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Wenige Tage vor den Wahlen in Israel soll es zu einer Neuauflage der Sozialproteste kommen. Zu seinem vierzigsten Geburtstag lud Shay Cohen zu einer Demonstration auf Tel Avivs Rothschild Boulevard ein. Denn vier Jahre nach den ersten Protesten können viele Israelis sich immer noch keine Wohnungen leisten.
Wieder hat es mit einer fehlenden Wohnung und einem Post auf Facebook begonnen: „Plötzlich bin ich 40. Ich habe eine großartige Familie und in meinem Leben passieren viele gute Dinge. Aber alles ist zu teuer und der Kauf einer Wohnung ist bestenfalls ein entfernter Traum. Wir arbeiten hart uns verdienen immer noch zu wenig“. Mit diesen Worten lud der Gewerkschaftssekretär der 2007 gegründeten Koach la’Ovdim – Kraft den Arbeitern – zum Prostest auf Tel Avivs Prachtstraße auf.
Bereits 2011 und 2012 wurde dort und anderenorts in Israel gegen zu hohe Lebenshaltungskosten, zu wenige Sozialstaatsleistungen und zu hohe Mieten demonstriert. Bis zu 800.000 Menschen gingen auf die Straße, um für eine neue Politik zu kämpfen. Yair Lapid wurde mit seiner Partei Yesh Atid zum Hoffnungsträger eines großen Teiles der israelischen Gesellschaft. Doch als Finanzminister konnte er die Forderungen der Protestierenden nicht umsetzen. Seine steile politische Karriere enttäuschte Viele und blieb letztendlich ohne merkliche Erfolge. Von vormals 19 Sitzen bei den letzten Wahlen, werden seiner Partei derzeit nur noch 12 Sitze vorausgesagt.
40 Jahre alt und immer noch keine Wohnung
Auch das von der Regierung 2011 eingesetzte „Trajtenberg-Komitee“, das die sozio-ökonomischen Probleme Israels analysieren und Lösungsvorschläge ausarbeiten sollte, brachte nicht die grundlegenden Veränderung, die sich die Demonstrierenden wünschten. Erst vor drei Wochen veröffentliche der Staatskontrolleur Joseph Shapira einen Bericht über die Wohnungskriese. Daraus geht hervor, dass die Preise für Wohnungen zwischen 2008 und 2013 um 55 Prozent gestiegen sind. Die Preise für Mietwohnungen legten um 30 Prozent zu. „Wir brauchen wirklich alle eine Revolution in unserem Denken und in unserer Sozial- und Wirtschaftspolitik“, schrieb Cohen in seinem Protestaufruf. „Nichts hat sich seit 2011 geändert, außer dass die Wohnungskosten explodiert sind“, fasst er die bisherigen Proteste zusammen. Es sei kaum zu glauben, dass Benjamin Netanjahu sich einer Wiederwahl stellt, ohne eine Wohnungsbauagenda zu haben, oder einer Plan wie die Kosten für Wohnungen gesenkt werden können.
17 Tage vor den Wahlen in Israel werden nun erneut Zelte auf dem Rothschildboulevard errichtet. Am Sonntag folgen rund 250 Menschen der Einladung Cohens auf den Platz vor dem Habima Theater und bauten Zelte auf dem Bulevard auf. Der Veteran der Sozialprotestbewegung hofft, dass von der Demonstration eine neue Welle von Sozialprotesten ausgeht. „Vier Jahre sind vergangen und die Lebensbedingungen haben sich nur verschlechtert. Wenn wir jetzt nichts unternehmen, werde wir ohne Dach über dem Kopf alt werden“, sagte er Alsharq vor Ort.
Vom Puddingprotest in Berlin zurück nach Tel Aviv
Mit dabei zwischen den Zelten ist auch Naor Narkis. Der 26-jährige Tel Aviver wurde letztes Jahr bekannt, als er seine Landsleute zum Umzug nach Berlin aufrief. Nachdem er einen Kassenzettel von günstigem Pudding auf Facebook postete, schlossen sich zahlreiche gleichgesinnte seiner Bewegung Olim LeBerlin – Auswanderung nach Berlin – an. Nun ist er zurück in Tel Aviv und will die Situation, die ihn zum Wegzug bewegt hat, vor Ort verändern. „In Deutschaland habe ich erlebt, wie die Regierung für die Bevölkerung arbeitet und Sozialleistungen anbietet. In Israel ist es genau umgekehrt: die Regierung arbeitet nur für sich selbst“, beschreibt Narkis das Problem. Er hofft, dass sich die Israelis beim Urnengang in zwei Wochen gut überlegen, für wen sie ihre Stimme abgeben werden.
Für die linken Parteien kommt der Protest kurz vor den Wahlen sehr gelegen. Es ist eine Chance Netanjahu in einem bislang inhaltsleeren Wahlkampf auch in Sachfragen anzugreifen und auf dem Rothschildboulevard Präsenz zu zeigen. Der Abgeordnete der kommunistischen Hadash-Partei, Dov Khenin, gab vor Ort zahlreiche Interviews und auch junge Wahlkämpfer von Meretz und der Arbeitspartei waren vor Ort. Sie alle eint, dass sie zwar nicht an einen Erfolg der Proteste glauben, aber darin eine gute Möglichkeit sehen, vor den Wahlen auf sich aufmerksam zu machen.
„Das ist das beste Geburtstagsgeschenk, das ich mir vorstellen konnte“
Cohen ist von den Fahnen und T-Shirts der Parteien auf seiner Demonstration zwar nicht begeistert, sieht darin aber auch eine Chance: „Sie könnten endlich darauf hören, was wir seit Jahren einfordern“. Vor allem aber zeigte sich Cohen am Sonntag glücklich über den Verlauf des Protestes: „Das ist das beste Geburtstagsgeschenk, das ich mir vorstellen konnte“.
Im Vergleich zu den Protesten 2012 geht es dieses Mal (bisher) ruhiger und familiärer zu. Cohen hat alle notwendigen Genehmigungen für das Protestcamp eingeholt, um eine Räumung zu vermeiden. Viele Familien sind mit kleinen Kindern gekommen, zu Musik aus solarbetriebenen Lautsprechern wird entspannt getanzt. „Wir sind alle ein wenig älter und weiser als 2012“, meint Cohen, der auch nicht mehr ins typische Profil der Proteste von 2011 und 2012 passt, als hauptsächlich Studierende auf die Straße gingen. Davon erhofft sich der Initiator, auch neue Gruppen der Gesellschaft erreichen zu können.
„Zieht doch nach Berlin“
Am Montagvormittag standen die Zelte immer noch, wenn auch deutlich weniger Menschen im Zeltlager waren als am Abend zu vor. Shay Cohen steht zwischen den Zelten und gibt Interviews, während ein Autofahrer im Vorbeifahren „zieht doch nach Berlin“ in Richtung der Zelte ruft. Auf dem Boulevard bleiben Passanten stehen und beginnen hitzige Diskussionen mit den Protestierenden und anderen Passanten. Noch sind es nur wenige, die sich an der Aktion beteiligen. Viele sind nach zwei erfolglosen Runden der Sozialproteste ernüchtert oder resigniert. Doch Cohen ist optimistisch: „2011 hat es mit einem Zelt am ersten Tag angefangen, am Ende waren es tausende“.