Am 24. November und 01. Dezember waren die Staatsbürger*innen des kleinen Golfstaates Bahrain aufgerufen, ihre Stimme für das kommunale und das nationale Parlament abzugeben. Das sunnitische Herrscherhaus Al Chalifa hatte seit den Protesten 2011 jedoch die vor allem aus Schiiten bestehende Opposition ausmanövriert. Die Opposition boykottierte die Wahlen daher. Von Andreas Vogl.
Anfang November schaffte es der kleine Golfstaat Bahrain wieder in die deutsche Presse. Wenn dort nicht gerade ein Formel-1-Rennen stattfindet, ist dies meist kein gutes Zeichen. So ging es auch am 04. November nicht um Motorsport, sondern um den schiitischen Oppositionsführer Ali Salman, der zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Der Vorwurf: er habe im Auftrag Katars Spionage betrieben.
Kurz vor der Wahl, am 21. November, nahmen bahrainische Sicherheitskräfte zudem den ehemaligen Abgeordneten Ali Rashid al-Ashiri fest. In einem Tweet hatte er geschrieben, dass er und seine Familie die Wahl boykottieren werden. Als Bahraini sei er seiner politischen und zivilen Rechte beraubt, so al-Ashiri als Begründung. Am Tag seiner Anhörung, am 27. November, wurde al-Ashiri allerdings wieder aus der Haft entlassen.
مازال البعض يسال هل ستصوت في الانتخابات؟ وكانهم لا يعيشون ولا يتابعون الوضع السياسي المتأزم في#البحرين
انا مواطن بحريني محروم من حقوقي السياسية والمدنية لذلك انا وعائلتي سوف نقاطع الانتخابات النيابية والبلدية و لا لقانون#العزل_السياسي— Ali Rashed AlAsheeri (@AliAsheeri) 8.November 2018
Opposition und Königshaus
Um diese Nachrichten richtig einordnen zu können, muss man den Umgang des Königshauses mit der Opposition betrachten. Bahrain ist aufgrund seiner Lage und als Stützpunkt der fünften US-Flotte ein wichtiger Partner westlicher Staaten und der Golfmonarchien. So trägt Manama beispielsweise maßgeblich den Kurs Saudi-Arabiens gegen Iran, beim Krieg im Jemen und bei der Blockade gegen Katar mit.
Dieses außenpolitische Engagement lässt sich auch mit den inneren Verhältnissen erklären: 65-70% der Bevölkerung sind Schiiten, während das Königshaus der sunnitischen Minderheit angehört. Ein Ziel bahrainischer Politik ist somit die Eindämmung Irans.
Innenpolitisch hatte Bahrain vor allem in den 2000er Jahren einen moderaten Kurs gefahren: nach 30 Jahren gab es 2002 erstmals wieder Wahlen. Dafür wurde eine Nationalversammlung mit zwei Kammern geschaffen. 40 Mitglieder werden gewählt, die anderen 40 durch den König ernannt.
2006 ernannte der König sogar einen Schiiten zum Premierminister. Spannungen zwischen Sunniten und Schiiten blieben zwar bestehen, dies war aber oft regionalen und nicht innenpolitischen Entwicklungen wie Kämpfen zwischen Sunniten und Schiiten im Irak geschuldet. Die sunnitische Opposition hingegen sah sich jedoch von der Regierungsfraktion und den vielen Schiiten im Parlament an den Rand gedrängt.
Im Zuge des Arabischen Frühlings kam es dann auch in Bahrain zu Protesten. Tonangebend war dabei die schiitische Opposition. Als das Königshaus der Lage nicht mehr Herr wurde, fuhren Panzer aus Saudi-Arabien nach Bahrain und halfen bei der Niederschlagung der Demonstrationen.
2012 gab es dann Konzessionen seitens der Regierung und kündigte an, ihr Programm von nun an stets dem Parlament vorzulegen. Die Opposition forderte jedoch eine Regierung auf Basis von Wahlen. Die Proteste gingen deshalb im kleineren Rahmen weiter. Im November 2012 entzog Bahrain dann erstmals 31 Personen die bahrainische Staatsbürgerschaft. Die Fronten zwischen sunnitischer Regierung und schiitischer Opposition verhärten sich weiter.
Ali Salman, Vorsitzender der islamistischen al-Wifaq-Partei, wurde 2014 verhaftet. Das umstrittene geistige Oberhaupt der Partei, Isa Qassim, folgte im Juni 2016. Ihm wurde sogar die Staatsbürgerschaft entzogen. Al-Wifaq wurde im Monat darauf verboten.
Daraufhin riefen die UN die Regierung in Manama dazu auf, die „systematische Drangsalierung“ der Schiiten einzustellen. Manama rechtfertigt seine Schritte jedoch stets mit dem Verweis auf Iran, welchen das Königshaus hinter jeder oppositioneller Struktur sieht. Im Falle von Isa Qassim scheint es auch so zu sein, dass der Iran in manchen Fällen zumindest das ideologische Rüstzeug zur Verfügung stellt.
