10.02.2014
Ägypten nach Mubarak: "Wir wollten auch etwas tun, das war allen klar"

Die gesellschaftspolitische Debatte um die ägyptische Revolution bleibt nicht allein auf Ägypten beschränkt. Studierende der Universität Hamburg engagieren sich zum Beispiel im Verein „liqa“ („Begegnung“). Sie bieten Workshops für demokratische Partizipation und Medien in Ägypten und Tunesien an. Alsharq sprach mit Katharina Mennrich über die Herausforderungen für die Arbeit des Vereins.

 

Alsharq: Hallo Katharina, wie kam es Anfang 2011 zur Gründung von „liqa“ und welche Ziele habt ihr damals verfolgt?

Katharina Mennrich: Zusammengefunden haben wir uns während einer Studienreise im März 2011, kurz nachdem Mubarak gestürzt worden war. Wir saßen dann eher zufällig in einem Café in Kairo und haben uns von der Stimmung inspirieren lassen, wir wollten auch etwas tun, das war allen klar. Wir wollten helfen, aber nur da, wo unsere Hilfe auch gewollt war. Durch viele Gespräche kamen wir darauf, dass konkrete Projekte sinnvoll erschienen.

So kam uns die Idee, einen Wahl-O-Mat für die Wahlen im September 2011 zu entwickeln. Auf der Suche nach Unterstützung sind auf die Berliner Medien-NGO „mict“ gestoßen, die haben den Wahl-O-Mat dann schlussendlich realisiert und wir sind mit dem Produkt in Kairo unterwegs gewesen, haben dort damit Workshops angeboten. So kamen wir zu den Workshops. Die inhaltliche Ausrichtung, also die Diskussion von Themen wie Demokratie, Partizipation, Zivilgesellschaft und Medien bot sich an, weil sie in aller Munde waren, aber niemandem so genau klar war: Wie kann so etwas aussehen?

Wo steht ihr eurer Meinung nach heute?

Der Einfluss oder die Ergebnisse unserer Arbeit sind schwer messbar. Doch unsere eigene Einschätzung, die vor allem auf Feedback an uns beruht, ist, dass wir erfolgreich arbeiten. Gleichzeitig lässt sich sagen, dass unser großes Ziel, dass die Art von Arbeit, die wir machen, von anderen Personen vor Ort fortgeführt wird, noch nicht erreicht wurde. Doch so etwas braucht auch Zeit, da wir ja nicht dahin gehen und sagen: „Jetzt macht das so und so“, sondern unsere Arbeit daraus besteht, dass sich Verbindungen und Persönlichkeiten entwickeln, die ihre eigene Ziele verfolgen.

Woher nehmt ihr die Mittel, um eure Ideen umzusetzen?

Wir sind an der Universität Hamburg verankert. Das heißt, dass Prof. Dr. Eich, der Islamwissenschaftler am Asien-Afrika Institut ist, praktisch unser Schirmherr ist und wir darüber vom DAAD finanziert werden. Das heißt für uns, dass wir immer nur eine Finanzierung für konkrete Projekte und Zeiträume haben. Darüber hinaus passiert der Großteil der Arbeit, die in Deutschland stattfindet, in unserer Freizeit. Deswegen haben wir jetzt auch einen Verein gegründet. Das war ein wichtiger Schritt, um diese Arbeit auch längerfristig fortsetzen zu können, da es nur so möglich ist, langfristige Förderungen zu erhalten.

Das bedeutet aber nicht, dass wir das Studentische bei „liqa“ aufgeben wollen. Wir haben für unsere bisherigen Workshops deutschlandweit an den Unis nach Leuten gesucht. Jetzt wollen wir das Projekt wieder näher an die Uni Hamburg bringen, und suchen nach neuen Leuten, um „liqa“ auch weiterhin als studentisches Projekt an der Uni zu halten.

Ihr seid zur Zeit in Ägypten und Tunesien aktiv, soll sich daran in Zukunft etwas verändern?

Ägypten und Tunesien haben vorerst unsere Priorität. Vergangenes Jahr waren wir das erste Mal in Tunesien, und das soll erst einmal ausgebaut werden und sich etablieren. Langfristig ist es natürlich wünschenswert, dass es auch über diese beiden Länder hinauswächst. Aber unser Ziel ist nicht nur, dass wir möglichst viele Workshops machen, sondern, dass sich die Personen, die in diesem Bereich tätig sind, entwickeln und auch untereinander vernetzen. Das Vertiefen von Beziehungen und der Ausbau unserer Projekte in Ägypten und Tunesien ist uns daher zunächst wichtiger.

Wie reflektiert ihr eure Arbeit? Ihr wollt ja keine fertigen Ideen und Konzepte in den Ländern etablieren, doch gebt ihr Methoden vor und bringt selbstverständlich auch Ideen mit.

