01.12.2020
Sassan – mit Pink Floyd und Synthesizern in Iran
Sasan Bakhsheshi a.k.a Sassan mag keine Labels. Bild: Sasan Bakhsheshi
Sasan Bakhsheshi a.k.a Sassan mag keine Labels. Bild: Sasan Bakhsheshi

Sasan Bakhsheshi a.k.a Sassan ist Tontechniker und produziert in Iran elektronische Musik. Er ist Teil des Gate of Tehran - Festival 2020. Dis:orient sprach mit ihm über Inspiration, Teherans Musikszene und die Auswirkungen von Corona.

Dieser Text ist Teil einer Medienkooperation zwischen dis:orient und dem Gate of Tehran – Festival 2020. Es findet vom 26. November - 10. Dezember 2020 statt. Die Livestreams findet ihr auf Instagram.

Sasan, welche Musik hast du in deiner Jugend gehört?

Ich habe besonders Rockmusik aus den 60er und 70er Jahren gehört. Vor allem Pink Floyd hatte einen großen Einfluss auf mich, wahrscheinlich wie auf viele Iraner:innen. Die Band ist in Iran bis heute sehr populär. Die Generation meiner Eltern hat ihre Musik gehört, sie hatten Pink Floyd Kassetten, und man konnte damals sogar Pink Floyd-Graffitis auf den Straßen sehen. Auch meine ältere Schwester ist Pink Floyd Fan und durch sie bin ich erst richtig auf die Gruppe aufmerksam geworden. Nachdem ich High Hopes von Pink Floyd gehört hatte, fing ich mit dem Gitarrespielen an. Und durch Pink Floyd bin ich überhaupt erst auf elektronische Synthesizer aufmerksam geworden.

Du bist also mit Rockmusik groß geworden, produzierst mittlerweile aber elektronische Musik. Was gefällt dir besonders an dieser Musik?

Elektronische Musik stellt für mich eine ziemliche abstrakte Musik- und Kunstform dar. Der eigenen Fantasie wird beim Zuhören ein großer Spielraum eingeräumt. Und auch beim Produzieren hat man quasi unbegrenzte Möglichkeiten, sich durch Klänge auszudrücken, ohne durch bestimmte Notationsweisen oder Strukturen eingeschränkt zu werden. Diese Freiheit schätze ich sehr, sowohl als Hörer als auch Produzent.

Wie produzierst du deine Musik?

Ich probiere verschiedene Melodien und Akkorde immer zuerst auf meiner Gitarre aus, bevor ich dann versuche, diese ersten Ideen mit meinen drei Moog-Synthesizern in elektronische Klänge zu übersetzen. Ich liebe es, mit meiner analogen Hardware zu experimentieren und beschränke mich auf einige wenige Geräte. Ich habe das Gefühl, dass diese natürliche Beschränkung meine eigene Kreativität herausfordert und zugleich stärkt. Wenn ich live spiele, konzentriere ich mich noch stärker darauf, mit meinen Geräten zu improvisieren. Der direktere Kontakt mit dem Publikum hat dabei eine große emotionale Wirkung auf mich und hilft mir, mich umso mehr auf den gegenwärtigen Moment zu konzentrieren. Als eher introvertierter Mensch, kann ich meine Emotionen und Gedanken am besten ausdrücken, wenn ich Musik produziere.

Du bist in Teheran aufgewachsen und hast dort lange Zeit als Tontechniker gearbeitet. Wie bist du zur Tontechnik gekommen?

Als ich mit 13 oder 14 Jahren angefangen habe, Gitarre zu spielen, habe ich auch angefangen, mit meinem kleinen Computer erste Aufnahmen zu machen. Ich habe damals schon viel experimentiert und wollte immer mehr über Aufnahmetechniken wissen. Ein Freund von mir arbeitete damals als Live-Tontechniker. Ich habe begonnen, ihm zu assistieren und habe durch die Arbeit in verschiedenen Studios sowie auch das Internet mein Wissen in diesem Bereich immer weiter ausgebaut. Die Arbeiten von Alan Parsons haben mich dabei besonders motiviert und geprägt.

Deine Musik klingt für mich sehr atmosphärisch und melancholisch. Woher nimmst du deine Inspirationen?

Ich lasse mich von meiner ganzen Umgebung beeinflussen. Grundsätzlich glaube ich nicht an die Grenzen zwischen verschiedenen Genres oder künstlerischen Disziplinen. Das sind alles nur Labels. Ich lasse mich ebenso von Musik inspirieren, wie von Filmen - von Ryuichi Sakamotos asnyc, wie von Andrei Tarkovskys The Sacrifice. Am wichtigsten ist es für mich, in mich selbst hineinzuhören und dabei zugleich offen zu bleiben für das, was mich umgibt. Sei es in meinem Zimmer oder auf den Straßen der Stadt.

Du lebst mittlerweile in Rasht, etwa fünf Autostunden nordwestlich von der Hauptstadt Teheran entfernt. Warum hast du dich entschieden, Teheran zu verlassen?

Vor meinem Umzug arbeitete ich als Aufnahme- und Mischtechniker in verschiedenen Tonstudios in Teheran, sowie als Live-Toningenieur bei Konzerten. Vor ungefähr zwei Jahren habe ich mich dazu entschlossen, mich auf meine Arbeit als Musiker zu fokussieren. Ich hatte das Gefühl, dass ich mich an einem ruhigeren Ort besser auf mich selbst und damit auf meine Musik konzentrieren kann. Teheran hingegen ist eine riesige Stadt, mit viel Ablenkung. Davon abgesehen habe ich viele Freund:innen in Rasht und ich mag die Stadt, vor allem ihre vielen Bäume.