Zudem schloss die Regierung letztes Jahr die einzige unabhängige Zeitung al-Wasat.
Internationale Bedenken im Vorfeld
Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch sowie die EU und die USA hatten aufgrund der Geschichte und den Vorfällen vor den Wahlen an das sunnitische Königshaus Al Chalifa in Bahrain appelliert, Repressionen zu beenden und freie Wahlen zu ermöglichen. Offizielle Statements aus Manama betonten hingegen, dass das Land eines der am meisten entwickelten Parlamente in der Region habe und die Wahlen von über 200 unabhängigen Beobachter*innen aus der Zivilgesellschaft überwacht würden. Zudem seien alle Kandidaten auf einer extra für die Wahl ins Leben gerufenen Website vorgestellt worden. Die Regierung setze auf Transparenz.
Offiziellen Angaben zufolge, trugen diese Maßnahmen in der ersten Runde der Wahlen am 24. November Früchte. Bei der Parlamentswahl haben offiziellen Zahlen zufolge 67% der 365.467 Wahlberechtigten, bei der Kommunalwahl gar 70% ihre Stimme abgegeben. Bereits am Tag nach den Wahlen veröffentlichte der bahrainische Justizminister Scheich Chalid bin Ali Al Chalifa zudem die Ergebnisse. Oppositionsvertreter*innen waren nicht unter den Wahlsieger*innen.
Die größte schiitische Oppositionspartei al-Wifaq, die noch immer verboten ist, hatte ihre Anhänger*innen dennoch zum Boykott der zweiten Runde aufgerufen. Die offiziellen Zahlen stellte sie in Frage und schrieb, dass die Wahlbeteiligung im ersten Durchgang lediglich bei 28–30% gelegen habe. Die Bundestagsfraktion der Grünen bezeichnete die Wahl daher als „Farce“ – ein Statement von vielen, welches die al-Wifaq-Partei auf ihrem Twitteraccount teilte.
حزب الخضر الألماني : انتخابات البحرين الأخيرة زائفةhttps://t.co/ZF6lIrRXWj#الوفاق #البحرين #صوتك_أغلى #البحرين_تقاطع #bahrain pic.twitter.com/FMiCf0jBFP
— Alwefaq Society (@ALWEFAQ) 27.November 2018
Boykottaufruf der Opposition
Die Tage zwischen den beiden Wahlgängen nutzten bahrainische Sicherheitskräfte offenbar, um Oppositionelle zu verhaften und bahrainische Gerichte, um Zeichen zu setzen. Einerseits entließen sie zwar den ehemaligen Abgeordneten Ali al-Ashiri aus der Haft. Andererseits verurteilte ein Gericht zwei Tage vor der Wahl der Organisation Bahrain Human Rights (BHR) zufolge aber zwei Oppositionelle zum Tode. Die Geständnisse sind laut BHR unter Folter erzwungen worden. Ebenfalls zwei Tage vor der Wahl hat Bahrain zudem 32 Menschen die Staatsbürgerschaft entzogen, darunter zum ersten Mal einer Frau.
Den Tag des zweiten Wahlgangs, der zugleich der bahrainische Frauentag ist, nutzte die Partei al-Wifaq folgerichtig, um auf 994 politisch inhaftierten Frauen aufmerksam zu machen. Auf Twitter riefen Oppositionelle zudem unter dem Hashtag Deine Stimme ist mehr wert (صوتك_اغلى#) auch im zweiten Wahlgang zum Boykott der Wahlen auf.
Die „Pinke Welle“
Viele Beobachter*innen freuen sich dennoch über die Wahlergebnisse. Das liegt vor allem an der „pinken Welle“ – dem Einzug von sechs statt bisher nur drei Frauen ins Parlament, während bei den Bezirkswahlen vier Kandidatinnen erfolgreich waren. Die Wahlergebnisse – inklusive der Stimmen der Kandidat*innen – publizierte die Regierung auf der Website für die Wahlen, die Namen zusätzlich in der staatlichen Nachrichtenagentur. Auch hier setzte Manama auf Transparenz und veröffentlichte die Ergebnisse wie schon in der ersten Runde am Tag nach den Wahlen.
Drei Tage nach den Wahlen, am 04. Dezember, nahm König Hamad bin Isa Al Chalifa dann noch ein neues Kabinett an. Vorgeschlagen hatte das Kabinett Prinz Chalifa bin Salman Al Chalifa. Dieser war zuvor von König Hamad bin Isa Al Chalifa zum Premierminister ernannt worden.
Eine Opposition war von diesen Prozessen allerdings ausgeschlossen, da sämtliche Parteien von der Regierung verboten worden waren. Al-Wifaq kritisierte daher, dass die Regierung „geklont“ wurde und es keine großen Neuerungen gebe. Zudem fehle eine Vision für die Zukunft des Landes. Die Regierung erwecke schlicht den Eindruck, dass es ihr nur um die Sicherstellung der eignen Pfründe gehe, so al-Wifaq.