Mit Metalldetektoren am Tempelberg hat Israel eine Krise mit internationalem Nachhall ausgelöst. Denn die Regierung demonstrierte damit lediglich ihre Macht, nicht aber ihre Souveränität. Ein Kommentar von Talia Sasson.
Der Tempelberg, auf dem die al-Aqsa-Moschee liegt, ist ein Teil „Ost-Jerusalems“ – jenes Teils des Westjordanlandes, den Israel nach dem Krieg von 1967 sofort als „Ost-Jerusalem“ bezeichnete und in dem es unilateral israelisches Recht einführte. Dieser Moscheen-Komplex, der unter Muslimen als Haram al-Sharif bekannt ist, ist eine der heiligsten Stätten des Islam. Würde dieser Ort beschädigt, solange er unter israelischer Kontrolle steht, der israelisch-palästinensische Konflikt würde zu einem kleinen Tropfen im muslimisch-jüdischen Hass, der sich weltweit entzünden würde, mit Israel im Zentrum. Der israelisch-palästinensische Konflikt würde noch religiöser aufgeladen und unlösbar, und dieses Thema hätte ernste internationale Folgen.
Israel erkannte den hoch empfindlichen Charakter des Geländes und zeigte direkt nach dem Krieg von 1967 große Sensibilität, was den Tempelberg betraf. Es entschied, dass die Regelungen aus der Zeit vor der Besatzung bestehen bleiben sollten. Kontrolle und religiöse Verantwortung sollten bei der islamischen Waqf (Stiftung) bleiben und die politische Aufsicht in den Händen Jordaniens. Juden sollte es nicht erlaubt sein, den Berg zu besteigen um dort zu beten, aus Achtung vor den Befindlichkeiten der muslimischen Öffentlichkeit – obwohl es eine Strömung im Judentum gibt, die den Ort auch für Juden als heilig erachtet. All diese Regelungen traf Israel, weil man verstanden hatte, dass jeder Schaden der islamischen religiösen Souveränität beiden Seiten Zerstörung bringen würde.
Beide Seiten instrumentalisieren den Tempelberg
Fünfzig Jahre sind vergangen. Beide Seiten versuchen, ihren Einfluss auf den Tempelberg zu wahren. Jede Seite ist damit beschäftigt, die Aktionen der anderen wie mit einer Lupe zu überwachen. Im Laufe der Zeit und mit dem zunehmenden Fanatismus beider Seiten nutzten einige die Sensibilität des Geländes aus, um ihre Popularität unter den Anhängern ihres Lagers zu steigern. Aus diesem Grund bestieg Ariel Sharon (vor seiner Wahl zum Premierminister) den Berg im Jahr 2000 zu einer besonders angespannten Zeit. Unmittelbar danach brach die Zweite Intifada aus und die Islamische Bewegung in Israel erklärte mehrmals, Haram al-Sharif sei „in Gefahr“, um die fromme muslimische Öffentlichkeit zu provozieren und sie dazu zu bringen, die israelische Kontrolle über den Berg zu bekämpfen.
Dies ist der Hintergrund für den Skandal um die Metalldetektoren, die auf dem Berg aufgestellt wurden – als Reaktion auf einen palästinensischen Terrorangriff, bei dem vor drei Wochen auf dem Tempelberg zwei israelische Grenzpolizisten getötet wurden.
Warum wird die Installation von Metalldetektoren am Berg zu einem sicherheitspolitischen und internationalen Problem, obwohl sie auch dazu dienen sollen, das Leben der Palästinenser zu schützen, die durch ihre Tore gehen? Es scheint, als sei das eine kleine, nebensächliche Handlung. Nicht wirklich.
Jeder Metalldetektor wird zum Seismograph
Tatsächlich hat Israel israelisches Recht auf dem Gelände eingeführt, aber kein Land der Welt hat seine Souveränität über den Ort bisher anerkannt. Israel ist damit beschäftigt, den Israelis und der ganzen Welt zu beweisen, dass es der Souverän über den Tempelberg ist. Dies ist das Bild, das es seinen Bürgern präsentiert. So wird jeder Metalldetektor ein Seismograph für seine Souveränität. In palästinensischen Augen wird jede Platzierung eines Metalldetektors zu einer Veränderung des „Status quo“. Änderungen am „Status quo“ sind nur mit Zustimmung der Waqf und des Königs von Jordanien erlaubt.
Während Israel damit beschäftigt ist, seine Souveränität zu beweisen, hat es die andere Seite vergessen. In seinen Augen ist die andere Seite unsichtbar. Israels „Souveränität“ über den Tempelberg ist in Wirklichkeit seine Macht und Kontrolle über ihn. Israel versucht, die „Besatzung" als „Souveränität“ darzustellen. Dabei ignoriert es die Tatsache, dass Souveränität auf der Grundlage von Vereinbarungen zwischen Ländern geschieht.
Vor diesem Hintergrund sind die aktuellen Spannungen ausgebrochen: Sie hängen von der israelischen Weigerung ab, „anzuerkennen“, dass auch die andere Seite Kontrolle über den Berg hat. Auf der anderen Seite werden die Spannungen von der palästinensischen Weigerung angefacht, den Status Quo ohne vorherige Zustimmung ihrer Vertreter zu ändern, und sei es um einen Millimeter.
Wird Israel aus dieser Lektion lernen?
Es ist offensichtlich, dass die Metalldetektor-Affäre mit ihrer Entfernung endete. Vorbereitungen für die Installation von hochmodernen Überwachungskameras, die die Detektoren ersetzen sollten, sind gestoppt. Der Tempelberg ist zu seinem vorherigen Zustand zurückgekehrt und mit der Erlaubnis der Waqf kehrten die Gläubigen in die Al-Aqsa-Moschee zurück.
Doch wird Israel aus dieser Lektion lernen? Werden in Zukunft wieder ruhige Gespräche mit der Waqf geführt, um die Sicherheit am Tempelberg zu erhöhen – bevor irgendwelche Tatsachen geschaffen werden?
Darüber hinaus bleibt die Frage, wann die israelische Regierung der Öffentlichkeit die nackte Wahrheit sagen wird. Wann wird es einräumen, dass es keine Souveränität über den Tempelberg hat und es auch niemals haben wird? Nur ein Friedensabkommen, eine Vereinbarung über die (gemeinsame oder anderweitig geregelte) Souveränität sowie bilaterale Vereinbarungen über den Tempelberg können die Gefahr entschärfen, die der Tempelberg für Israel und die ganze Welt darstellt. Nur ein Eingeständnis der israelischen Regierung kann eine Veränderung bringen, die zum Frieden zwischen den Seiten und der Welt beitragen kann.
Alsharq veröffentlicht derzeit auch eine Artikelserie zum Krieg von 1967 und seinen Folgen - alle Beiträge findet Ihr unter diesem Link.