14.10.2025
Palästinasolidarität: Wir lassen uns nicht zum Schweigen bringen!
Die Heinrich-Heine-Statue auf dem Campus der HHU mit einer Kuffiye bedeckt. Foto: Students for Palestine HHU
Die Heinrich-Heine-Statue auf dem Campus der HHU mit einer Kuffiye bedeckt. Foto: Students for Palestine HHU

„Wissenschaft braucht Demokratie. Demokratie braucht Wissenschaft“ – mit diesem Leitsatz wirbt die Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf (HHU). Der Umgang des Rektorats mit dem Thema Palästina zeigt, wie leer dieses Bekenntnis ist.

In den vergangenen Semestern hat das Rektorat der HHU fast alle von Studierenden initiierten Veranstaltungen zum Thema Palästina verhindert. Einen beispielhaften Fall aus dem September 2024 möchten wir, die Gruppe Students for Palestine HHU,  mithilfe von Chat- und E-Mailverläufen ausführlicher beleuchten. Diese Verläufe wurden uns im Rahmen einer Anfrage bei FragDenStaat zugänglich gemacht – einer Initiative, die Informationsfreiheit und Transparenz in Politik und Verwaltung fördert. Die vollständigen Akten sind hier einsehbar. 

Solidarität mit den Studierenden in Gaza

„Ich bin Bisan, 19 Jahre alt. Ich wurde in meinem geliebten Gaza geboren, lebe dort und werde dort sterben. Ich bin Medizinstudentin im dritten Jahr. Ich habe Träume, die ich noch nicht verwirklicht habe, und ein langes Leben vor mir, welches ich noch nicht vollständig gelebt habe. Ich habe eine liebevolle und herzliche Familie und ich mache mir Sorgen um sie. Jetzt kann ich schreiben, aber in ein paar Sekunden, Minuten oder Stunden könnte ich nicht mehr hier sein. Erinnert meinen Namen und erinnert die Namen aller Opfer und prägt euch unsere Bilder in eure Gedächtnisse ein. Denn wir werden der Welt nicht vergeben.“

Bisan Halasa wurde am 15. Oktober 2023 durch israelische Bomben getötet – zusammen mit ihrer Mutter Lina, ihrer Schwester Marah, ihrem Bruder Omar, ihrer Großmutter Um Ahmad, ihren Cousinen Asmaa, Yusra, Sham und Amna, sowie ihrer Verwandten Salam und deren Kindern Shaban und Noor.

In einer von uns entworfenen Ausstellung auf dem Campus der Uni Düsseldorf sollte auf die Stimmen junger Studierender wie Bisan aufmerksam gemacht werden. Die Idee zu einer Ausstellung war im Dialog mit der Rektorin der HHU entstanden. Sie war die Kompromisslösung, nachdem die Rektorin im Sommersemester 2024 wiederholt abgelehnt hatte, ein Banner zum Gedenken an getötete palästinensische Studierende aus Gaza aufzuhängen. Im Gegensatz hierzu hing seit Mitte November 2023 ein großes Banner mit den Bildern israelischer Geiseln an einer prominenten Außenwand auf dem Unigelände.

Unsere Ausstellung wird verboten

Um frühzeitig etwaige Unstimmigkeiten mit dem Rektorat zu umgehen, schickten wir im September einen ersten Entwurf an die Rektorin. Nur wenige Tage später erhielten wir eine frustrierende Absage vom Kanzler der HHU, Martin Goch. Die Ausstellung sei „nicht genehmigungsfähig“ und werde „dezidiert untersagt“, da sie „ein erhebliches Risiko für Sicherheit und Ordnung auf dem Campus darstelle“ und „den ordnungsgemäßen Betrieb von Studium und Lehre […] massiv beeinträchtigen“ würde.

Nachdem die Universität zuvor unzählige studentisch organisierte Veranstaltungen rund um Palästina verboten hatte, war die Absage grundsätzlich wenig überraschend. Seltsam war jedoch, dass die Rektorin uns zuvor ermutigt hatte, die Idee einer Ausstellung weiter zu verfolgen. Auf unsere Nachfrage hin beteuerte ihr Pressesprecher, dass sie „unter Abwägung aller Gesichtspunkte mit Hilfe der Einschätzung von Expert:innen“ zu dem gleichen Ergebnis gekommen sei wie Martin Goch und daher „selbstverständlich hinter der Antwort des Kanzlers“ stehe. 

