07.11.2018
Die US-Politik gegenüber Iran: Gefährliche Strategielosigkeit
Trump am 5. August 2018 bei der Unterzeichnung einer Executive Order für neue Sanktionen gegen Iran. Bildquelle: Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Donald_Trump_signing_EO_on_Iran_sanctions_P20180805SC-0480.jpg?uselang=fr
Trump am 5. August 2018 bei der Unterzeichnung einer Executive Order für neue Sanktionen gegen Iran. Bildquelle: Wikimedia Commons, https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Donald_Trump_signing_EO_on_Iran_sanctions_P20180805SC-0480.jpg?uselang=fr

Vergangenen Montag traten die US-Sanktionen gegen Iran in Kraft. Was steckt hinter Washingtons Iran-Politik? Verfolgen die USA eine tatsächliche Strategie, oder handeln sie nachlässig?  Parham Kouloubandi geht der Frage nach, welche Auswirkungen die neuen Sanktionen haben und bespricht die dahinter liegende Strategie(losigkeit) der USA gegenüber Teheran.

Von allen Tweets, die US-Präsident Donald Trump in Richtung Iran absetzte, ist sein Post vom vergangenen Freitag eines der kurioseren: es zeigt ihn in entschlossener Pose mit den Worten Sanctions are coming in Anlehnung an die Kultserie ‚Game of Thrones‘. Das Foto wirkt wie ein Filmplakat mit Trump als Hauptdarsteller.

Auch deshalb ist die Entrüstung groß: für viele Iranerinnen und Iraner ist es ein weiterer Beweis dafür, wie wenig ernst die US-Regierung ihre angespannte Situation mit Iran nimmt. Vielmehr scheint sie sie als eine Art Show zu begreifen; eine Show, die die Mehrheit der iranischen Bevölkerung allerdings alles andere als genießen kann. Seit dem Aufkündigen des Atomvertrags durch die USA und dem Verhängen der ersten Sanktionen im Mai, ist Irans Wirtschaft eingebrochen, die Währung stark abgefallen und Verbraucherpreise gestiegen.

Es besteht kein Zweifel daran, dass das Leben im Land seitdem schwerer geworden ist. Am schlimmsten trifft es diejenigen, die auf ausländische Medikamente angewiesen sind, da diese praktisch nicht mehr geliefert werden aus Angst vor US-amerikanischen Sanktionen.

Trump hatte in seiner typischen Art die „härtesten Sanktionen aller Zeiten“ gegen Iran angekündigt und zumindest dafür gesorgt, dass die Auswirkungen in einigen Sektoren tatsächlich harscher sind als bei früheren Sanktionsrunden. Den gewünschten „maximalen Druck“ konnte er nicht aufbauen, weil weder der UN-Sicherheitsrat noch die EU mitgezogen sind, anders als bei den bis dato schärfsten Sanktionen 2012.

Jedoch hat seine erratische, teils widersprüchliche Rhetorik den Handel im humanitären Bereich stark eingeschränkt: denn obwohl humanitäre Güter, wie Medikamente und Nahrungsmittel, von den Sanktionen ausgenommen sind, trauen sich viele Unternehmen schlichtweg nicht, mit Iran Handel zu betreiben. Die Risiken sind zu groß und die US-Administration nicht deutlich genug.

Strategie oder Willkür?

Wie bei vielen Aspekten in Trumps Iran-Politik ist es schwer zu bestimmen, ob dahinter Absicht steckt oder nur Nachlässigkeit. Denn auch in anderen Bereichen hat sich seine Regierung eher durch Widersprüche als durch klare Linien ausgezeichnet. Dies lässt Zweifel aufkommen, ob überhaupt eine kohärente Strategie verfolgt wird: mal heißt es aus Washington, die Sanktionen wurden verhängt, um Iran an den Verhandlungstisch zu zwingen, mal wird ein Umsturz indirekt angedeutet. Trump selbst trägt zu diesen Unklarheiten direkt bei, droht an einem Tag Teheran mit Vernichtung, nur um kurze Zeit später dem iranischen Präsidenten zu schmeicheln und ein Gipfeltreffen in den Raum zu stellen.

Dass die US-Regierung zurzeit – mit einem ausgedünnten Außenministerium und Polit-Neulingen in hohen Positionen – Schwierigkeiten hat, eine durchdachte außenpolitische Strategie gegenüber Iran umzusetzen, lässt sich nicht leugnen. Beispiele blitzen immer wieder in Pressekonferenzen auf, wo Regierungsvertreter Probleme haben, die widersprüchlichen Positionen zu vertreten.

Das deutlichste Zeugnis kam von Außenminister Mike Pompeo persönlich: am Freitag sprach er in einer abgelesenen Ansprache vor der Presse davon, wie wichtig es sei, das „Verhalten von Ayatollah Khomeini zu ändern.” Zur Erinnerung: Revolutionsführer Khomeini verstarb bereits 1989, sein Nachfolger trägt den Namen Khamenei.

