Bruce Riedel legt mit seinem neuesten Buch eine gut lesbare Einführung in die Geschichte der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und den USA vor. Nicht weniger, aber eben auch nicht mehr. Eine Rezension von Adrian Paukstat.
Bruce Riedel weiß, wovon er spricht. Als langjähriger Mitarbeiter der CIA und Nahostberater des US-Präsidenten Bill Clinton im nationalen Sicherheitsrat bringt der Mann einiges an diplomatischer Expertise auf. Nach seinem Ausscheiden aus der diplomatischen, bzw. nachrichtendienstlichen Tätigkeit, arbeitet Riedel mittlerweile für die Brookings Institution und hat dort soeben seine zweite Monographie zur Außenpolitik der USA im Nahen Osten veröffentlicht.
„Kings and Presidents: Saudi Arabia and the United States since FDR“, so der Titel des Werkes, befasst sich mit der Geschichte der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und den USA vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die Gegenwart. Von Franklin D. Roosevelt (FDR) und Abd Al-Aziz Ibn Saud bis Donald Trump und Salman Abd al-Aziz.
In sechs längeren Kapiteln und einem Ausblick erzählt der Autor die Geschichte der diplomatischen Beziehungen beider Länder, beginnend mit dem Treffen Roosevelts und Ibn Sauds auf der USS Quincy im Jahr 1945. Bereits hier, so Riedel, wurden die Paradigmen der bilateralen Beziehungen beider Länder begründet: Washington ging es zunächst primär um die Versorgung mit dem immer wichtiger werdenden Rohstoff Öl, sowie später um die Eindämmung sowjetischen Einflusses in der Region. Riad dagegen war auf der Suche nach einer starken Schutzmacht.
In diesem Kontext erscheinen die Beziehungen beider Länder zueinander, so Riedel, primär durch den Bezug auf gemeinsame Feinde und gemeinsame Bedrohungen definiert. Abseits dessen hatten sie stets wenig gemein. In der Natur dieses Zweckbündnisses sieht Riedel auch die zentralen Konfliktgegenstände begründet, die das Verhältnis fortan und durchgehend belasten sollten.
Der angebliche Streitpunkt Palästina
Da wäre zunächst Palästina. Seit jeher vertrat das saudische Herrscherhaus strikt antizionistische Positionen. Das Engagement für den nationalen Befreiungskampf der Palästinenser war nicht nur bereits in der wahabitischen Staatsideologie angelegt, es sicherte Riad auch die Zustimmung der öffentlichen Meinung im Nahen Osten. So war bereits die Anerkennung Israels durch Präsident Truman ein Stein des Anstoßes in Riad.
Zwar rückte die Problematik zeitweise in den Hintergrund, verschwand jedoch nie gänzlich von der Tagesordnung. Stets versuchten die Saudis ihre US-Amerikanischen Bündnispartner von einem zu pro-israelischen Kurs abzubringen und immer waren die Tiefpunkte der bilateralen Beziehungen vom Nahostkonflikt geprägt. Sei es das OPEC-Ölembargo Mitte der siebziger Jahre oder die Drohung mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen auf dem Höhepunkt der zweiten Intifada.
An dieser Stelle wäre bereits ein erster Einwand gegen die Darstellung Riedels anzubringen. Denn trotz einiger Nuancierungen geht Riedel davon aus, dass sich das von ihm skizzierte Muster bis in die Gegenwart durchzieht und auch in den heutigen Beziehungen beider Länder unvermindert Bestand hat. Dies aber ist zu bezweifeln. Die im Zuge des Atomabkommens mit dem Iran, dem syrischen Bürgerkrieg, dem „arabischen Frühling“ und der saudischen Intervention im Jemen herauskristallisierte Fokussierung saudischer Außenpolitik auf den Erzfeind Iran hat Saudi-Arabien und Israel näher zusammenrücken lassen. Eine Tendenz, die unter dem gegenwärtigen Kronprinz Mohammed bin Salman eher noch zugenommen haben dürfte, wie der jüngste Zuspruch bin Salmans zum israelischen Existenzrecht zeigte.
Denn Trotz des obligatorischen saudischen Protestes gegen die Pläne Trumps, die amerikanische Botschaft nach Jerusalem zu verlegen, hat sich die diplomatische Logik in Bezug auf die Palästinafrage mittlerweile verändert. Hatte früher Saudi-Arabien die US-Amerikaner noch zu Zugeständnissen an die Palästinenser gedrängt, so übt Riad mittlerweile Druck auf die Autonomiebehörde aus, sich dem Diktat eines „Friedensplans“ aus der Feder Trumps zu beugen, der allem Anschein nach wenig mehr sein dürfte als eine Institutionalisierung des Status Quo, inklusive palästinensischer Hauptstadt in Abu Dis statt Jerusalem.
Der Autor widerspricht sich selbst
Als weitere zentrale Streitpunkte benennt Riedel den wahabitischen Islam als fundamentalistische Staatsideologie Saudi-Arabiens, sowie die dezidiert konservativ-restaurative Positionierung der Saudis im Kontext des arabischen Frühlings. Dieser These stehen jedoch selbst die eigenen Ausführungen Riedels entgegen. Wirklichen Druck vonseiten der US-Außenpolitik hat es in punkto Menschenrechte niemals gegeben. Um den Mahnungen Kennedys an die Adresse des Hauses Saud Genüge zu tun, reichten geringfügige Liberalisierungen.
Auch die neokonservative „Freedom-Agenda“ einer Demokratisierung des Nahen Ostens wurde unter der Regierung Bush qua anhaltender militärischer und politischer Unterstützung Saudi-Arabiens, wie auch des Mubarak-Regimes, Lügen gestraft. Als in den palästinensischen Gebieten die Hamas als Siegerin aus freien Wahlen hervorging, reagierten die USA mit politischem Boykott. Denn letztlich, wie Riedel selbst einräumt: „American presidents have generally preferred order in the Middle East to political reform.“ (S.198)
Generell bietet Riedel eine pointierte Einführung in die Geschichte der US-amerikanisch-saudischen Beziehungen. Allerdings auch nicht mehr als das. Seine Darstellung verharrt zumeist auf der Ebene blasser Ereignisgeschichte. Eine tiefschürfende Analyse bleibt in der Regel aus oder wird lediglich skizziert. Auch der im Klappentext vollmundig angekündigte Bezug auf „declassified documents“ – hauptsächlich Dokumente aus der Amtszeit Carters – bietet, dort wo Riedel sich auf solche bezieht, wenig Neues.
Zu diesem Eindruck trägt auch die Kürze der Darstellung insgesamt bei. Riedel hangelt sich auf 200 Seiten durch alle wesentlichen Ereignisse der Geschichte Westasiens und Nordafrikas nach dem Zweiten Weltkrieg. Dies verdichtet die Darstellung, führt aber zu einer stellenweise etwas oberflächlichen Behandlung der einzelnen zeitgeschichtlichen Ereignisse, zu deren Darstellung sich Riedel zudem überproportional häufig auf die Memoiren seiner Diplomatenkollegen verlässt. So schildert er beispielsweise die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern in Camp David und Taba ausschließlich basierend auf den Memoiren von Martin Indyk und Bill Clinton.
Alles in allem bleibt der Eindruck einer soliden, gut lesbaren, sowie stellenweise durchaus unterhaltsamen Überblicksdarstellung, der es jedoch zumeist an analytischer Tiefe mangelt.
Riedel, Bruce 2018: Kings and Presidents: Saudi Arabia and the United States since FDR. Washington: Brooking Institution Press. 208 Seiten. Ca. 23€