in Deutschland diverser werden. Häufig werden Minderheiten wie Kurd:innen dabei nicht mitgedacht und allzu oft werden Menschen mit Migrationshintergrund stereotypisch dargestellt: Viele Filme zeigen klischeehaft die immer gleichen Geschichten von türkischen Gastarbeiter:innen oder Geflüchteten aus Syrien, aber dass auch Migration ein sehr diverses Thema ist, wird außer Acht gelassen. So werden besonders Kurd:innen oft nicht genügend in deutschen Produktionen repräsentiert, obwohl auch sie als Gemeinde innerhalb Deutschlands und als verfolgte und unterdrückte ethnische Gruppe im Iran, in Syrien und in der Türkei mehr Aufmerksamkeit benötigen würden.
Allein aus diesen Gründen ist „Rheingold“, natürlich neben seiner spannenden Geschichte, den tollen Darsteller:innen und der sehr schönen Produktion, ein unglaublich wichtiger Film – und hoffentlich erst der Anfang von mehr Repräsentation von Kurd:innen in der deutschen Kulturlandschaft und Gesellschaft.