Die Kommentare in der arabischen Presse zur Parlamentswahl in Israel lassen sich an einer Hand abzählen. Das Ergebnis wird nüchtern vermeldet, allenfalls äußern die Blätter Verwunderung über das starke Abschneiden des Senkrechtstarters Yair Lapid.
In den wenigen Meinungsartikeln klingt kaum Optimismus für eine Wiederbelebung des Friedensprozesses zwischen Israelis und ihren arabischen Nachbarn durch. Der Wahlkampf und die Wahlergebnisse hätten bewiesen, dass der Frieden für die Israelis keine Priorität habe, konstatiert al-Quds aus Ost-Jerusalem. „Die offizielle israelische Behauptung, dass es keinen Partner für Frieden gebe, ist richtig – aber nicht in Bezug auf die palästinensische Seite, die ihre Bereitschaft bekannt hat, sondern in Bezug auf die israelische Seite, bei der es keine Unterstützung für einen echten Frieden gibt.“
Allein die Partei der ehemaligen Außenministerin Tzipi Livni habe die Palästinenserfrage thematisiert, habe damit aber nur fünf Sitze eingefahren. „Es ist weder vernünftig noch akzeptabel, die Friedenslösung Legislaturperiode für Legislaturperiode zu verschieben. So sind mindestens zwölf Wahlperioden vergangen und die ganze Welt wartet noch immer vergebens auf eine israelische Koalitionsregierung, die den Wunsch und den Willen nach einem gerechten Frieden hat.“
Die neue israelische Regierung werde hinsichtlich des Nahostkonflikts „die Situation managen“ anstatt „die Krise zu lösen“, prophezeit Zaki Khalil in der Zeitung al-Shabiba aus dem Oman. Die Palästinenser hätten angesichts dieser Perspektive drei Optionen: Die erste sei eine Fortsetzung des Status Quo, eines Schwebezustands, der weder Krieg noch Frieden bedeute. Dabei würde die Autonomiebehörde Israel kritisieren, friedlichen Widerstand gegen die Siedlungen unterstützen und versuchen, die Einheit der Palästinenser voranzutreiben. Die zweite Möglichkeit sei eine politische Konfrontation mit Israel, die zum Beispiel darin bestehen könne, israelische Offizielle vor den Internationalen Strafgerichtshof zu ziehen oder die Sicherheitskooperation mit der israelischen Regierung einzustellen. Die dritte Option sei schließlich „die Schlüsselübergabe an die Israelis, sprich die Auflösung der Palästinensischen Autonomiebehörde“.
Israels Wahlen als Ergebnis des arabischen Frühlings
Die libanesische Zeitung al-Safir widmet sich den historischen Wurzeln von Netanjahus Denken. An Netanjahus Namen, der übersetzt „die Gabe Gottes“ heißt, müsse tatsächlich etwas dran sein, an ders sei sonst nicht zu erklären, wieso „Zik Zak Bi Bi“– bezogen auf seine listigen Manöver in Militär und Politik – mit Unterbrechungen bereits seit 15 Jahren im Amt ist. Was für die einen eine Gabe ist, komme den Palästinensern einer Strafe Gottes gleich. Netanjahu, der den „Zionismus von seinem sturen Vater getrunken hat“, benutze immer die gleichen simplen Parolen, erst seien die Palästinenser, nun der Iran der Hauptfeind des Staates. Am Ende des Artikels kommt der Autor wieder auf die Palästinenser zu sprechen: Die unvermeidliche Wahrheit sei, dass es eine Zwei-Staaten-Lösung geben müsse, wenn jedoch die Idee eines Israels „vom Meer bis zum Fluss“ angestrebt werde, dann werde das Gebiet zu „einem einzigen Friedhof“. Das sei der wahre Netanjahu. Der Artikel schließt mit den Worten: „Was erwarten die Palästinenser von Netanjahu? Die Antwort liegt nicht bei Netanjahu, sondern bei den Palästinensern“. „Lebt euer Leben so als wäret ihr in Europa oder den USA“, das sei das Motto welches Yair Lapid, Vorsitzender der zweitstärksten Partei Yesh Atid den israelischen Wählern vermittele.