Wie hat sich der Umzug auf deine Musik ausgewirkt?

Meine Musik ist seit dem Umzug von Teheran nach Rasht auf jeden Fall etwas ruhiger geworden. Kurz nach meinem Umzug nach Rasht habe ich den Song 3rd movement produziert. Dieser ist noch stark vom Einfluss meines Lebens in Teheran geprägt und spiegelt meine Gefühle zu dieser Zeit musikalisch gut wider. Die Klänge sind eher rauer und nehmen die ständige Bewegung, in der sich diese Stadt befindet, in sich auf. Das soll jetzt nicht heißen, dass ich Teheran hasse, ganz im Gegenteil, ich liebe diese Stadt nach wie vor. Aber Rasht kommt meinen Bedürfnissen als Mensch und Musiker aktuell mehr entgegen.

Teheran ist die Heimat einer sehr aufregenden und vielfältigen Musikszene. Was verbindet dich mit House No. 4, dem Teheraner Künstler:innen-Kollektiv, welches das Gate of Tehran – Festival veranstaltet?

Die unabhängige Musikszene Teherans ist gut vernetzt und wir kennen uns so ziemlich alle. Menschen mit unterschiedlichen musikalischen Interessen kollaborieren dabei gerne und der Austausch untereinander ist sehr offen. Meiner Meinung nach spiegelt die musikalisch vielfältige Besetzung des Festivals genau diese Art von Offenheit wider. Peter [Mehdi „Peter“ Pirhosseinlou ist Gründer von House No.4 und einer der Veranstalter des Gate of Tehran – Festival, Anm. d. Red.] rief mich kürzlich an und lud mich ein, beim Festival meine Musik zu präsentieren.
Ich kenne Peter bestimmt schon seit 12 Jahren. Meine ersten Erfahrungen mit Live-Auftritten machte ich als Gitarrist mit ihm in einer Band. Signal war glaube ich der Name der Band und Peter ihr Sänger. Wir spielten ein Gratiskonzert an der Teheraner Universität der Künste, nachdem wir uns zuvor für zwei Wochen im Haus eines Freundes verbarrikadiert, und Peters Lieder geprobt hatten. Wir hatten eine super Zeit!

Worin siehst du Herausforderungen für unabhängige Musiker:innen in Iran?

Es ist schwierig, für unabhängiger Musiker:innen in Iran ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Man kann von wichtigen Plattformen, wie Bandcamp oder spotify nicht finanziell profitieren, da Iran vom internationalen Bankenverkehr ausgeschlossen ist. Von solchen strukturellen Problemen einmal abgesehen, besteht für mich persönlich aus künstlerischer Sicht die größte Herausforderung darin, die Musik zu machen, die wirklich meine eigenen Gedanken und Gefühle widerspiegelt, ohne dabei zu sehr von anderen Dingen abgelenkt oder im negativen Sinn beeinflusst zu werden.

Wie hat sich die Szene in den letzten Jahren entwickelt?

Insgesamt denke ich, dass in den letzten Jahren eine positive Entwicklung in der unabhängigen Musik zu sehen ist, trotz der bestehenden Schwierigkeiten, mit denen Musiker:innen in Iran konfrontiert sind. Ich habe das Gefühl, dass es so viele großartige Musiker:innen gibt, die versuchen, sich auf ihre persönliche Weise auszudrücken und Dinge ebenso gemeinsam zu verwirklichen und nach vorne zu bringen.

Iran ist von der Covid-19-Pandemie stark betroffen. Wie hat sich Corona auf dein Leben ausgewirkt?

Die Situation ist aktuell sehr schwierig, wie in anderen Ländern auch. Das gesellschaftliche Leben ist stark eingeschränkt und die Kommunikation mit anderen Menschen beschränkt sich zumeist auf soziale Medien. Und natürlich finden auch kaum kulturelle Veranstaltungen statt. Aus künstlerischer Sicht habe ich jedoch interessanterweise festgestellt, dass ich mich teils besser auf meine musikalische Arbeit konzentrieren konnte als vor der Pandemie. Ich bin aktuell dabei, ein Album und auch einzelne Titel aufzunehmen, was mir persönlich viel Freude bereitet und Kraft gibt.

Die Pandemie hat zu einer verstärkten Digitalisierung geführt, die sich in fast alle Lebensbereiche bemerkbar macht, so auch im kulturellen Sektor. Es werden viele neue Formate ausprobiert, wie das diesjährige Festival zeigt. Was denkst du als Tontechniker und als Musiker über solche digitalen Formate?

Aus der Sicht eines Tontechnikers muss ich zugeben, dass die Klangqualität für mich sehr wichtig ist und dass bei echten Live-Auftritten der Klang mit Sicherheit viel besser ist, als zu Hause über den Computer oder das Mobiltelefon zuzuhören. Die Möglichkeit, in solch schwierigen Zeiten Aufführungen über digitale Formate fortzusetzen, ist jedoch wertvoll genug und es ist großartig, auf diese Weise noch immer mit anderen Menschen musikalisch in Verbindung treten zu können.

 

Max hat in Berlin Politikwissenschaften und Soziologie (M.A.) studiert. Im Rahmen seines Studiums hat er sich vor allem mit außen- und sicherheitspolitischen Fragen sowie der Geschichte und Politik Irans beschäftigt. Er interessiert sich sehr für aktuelle Musik aus WANA.
Redigiert von Anna-Theresa Bachmann
Übersetzt von Maximilian Menges