Wir bringen Ideen mit, das stimmt. Wir versuchen jedoch, uns weitmöglich auf unsere Gegenüber einzustellen. So bieten wir den Gruppen, mit denen wir Arbeiten, verschiedene Workshops an, bemühen uns, deren Feedback so konkret und direkt wie möglich umzusetzen und konzipieren wiederum aus Erfahrung und Anregung neue Workshops. Das gleiche machen wir auch bei unseren Workshops in Deutschland. Zudem holen wir uns Experten, um auf Kritik zu reagieren. Zum Beispiel haben wir uns vor unseren letzten Workshops in Ägypten von einer Erwachsenenpädagogin, die selbst ein erfolgreiches Jugendprojekt im Balkan leitet, beraten lassen und darauf hin unsere Methoden teils stark überarbeitet.

Kannst du uns einen beispielhaften Ablauf eines Workshops erläutern?

Wie schon erwähnt, sind alle unsere Workshops spezifisch auf eine Gruppe zugeschnitten. Wir haben Workshops, die drei Stunden dauern, aber auch Workshops von sechs Stunden Länge. Doch was für alle Workshops gleich ist, ist dass der erste Teil sehr analytisch ist und wir uns selbst stark zurückhalten. Dabei geht es zum Beispiel um die aktuelle Situation vor Ort. Uns ist wichtig, dass jeder gehört wird. Danach haben wir konzeptionelle Teile.

Bei dem Workshop „Von der Vision zum Projekt“ versuchen wir dabei beispielsweise die Analyse auf die persönliche Situation herunterzubrechen. Wo steht man selbst? Was ist gut? Was nicht? Um dann davon zu den Fragen zu kommen, wie finde ich einen für mich passenden Weg meine Ideen und Visionen erfolgreich umzusetzen. Viele dieser Fragen werden auch in Kleingruppen bearbeitet. Dabei bauen wir darauf, dass sich Synergien zwischen den Teilnehmern beim Workshop ergeben und diese Leute arbeiten dann gemeinsam an der Beantwortung der Fragen.

Bei dem Workshop „Kommunikation“ ist es dafür wesentlich theoretischer. Da kommen dann Inhalte wie die Kommunikationstheorie von Schulz von Thun vor, woraus dann selbstständig Gesprächsmethoden bewertet und weiterentwickelt werden. Auch Rollenspiele spielen hier eine wichtige Rolle.

Inwieweit gibt es Kooperation mit anderen Institutionen in Ägypten oder Tunesien? Wo finden die Workshops statt? 

Wir werden bis jetzt hauptsächlich vom DAAD finanziert und kooperieren sehr eng mit dem DAAD Büros und Lektoren in Ägypten und Tunesien. Wir haben auch schon einige Male mit dem Goethe-Institut in Kairo und Alexandria und der Deutschen Schule der Bormäerinnen zusammen gearbeitet. Die Workshops finden in der Regel in den Sprachfakultäten von Universitäten in Ägypten und Tunesien statt.

Was wir für die Zukunft verstärkt machen wollen, ist dass wir Workshops nicht nur innerhalb der Universitäten durchführen, sondern auch welche außerhalb anbieten möchten, um so auch noch andere Gruppen von Menschen zu erreichen. Bei einer Reise nach Ägypten haben wir das schon gemacht und hatten sehr spannende Workshops mit einem sehr breiten politischen Spektrum.

Doch besonders zu Beginn hat der Weg über die Universitäten einfach gut funktionierte. Ein Vorteil an den Sprachfakultäten war zudem noch, dass wir mit Leuten zu tun hatten, die oft noch nicht gesellschaftspolitisch aktiv oder interessiert waren.

Was ist euer langfristiges Ziel für die Zukunft?

Wir wollen Gruppen aufbauen, die unsere Arbeit vor Ort weiterführen. Doch auch das Thema Nationalsozialismus, Entnazifizierung im Nahen Osten ist uns sehr wichtig. Dies ist ein Thema, welches bei unseren Workshops immer wieder aufkam und wir als Gruppe gesehen haben, dass wir dazu arbeiten möchten. Wir denken, dass die Aufarbeitung der nationalsozialistischen Geschichte Deutschlands im Nahen Osten eine wichtige Aufgabe ist und wollen uns dieser in Zukunft verstärkt widmen. Parallel dazu entwickeln wir ein Schulprojekt, um den Dialog zwischen jungen Menschen in Deutschland und dem Nahen Osten zu fördern. Dazu arbeiten wir mit Schulen in Deutschland zusammen. So haben unsere Workshopteilnehmer auch die Chance, indirekt in den Dialog mit anderen Jugendlichen zu kommen. So können Gleichaltrige von verschiedenen Lebensrealitäten erfahren und lernen.

Wenn jemand gerne bei euch mitarbeiten möchte, soll die Person euch einfach schreiben?

Richtig, wir freuen uns immer, wenn man uns schreibt, konkret brauchen wir momentan Unterstützung bei unserer Website. Dass wir uns selbst mit neuen Perspektiven konfrontieren, ist Teil der Idee, deswegen ist es wichtig, dass wir unser Team vergrößern. Hat jemand Lust, sich mit den Themen auseinanderzusetzen, sind wir immer über die üblichen Wege wie soziale Medien oder die Website zu erreichen.

Vielen Dank für das Gespräch.

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