Man kann es als Versprecher abtun, doch auch andere Aussagen, wie beispielsweise die Notwendigkeit in Iran „Demokratie wiederherzustellen“, lassen Zweifel aufkommen, ob sich der US-Außenminister mit der Materie intensiv beschäftigt hat. Ansonsten wüsste Pompeo, wie diese Worte aus seinem Mund klingen angesichts des US-geführten Putsches gegen Irans Premierminister Mossadegh im Jahr 1953 oder generell in Gedenken an Washingtons Shah-Politik in den 50er-70er Jahren.

Irans Außenpolitik: Forderungen aus Washington greifen nicht

Doch es sind nicht nur Worte, die das Fehlen einer kohärenten Strategie der USA gegenüber Iran deutlich machen. Es sind vor allem die Aktionen, mit denen diese unterstrichen werden. Denn die US-Regierung stellt Forderungen an Teherans Regionalpolitik, ohne die eigene Schwäche innerhalb der Region zu bedenken.

In Syrien verlangt Washington den Abzug aller iranischen Truppen und ein Ende der Unterstützung für Assad. Abgesehen davon, dass die syrische Regierung auch ohne Iran auskommt, können die USA solchen Forderungen keinen Nachdruck verleihen, da sie keinen Alternativplan anbieten können und ihr Einfluss im Land schwindet. Trump hat die Aufbauhilfe stark eingeschränkt und nahezu alle Verbindungen zu syrischen Rebellen gekappt. Nun wurden auch einige ehemals US-unterstützte Milizen indirekt von Iran angeworben.

Der politische Prozess bleibt dazu eingefroren, Damaskus weiterhin entschlossen die Rebellenprovinz Idlib anzugreifen, während der Kampf gegen Da’esh stockt. Extremisten verüben regelmäßig blutige Angriffe auf die Hauptverbündeten der USA, die Syrian Democratic Forces. Allein letzte Woche gab es 67 Tote. Fast zeitgleich drohte die Türkei, ebenjene SDF zu zerschlagen und beschoss nach langer Pause wieder eine ihrer Patrouillen. Washingtons Syrienpolitik befindet sich in einer Sackgasse und das ist Teheran bewusst.

Auch der Bürgerkrieg im Jemen, wo die USA von Iran verlangen, die Unterstützung für die Houthi-Miliz einzustellen, geht ungehindert weiter, während das Ausmaß der dortigen humanitären Krise immer katastrophaler wird. Im Rahmen der allgemeinen Empörung über den Tod des saudischen Journalisten Jamal Khasoggi, haben sich die USA zur Forderung eines Waffenstillstandes in 30 Tagen und der Aufnahme von Verhandlungen durchgerungen. Dennoch mussten sie gleichzeitig zusehen, wie sich die Offensive um die Hafenstadt Hodeida eher verschärfte als abebbte. Der Krieg im Jemen wirkt immer festgefahrener und der Handlungsspielraum der USA immer beschränkter. Was immer Washington vorhat; es scheitert. Irans Strategie hingegen scheint Bestand zu halten solange die Houthis die Hauptstadt Sana’a halten.

Zudem durchläuft Saudi-Arabien, einer der wichtigsten regionalen Verbündeten der US-Amerikaner, momentan eine politische Umbruchphase, die in erratischen Aktionen mündet und die Region destabilisiert. Von der Qatar-Blockade über die Entführung des libanesischen Premierministers bis hin zur Ermordung Khashoggis – Saudi-Arabien, mit Kronprinz Muhammed Bin Salman an der Spitze, ist momentan alles andere als ein verlässlicher Partner und irritiert Washington mehr als es politisch zu unterstützen.

Das wird in Teheran wahrgenommen. Die fehlenden Druckmittel der USA sind für die iranische Regierung der letztliche Beweis dafür, dass die eigene regionale Strategie aufgegangen ist. Die USA sind nicht mehr in der Lage, Iran politisch zu konfrontieren und müssen deshalb auf Sanktionen zurückgreifen. Die Worte des iranischen Revolutionsführers Ali Khamenei sollten daher nicht als reine stilistische Übertreibung gewertet werden, als er am 4. November, dem Tag des Inkrafttretens neuer US-Sanktionen, von einem Sieg gegenüber den USA sprach. Denn im Kern trifft das zu: in Syrien ist Washington in einem Widerspruch gefangen, im Jemen zu machtlos, um etwas zu bewirken und im Irak nicht einflussreicher als Iran.

Auch deshalb wird Teheran nicht auf die im Mai ausgelegten Forderungen der USA eingehen: die Regierung sieht sich als Sieger im Machtkampf. Freilich kann angesichts der Sanktionen und der wirtschaftlichen Krise im Land keine wirkliche Siegerlaune aufkommen. Aber ein Zugehen Teherans auf die US-Regierung ist dadurch unwahrscheinlich geworden.