Wir bringen Transparenz in den Entscheidungsprozess

Für uns war die Erklärung nicht nachvollziehbar. Wir fragten uns, inwiefern unsere Ausstellung ein Sicherheitsrisiko darstellen oder den Lehrbetrieb „massiv“ beeinträchtigen sollte. Außerdem war unklar, welche Expert:innen diese Einschätzung abgegeben haben. Um den Beurteilungsprozess des Rektorats der HHU zu unserer Ausstellung zu verstehen, stellten wir eine Anfrage über die Plattform FragDenStaat. Es stellte sich heraus, dass die Entscheidung innerhalb von maximal 42 Minuten von einer Einzelperson gefällt wurde. Anstelle eines komplexen Verfahrens zeichnete sich das Bild eines Kanzlers ab, der – von unserem Ausstellungsentwurf überfordert – einen Alleingang machte, während seine Vorgesetzte, die Rektorin, im Urlaub war. 

Nachdem unsere E-Mail um 16:25 Uhr an Herrn Goch weitergeleitet wurde, schrieb dieser um 17:07 Uhr an den Pressesprecher: „Ich würde diese Ausstellung nicht genehmigen, aus Sicherheitsgründen, weil schon jetzt problematische Aussagen enthalten sind, wir das niemals unter Kontrolle halten können, die jüdischen Studierenden sich zu Recht bedrängt fühlen werden und wir in der Öffentlichkeit einen shitstorm [sic] erleben werden, dass wir unser Hausrecht nicht ausgeübt haben, um das zu verhindern. […] Von meinem iPhone gesendet“.

Der Pressesprecher stimmte ihm zu und ergänzte: „Einen Shitstorm von muslimischer Seite gibt es mit Sicherheit […] aufgrund unserer Absage […].“ Aus den Akten geht nicht hervor, wie der Kanzler seine Behauptungen begründet. Vielmehr wird deutlich, dass das Rektorat alles tut, um die Thematisierung Palästinas an der HHU zu verhindern: Die Ausstellung muss abgesagt werden – das steht von vornherein fest, kritische Diskussionen werden nicht zugelassen. 

Der Kanzler richtet sich an das Kulturministerium 

Nachdem der Kanzler sich am Mittwoch nach Eingang des Ausstellungsentwurfs mit dem Pressesprecher für den kommenden Montag verabredete, um die Absage zu formulieren, ließ ihn das Thema offenbar nicht mehr los. Am Donnerstag schaltete er das Ministerium für Kultur und Wissenschaft NRW (MKW) ein. Er schrieb:

„Sie hatten darum gebeten, dass wir Ihr Haus über (potenzielle) Schwierigkeiten im Zusammenhang mit dem aktuellen Nahost-Konflikt informieren. […] Ich bin fest davon überzeugt, dass wir eine solche Ausstellung im Interesse der Sicherheit und Ordnung auf dem Campus, um insbesondere Lehre und Studium nicht zu beeinträchtigen und um unsere jüdischen Studierenden und Beschäftigten zu schützen, nicht genehmigen können. Dabei ist absehbar, dass das insbesondere in der Landeshauptstadt zu einem gewissen Echo in der Öffentlichkeit führen wird. […].“

Die Antwort des MKW lautete: „[…] Vor dem Hintergrund der bisherigen Erfahrungen ist es aus meiner Sicht wahrscheinlich, dass Ihre Entscheidung bei Studierenden, Jüdischer Gemeinde und Presse Beachtung finden wird. Daher dürfte ein besonderes Augenmerk auf die Begründung zu legen sein. Sicherheit und Ordnung auf dem Campus sowie die Funktionsfähigkeit von Lehre und Verwaltung dürften dabei in den Blick zu nehmen sein. Denkbar ist zudem, dass die Anfragenenden versuchen könnten, die Ausstellung im Rahmen eines Protestcamps auf öffentlichen bzw. öffentlich zugänglichen Flächen unter freiem Himmel unter Berufung auf die Versammlungs- und Meinungsfreiheit durchzuführen. Halten Sie (…) und mich bitte über den weiteren Fortgang auf dem Laufenden und stimmen Sie die öffentliche Kommunikation bitte mit unserem Pressereferat ab.“

