Die israelische Regierung hat den Bau von rund 3.000 neuen Wohneinheiten in besonders umstrittenen Gebieten um Ost-Jerusalem genehmigt. Das entfachte offenen Streit mit dem Verbündeten USA. Grundlegende Veränderungen sind dennoch nicht zu erwarten, berichtet aus Bethlehem Jan Hennies.
Vor zehn Tagen genehmigte der Stadtrat Jerusalems den Bau von 71 neuen Wohneinheiten in der illegalen israelischen Siedlung Har Homa im Westjordanland. Erst kürzlich hatten die Pläne für den Siedlungsbau in Givat Hamatos für einen öffentlichen Streit zwischen dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu und US-Präsident Barack Obama geführt.
Als öffentlich bekannt wurde, dass die israelische Regierung den Bau von 2.610 Wohneinheiten im Ost-Jerusalemer Stadtteil Givat Hamatos genehmigt hatte, fielen große Worte. Ein US-Regierungssprecher hatte nur kurz nach einem Treffen zwischen US-Präsident Obama und Premierminister Netanjahu am 1. Oktober kritisiert, die neuen Pläne könnten „Israel sogar von seinen engsten Verbündeten distanzieren.“ Netanjahu fühlte sich von derartigen Worten wohl über das übliche Maß angegriffen und feuerte zurück, dass solche Kritik nicht den „amerikanischen Werten“ entspräche. Die Aussage wurde von der Obama-Regierung scharf zurückgewiesen. In der Zwischenzeit hatte auch EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton eine Verurteilung der geplanten Siedlung veröffentlicht. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon fügte seine Rüge der Pläne vergangene Woche hinzu.
Doch so fesselnd der neue Ton in den diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und den USA für internationale Medien sein mag: tatsächliche Veränderungen vor Ort sind nicht zu erwarten. Das Projekt für die Siedlung Givat Hamatos war bereits im Dezember 2012 genehmigt worden und stand seither in der Kritik. Die Veröffentlichung der Pläne durch Israel in einer Jerusalemer Wochenzeitung am 24. September ist nun ein weiterer Schritt auf dem langsamen aber stetigen Weg durch Israels bürokratisches Labyrinth für den Bau von Siedlungen.
Schleichende Vertreibung der Palästinenser
„Wir können nichts machen“, erklärt Alaa Salman aus Beit Safafa resigniert. Es ist das letzte palästinensische Dorf – heute Stadtteil des von Israel annektierten Ost-Jerusalems – an der Hauptstraße zwischen Jerusalem und Bethlehem und grenzt an den Hügel Givat Hamatos, auf dem die neue Siedlung errichtet werden soll. Salman ist einer der Hauptorganisatoren der Proteste gegen die israelischen Bauprojekte in der Region. Bereits heute liegt Beit Safafa eingeengt zwischen der nahegelegenen Siedlung Gilo und der israelischen Sperranlage zum Westjordanland und wird aktuelle durch den Bau eines sechsspurigen Highways mitten durch das Dorf von innen zweigeteilt.
Der Highway soll den israelischen Siedlungen in der Region dienen und den Siedlungsblock Gush Etzion mit Jerusalem verbinden. Über Monate protestierten die Bewohner Beit Safafas 2013 gemeinsam mit internationalen Unterstützern. Doch selbst die Präsentation von drei alternativen Routen für den Highway, welche die Konstruktion von Tunneln beinhalten, veränderte die Situation nicht. Im Januar 2014 erlaubte das israelische Höchste Gericht den Bau der Straße auf der geplanten Strecke.
Noch ein Siedlungsblock in Givat Hamatos würde Beit Safafa weiter einengen. Sollte „Israel am südlichen Ende von Givat Hamatos bauen, kann dies die arabischen Einwohner Beit Safafas von ihrer Durchfahrt auf der Straße nach Bethlehem abhalten“, bemerkt das Washington Institut für Nahostpolitik. Die genaue Lage des geplanten Siedlungsblocks ist jedoch noch nicht bestätigt.
Der Mangel an Platz für neue Häuser und die Zerstörung der Infrastruktur des Dorfes durch den Highway führe außerdem dazu, dass junge Paare Beit Safafa verlassen müssten, bemerkt Alaa Salman. Damit riskierten sie, ihre Jerusalem IDs und somit ihr Residenzrecht in Jerusalem zu verlieren. „Wir müssen dieses Dorf retten. Aber wird sind müde“, antwortet Salman auf die Frage, warum derzeit keine Proteste mehr gegen den Siedlungs- oder Straßenbau stattfinden. Auch glaubt er nicht, dass die Verurteilungen der Projekte durch die USA und EU etwas verändern würden. USA und EU „tun nichts, um die Pläne tatsächlich zu stoppen“, kritisiert er.
Bloße Kritik bleibt wirkungslos
Die derzeitige Situation bestätigt seine Aussage. Erst im Juli hatten die Außenminister der EU die israelische Regierung in einer gemeinsamen Erklärung dazu angehalten, „die andauernde Erweiterung von Siedlungen, auch in Ostjerusalem, vor allem in den kritischen Gebieten wie Har Homa, Givat Hamatos und E1 zu stoppen.“ Seitdem publizierte die zuständige Israelische Ziviladministration zunächst Anfang September Pläne zur Vertreibung der Beduinen in der östlichen Peripherie Jerusalems, einem Gebiet, das auch E1 genannt wird. Ende September folgten die Pläne für den Siedlungsbau in Givat Hamatos. Dass jüngst auch noch die Erweiterung Har Homas genehmigt wurde, entblößt, wie wenig Gewicht der Kritik und den Forderungen der EU von israelischer Seite beigemessen werden.
Wie ineffizient die offiziellen Verurteilungen der israelischen Siedlungspolitik im Allgemeinen sind, zeigt ein Bericht von Oxfam aus dem Jahr 2012: 39 gemeinsame Erklärungen von internationalen Regierungen und Organisationen wurden von 2002 bis 2012 gegen den israelischen Siedlungsbau verfasst. In der gleichen Zeit wuchs die Anzahl israelischer Siedler in den besetzten Gebieten von rund 377.000 auf 500.000. Die neuerliche scharfe Rhetorik der USA wirkt angesichts dieser Zahlen und der jüngsten Handlungen der israelischen Regierung weit weniger bedeutsam. Welche Aktionen Israel wirklich „selbst von seinen engsten Verbündeten“ isolieren könnten, bleibt ungewiss.