Auswirkungen der US-Sanktionen 

Was wieder die Frage nach der eigentlichen Strategie der USA aufwirft: einen Wandel in Irans Außenpolitik können die Sanktionen nicht erreichen. Zu direkten Gesprächen wird es auch nicht kommen; dafür fühlt sich Iran zu sehr im Recht. Und an einen Umsturz dürften nur ein paar Hardliner in Washington glauben.

Die einzigen beiden Ziele, die die USA tatsächlich erreichen, sind einerseits das Leben der iranischen Zivilbevölkerung zu erschweren und andererseits einen potentiellen Ausstieg Irans aus dem Atomvertrag zu befördern. Denn trotz der Zusammenarbeit mit der EU und dem Scheitern der USA, iranische Erdölexporte komplett zu unterdrücken, ist das Abkommen gefährdet. Die ökonomischen Vorteile sind für Iran kaum noch vorhanden und die Regierung steht unter Druck vonseiten der Hardliner, die von vornherein den Vertragsabschluss kritisiert haben.

Nun haben diese Recht bekommen und könnten durchsetzen, dass das Abkommen gekündigt wird was wiederum dazu führen könnte, dass in einer Geste des Trotzes das Atomprogramm hochgefahren wird. Mit Präsident Rouhani in einer immer schwierigeren Situation, den wirkungslosen Angeboten aus der EU und der außenpolitischen Stärke Irans ist das kein abwegiges Szenario. Teheran könnte argumentieren: Wenn eine humanitäre Krise unausweichlich ist und das Atomabkommen keine Vorteile bringt, so soll denn wenigstens etwas Positives aus der Lage gewonnen werden und zwar in Form sich drehender Zentrifugen. So könnte man eine deutliche Antwort auf die Respektlosigkeiten aus den USA senden, die bei vielen Iranerinnen und Iranern, auch Exilfiguren wie Bani Sadr oder einem engen Vertrauten des Schah, große Empörung verursacht haben. Irans regionale Stärke könnte Teheran dabei Gewissheit geben, dass Washington nicht darauf reagieren kann.

Noch sind solche Gedankengänge rein hypothetisch, denn mit einem Ausstieg aus dem JCPOA würde Teheran jegliche Rückendeckung aus der EU verspielen, deren Maßnahmen die US-Sanktionen zu kontern, gerade erst anlaufen. Doch sollte Iran zu wenige Vorteile aus der Kooperation mit den Europäern ziehen, die wirtschaftliche Krise zu einer humanitären werden, könnte sich das Szenario schnell konkretisieren. Ein entscheidender Punkt sind dabei die iranischen Erdölexporte, die die USA von rund 2.5 im April auf rund 1.8 Millionen Barrel pro Tag gedrückt haben. Washington implementiert das, um Preissteigerungen zu vermeiden, phasenweise, was Teheran zwar Zeit verschafft, aber gleichzeitig Druck erzeugt: Fallen Irans-Exporte weiter, wird der JCPOA kaum zu halten sein.

Am Montag sprach Präsident Rouhani noch vom „Stolz“, mit denen Iran die US-Sanktionen aufnehmen und vor allem umgehen wird, während sein Außenminister Zarif vor dem Parlament einen deutlichen Hinweis absendete: wenn die Regierung es wolle, wird sie das Nuklearprogramm wiederhochfahren und es effizienter als je zuvor umsetzen. Irans Streitkräfte starteten zeitgleich eine zweitägige Übung. Das Ziel: die Luftabwehrsysteme zu testen.

Die Frage bleibt, ob Trump wirklich auf solch eine Eskalation abgezielt hat. Vielleicht wollte er tatsächlich nur seine Anhänger*innen über eine harte Iranpolitik mobilisieren oder dachte, dass er mit Iran einen alternativen Vertrag aushandeln kann, wie mit Nordkorea. Aber mit der Dynamik, die sich nun entwickelt hat, wächst die Wahrscheinlichkeit für eine Eskalation . Und spätestens wenn Israel droht, iranische Atomanlagen zu bombardieren, wird sich diese Krise nicht mit einer Pressekonferenz oder einem Tweet lösen lassen und eine US-amerikanische Strategielosigkeit kann in einem regionalen Großkrieg enden.

 

 

Parham Kouloubandi studiert an der Sciences Po in Paris International Security und beschäftigt sich hauptsächlich mit sicherheitspolitischen Fragen und zwischenstaatlichen Beziehungen in Westasien. Sein Fokus liegt auf bewaffneten Konflikten und Diplomatie, vor allem in Hinblick auf die UN. Er ist zudem als Berater für eine ägyptische...
Redigiert von Laura Overmeyer, Julia Nowecki