Der Urlaub der Rektorin wird gestört

Am Freitag informierte der Kanzler die Prorektor:innen über den Vorgang und die Antwort des MKW. Am selben Abend bekommt er eine Rückmeldung von der Rektorin per WhatsApp:
„Nur kurz aus der Ferne: […] Richtig ist, dass dies bei unserem Gespräch damals ein Thema war und ich eine Ausstellung nicht sofort als unmöglich dargestellt habe. ‚Das müsse man im Einzelfall prüfen.‘ […] Nun hat sich seitdem die Lage aber alles andere als entspannt. […] Daher tendiere ich dazu, für das nächste Semester die Regeln nochmal zu verschärfen […] andernfalls werden wir das ganze Semester mit der Beurteilung nerviger Einzelfälle verbringen, weil jede Seite versuchen wird, uns vor sich her zu treiben.“

Der Kanzler stimmt vehement zu: „[…] Und diese Ausstellung werden wir natürlich nicht genehmigen, die Rückmeldung aus dem MKW ist da sehr hilfreich. […] Und ich werde nicht mit diesen Leuten sprechen, du hast nun wirklich genug Wertschätzung und Zuwendung gezeigt, das muss ausreichen. Zumal wir in unseren Statements immer Mitgefühl mit beiden Seiten gezeigt haben. Am Ende ist unsere zentrale Aufgabe dafür zu sorgen, dass Lehre und Studium so ungestört wie nur möglich stattfinden können. Und der läuft eine solche Ausstellung komplett zuwider. Sei wirklich unbesorgt, wir regeln das schon.“

Am darauffolgenden Montag informierte Herr Goch noch die Hochschulratsvorsitzende. Nach dem Versand der E-Mail mit der Absage an Students for Palestine HHU am Dienstag leitete Herr Goch diese noch einmal an alle Involvierten weiter – niemand hinterfragte die Entscheidung. Es zeigt sich: Der Kanzler allein entschied, dass das Erinnern an junge palästinensische Menschen, die brutal aus dem Leben gerissen wurden, kontrovers und sogar gefährlich sei. Und weil es in Deutschland leicht ist, machen alle anderen mit. 

Der Pressesprecher und ein Prorektor helfen ihm bei der Formulierung der Absage. Ein Glück für den Kanzler, da ihm nach eigener Aussage „stellenweise leider die erforderlichen diplomatischen Fähigkeiten abgehen.“

Um den Inhalt unserer Ausstellung ging es nie

Die Akten sind in vielerlei Hinsicht bezeichnend. Sie enttarnen die Behauptung einer Entscheidungsfindung „unter Abwägung aller Gesichtspunkte mit Hilfe der Einschätzung von Expert:innen” als falsch. Die Rektorin war in den Prozess kaum einbezogen, die Entscheidung traf der Kanzler aufgrund seines persönlichen Unbehagens. Die Anmerkung des Ministeriums, dass die Ausstellung öffentlich Aufmerksamkeit erregen könnte, begründet die Sorge des Kanzlers um das „Echo in der Öffentlichkeit“. Alle anderen von Herrn Goch genannten Gründe, insbesondere das vermeintliche Sicherheitsrisiko oder die Störung des Lehrbetriebs, wurden – wie den Akten zu entnehmen ist – weder durch Expert:innen bestätigt noch anderweitig wissenschaftlich belegt. 

Stattdessen wird erneut deutlich, dass das Rektorat immer noch der Meinung ist, der Kern des Problems sei ein Konflikt zwischen Jüd:innen und Muslim:innen. Dabei instrumentalisiert es ungefragt jüdische Angehörige der HHU, um die Unterdrückung palästinensischer Stimmen angesichts des andauernden Genozids zu rechtfertigen. In einer Gesellschaft, die immer weiter nach rechts rückt, scheint es der HHU wichtiger zu sein, mit dem MKW auf einer Linie zu sein, als unabhängige und kritische Entscheidungen zu treffen. Ein sauberes Image und Sicherheit und Ordnung werden über die akademische und Meinungsfreiheit gestellt – all das ist Teil des Rechtsrucks. 

 

 

 

Die Gruppe Students for Palestine HHU hat sich im Januar 2024 an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf gegründet, um sich für Palästinasolidarität und einen offenen und wissenschaftlichen Diskurs auf dem Campus angesichts des Genozids in Gaza einzusetzen. Hierbei ist die Gruppe, zusammen mit anderen Studierendengruppen, regelmäßig von...
Redigiert von Martje Abelmann, Dorian Jimch