Zur Einweihung des neuen Museums für Ägyptische Zivilisation wurden die Mumien pharaonischer König:innen in einer feierlichen Parade durch Kairo geleitet. Ein Kommentar zur Verbindung zwischen historischem und modernem Despotismus.
Am Karsamstag, als Christ:innen auf der ganzen Welt für den begrabenen Christus Wache hielten, wurden 22 mumifizierte, ehemalige Monarch:innen Ägyptens - vier Königinnen und 18 Könige - aus dem Ägyptischen Museum in Kairo exhumiert und feierlich durch die Stadt geleitet. In mit Stickstoff gefüllten Kapseln versiegelt und wie militärische Märtyrer:innen in die post-1984 ägyptische Flagge gehüllt, wurden die Mumien auf Sicherheits-LKWs verladen, die wenig überzeugend als antike Streitwagen gestaltet waren. Sie ähnelten dabei jenen, die zum Abtransport politischer Gefangener verwendet werden.
Die Strecke vom Tahrir-Platz, wo die Mumien jahrzehntelang im Ägyptischen Museum gelegen hatten, zu ihrer neuen Ruhestätte im Nationalmuseum der Ägyptischen Zivilisation, wurde weitläufig geräumt und abgesperrt. Auf Anweisung des Innenministeriums durften keine Schaulustigen die „Goldene Parade der Pharaonen“ persönlich miterleben. Stattdessen forderte Präsident Sisi die Ägypter:innen (und die Welt) auf, das Spektakel im Fernsehen zu verfolgen.
Frauen in blauen und weißen Gewändern, metallischen Krägen und Kopfbedeckungen, die Augen mit Kajal umrandet, trugen leuchtende Gefäße, nicht unähnlich der Kugel, die Trump in Saudi-Arabien medienwirksam befingerte. Außerhalb des neuen Museums glitten Sonnenbarken, die der Überlieferung nach Pharaon:innen ins Jenseits beförderten, über einen laserbeleuchteten Teich. „Voller Stolz und Freude bereite ich mich darauf vor, die Könige und Königinnen von Ägypten zu empfangen“ schrieb Sisi auf Twitter.
Die Instrumentalisierung der Vergangenheit
Die antike Vergangenheit Ägyptens auf Kosten der jüngeren politischen Geschichte zu beschwören, war lange Zeit die Lieblingstaktik der Despoten des Landes. Die Aufführung von Ismail Paschas Aida, einer 1871 in Auftrag gegebene Erzählung über eine interkulturelle Liebesgeschichte, wurde obligatorisch aufgeführt, um den katastrophalen Versuch des osmanischen Gouverneurs, Äthiopien 1876 zu kolonialisieren, zu beschönigen.
Nasser genehmigte 1967 die Leihgabe der Tutanchamun-Maske an Frankreich, direkt nach Ende des katastrophalen Sechstagekriegs. Als 1976 die Mumie von Ramses II. zur Restaurierung nach Paris geflogen wurde, erhielt sie einen ägyptischen Pass, in dem der Beruf als „König (verstorben)“ angegeben war. Sadat mag sich über die demütigende Ausstellung von Leichen in den Vitrinen eines Museums aufgeregt haben, aber er hatte keine Skrupel, Tutanchamuns Welttournee 1976-79 als Propaganda für das Camp-David-Abkommen zu nutzen. Im Jahr 2006, auf dem Höhepunkt der wachsenden Opposition gegen seinen Sicherheitsstaat, sponserte Mubarak eine Parade der kolossalen Statue von Ramses II. vom Vorplatz des Hauptbahnhofs zum Plateau der Pyramiden von Gizeh.
Sisis Spektakel des militärischen Futurismus im pharaonischen Gewand ist lediglich die jüngste Spielart einer alten Propagandastrategie, die auf ein ausländisches Publikum abzielt. Aber es erinnerte auch an einen anderen Moment der ägyptischen Geschichte. Im Jahr 1931 wurden 24 Mumien aus ihren Vitrinen im Ägyptischen Museum geholt, um sie in einer anderen Grabkammer auszustellen.
Von Sidki Pascha und Saad Zaghlul
Sidki Pascha, der autoritärste Premierminister der Zwischenkriegszeit, ein bekennender Monarchist, der nach dem Wall-Street-Crash die Verfassung außer Kraft gesetzt und harte Sparmaßnahmen verhängt hatte, instrumentalisierte die göttlichen Toten, um abweichende Meinungen zu unterdrücken. Er war unglücklich darüber, dass für Saad Zaghlul, den Volkshelden der Revolution von 1919, den ersten demokratisch gewählten Premierminister Ägyptens (und zufälligerweise mein Großonkel), ein neo-pharaonisches Grabmal errichtet worden war.
Beit al-Umma, wo Zaghlul begraben werden sollte, war das Herz der Revolution von 1919 gewesen. Sidki musste den Ort von der Assoziation mit der Volksdemokratie befreien, genau wie es Sisi seit seiner Machtübernahme 2013 mit dem Tahrir-Platz getan hat. Die uneingeladenen Mumien neben Zaghlul zu stapeln, war Sidkis Art zu argumentieren, dass der Volksheld genauso ein Tyrann gewesen war wie die König:innen, die ihm vorausgegangen waren.
Als Zaghluls Witwe Safiya von dem Plan erfuhr, war sie entsetzt und weigerte sich zuzulassen, dass ihr Mann neben den einbalsamierten Leichen liegt. Nach langen Verhandlungen wurden die Mumien schließlich, als Sidki 1933 zurücktrat, an das Museum zurückgegeben und Zaghlul nahm seinen rechtmäßigen Ruheplatz ein.
Historisches Erbe – glorifiziert oder zerstört?
Der Angriff auf Ägyptens moderne, politisch lebendige Vergangenheit geht weiter, während der Wahn von der antiken Größe um sich greift. Der von Hollywood inspirierte Soundtrack der Goldenen Parade (mehr Gladiator als Aida) übertönte die Bulldozer, die riesige Teile von Kairos architektonischem Erbe zerstören, einschließlich der mamlukischen und osmanischen Häuser, in denen die tatsächlichen Vorfahren der Ägypter:innen lebten, und der Mausoleen, in denen sie begraben wurden.
In der Vergangenheit war die Identifikation mit den Pharaon:innen - Symbole des biblischen und koranischen Despotismus - immer ambivalent. Doch jetzt, unter Sisi, wird er voll und ganz ausgelebt: mit gepanzerten Streitwagen, Laserstrahlern und Feuerwerk. In dem Land mit der wohl weltweit höchsten Zahl an politischen Gefangenen und Folteropfern bleiben nicht einmal die Toten ungestört.