Die Israelis seien dem Ruf des Fernsehstars gefolgt und schlössen ihre Augen vor der Realität, der Auseinandersetzung mit den Palästinensern und dem Iran, so Elias al-Harfush in der panarabischen al-Hayat. Ganz so sei es dann doch nicht. Nicht anders als die arabischen Revolutionen innenpolitischen Motiven gefolgt seien, so „ist es keine Übertreibung diese Wahlen als Echo der Revolutionen des arabischen Frühlings zu bezeichnen“. Auch wenn das israelische „Regime“ nicht gestürzt wurde, so seien mit dem Wahlerfolg der Yesh Atid die traditionellen Parteien, rechts und links, zurückgedrängt worden. Dies komme einer Ohrfeige der Wähler für Netanjahu gleich. Denn die Wählen seien es, welche die gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Probleme ertragen mussten. Der Samen der israelischen Wahlen sei bei den großen Demonstrationen im Sommer 2011, die als „Israelischer Frühling“ bekannt wurden, gesät worden. Der Samen habe halt nur etwas Regen gebraucht, „und am Ende ist der Regen doch noch gekommen.“
Spott für das Chamäleon Netanjahu
„Die Psychose mit dem Feind vor der Tür hat 1996 und 2009 wunderbar funktioniert, aber dieses Mal hat der Premierminister dafür eine denkwürdige Tracht Prügel bezogen“ – die Schadenfreude spricht aus jeder Silbe im Kommentar des libanesischen Orient le Jour. Allerdings erhofft sich die Zeitung von Netanjahu, dem „Chamäleon, das unvergleichlich jede Gelegenheit beim Schopf ergreift“, dass er Yair Lapid als Vorwand benutzt, um seinen Kurs gegenüber den Palästinensern zu ändern. Der Artikel endet damit, dass sich „Bibi, der Lügner“ diesen wenig schmeichelhaften Spitznamen, den ihm Sarkozy verpasste, damit endgültig verdienen könne – „aber, wenn es dieses Mal für den guten Zweck ist?“
Ebenfalls auf die Palästinenserfrage konzentriert sich der Kommentar im libanesischen Daily Star unter der Überschrift: „Das gleiche Israel“. „Obwohl manche Analysten in diesem Teil der Erde behaupten, dass sich die israelische Politik nie ändert, sie ändert sich durchaus – nur nicht, wenn es um die Beziehungen zu den Palästinensern geht.“ Die Äußerungen israelischer Politiker, die eine Wiederaufnahme der Friedensverhandlungen forderten, seien „schlicht und ergreifend Propaganda“, da israelische Politiker „hemmungslos vom Frieden reden, während sie durch Siedlungen und Besatzung mit einer unbarmherzigen Kampagne Fakten schaffen“. Schließlich hätten die Palästinenser auch keine Rolle im israelischen Wahlkampf gespielt.
Die "drei Nein" der Israelis
Alles unter Kontrolle für Netanjahu, sagt Mohammed Larbi vom algerischen El Watan. Auf dem Papier stünden sich zwar ein rechts-religiöser Block und ein links-zentristischer Block gegenüber, aber diese Grenze sei nicht erkennbar, wenn es um die palästinensischen Gebiete und die israelische Besatzung gehe. Mit Hilfe eines geschichtlichen Bogens über die Balfour-Deklaration 1917, die Konferenz von Versailles 1919, die Staatsgründung Israels und den Juni-Krieg 1967 kommt er zum Schluss, dass Israel und Netenjahu „Frieden und Territorien“ forderten, während die arabischen Länder bereit wären, den Frieden gegen Territorien zu tauschen. Es sei nicht absehbar, wie eine neue Koalition ein anderes Programm durchsetzen könne, denn auch dieses „wird immer ein Kriegsplan gegen die Palästinenser sein, mit den immer gleichen drei Nein zur Auflösung der Kolonien, zur Wiederherstellung der palästinensischen Gebiete und zur Rückkehr der Flüchtlinge. Nicht zu vergessen, zum Ende der Besatzung von al-Quds (Jerusalem).“