Nach 43 Jahren Kriegszustand schlossen Israel und Jordanien vor 20 Jahren Frieden. Der israelische Premierminister Yitzhak Rabin und der jordanische König Hussein unterzeichneten im Beisein von US-Präsident Bill Clinton am 26. Oktober 1994 den israelisch-jordanischen Friedensvertrag. Tausende Menschen waren damals bei der feierlichen Zeremonie in Arava dabei und ließen euphorisch Luftballons in den Farben beider Länder steigen. Bill Clinton sprach vom unaufhaltsamen Frieden für den gesamten Nahen Osten.
Zwanzig Jahre sind vergangen, seit Israel und Jordanien offiziell Frieden schlossen. Heute ist der Frieden in Nahost immernoch weit entfernt. Die zweite Intifada, der Libanon-Krieg 2006 und die drei vergangenen Gaza-Kriege stellten die diplomatischen Beziehungen immer wieder auf die Probe. Der Konflikt zwischen Israelis und PalästinenserInnen ist nach wie vor nicht gelöst, die Besatzung nach 47 Jahren immer noch nicht beendet und damit bleibt auch das Thema der palästinensischen Flüchtlinge offen. Mehr als zwei der zehn Millionen JordanierInnen sind bei den Vereinten Nationen registrierte palästinensische Flüchtlinge.
Ein verkleideter Außenminister reist heimlich nach Jordanien
Mitte der siebziger Jahre war der gerade aus dem Amt geschiedene israelische Präsident, Shimon Peres, Außenminister Israels. Heimlich reiste er zu Geheimverhandlungen ins verfeindete Jordanien, um mit König Hussein über die Zukunft des Westjordanlandes zu sprechen, das bis 1967 unter jordanischer Verwaltung stand. Erst im März dieses Jahres veröffentliche Peres anlässlich des Purim-Festes, bei dem es Brauch ist, sich zu verkleiden, Fotos seiner Tarnung. Mit falschem Pass, angeklebtem Bart, Hut und Hornbrille überquerte er den Jordan, um mit König Hussein über die Annäherung der beiden Staaten zu verhandeln. 1987 unterzeichneten dann beide ein Abkommen über einen Rahmen für eine Nahost-Friedenskonferenz, das Israels Premier Yitzhak Shamir jedoch ablehnte. Im folgenden Jahr gab Jordanien indes seinen Anspruch auf das Westjordanland zu Gunsten eines Friedenvertrages zwischen Israel und der PLO auf.
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Das Oslo-Abkommen 1994 brachte den Durchbruch für den jordanisch-israelische Frieden. Nachdem Rabin dem vormaligen Erzfeind Yasser Arafat die Hand reichte, konnte das nun auch das haschemitische Königshaus Jordaniens tun. Premierminister Yitzhak Rabin und Außenminister Peres informierten König Hussein über die Verhandlungen mit der PLO. Die israelische Nachricht, Jordanien könnte raus aus dem großen Spiel des Nahen Ostens sein, führte neben der Ermutigung durch Ägyptens Präsident Mubarak und dem Druck von US-Präsident Bill Clinton dann zum Beginn offizieller Verhandlungen. Die USA versprachen außerdem Jordanien, dem Land sämtliche Schulden zu erlassen.
Washingtoner Erklärung: Ende des Blutvergießens und Leidens
Die Verhandlungen führten zur Unterzeichnung der Washingtoner Erklärung am 25. Juli 1994. Rabin, Hussein und Clinton unterzeichneten in Washington die Deklaration zur Beendigung des Kriegszustandes und zur Verhandlung über einen gerechten und dauerhaften Frieden, der das Blutvergießen und Leiden beenden sollte.
Auch strategische Interessen beider Seiten spielten eine große Rolle für die Bereitschaft zur Unterzeichnung. Israel konnte eine vormals feindliche Grenze im Osten nun als Pufferzone zum Irak nutzen, während Jordanien sich vor allem wirtschaftliche Vorteile erhoffte. Israel kündigte Handelsbeziehungen und Tourismus an, der Geld in die jordanische Staatskasse spülen sollte - die USA boten direkte Finanzhilfen an. Mundhir Haddadin, der 1994 Leiter der jordanischen Verhandlungsdelegation war, meint rückblickend, dass es dem jordanischen König auch darum ging, sich von der selbst auferlegten Pflicht zu entbinden, im Namen der Palästinenser zu verhandeln.
Ein Signal an die ganze arabische Welt, dass der Frieden unaufhaltsam ist
Am 26. Oktober 1994 fand in Arava nördlich von Eilat nahe der israelisch-jordanischen Grenze der Festakt mit rund 5000 Gästen statt. Die israelische Tageszeitung Ma’ariv sprach von einer großen Party des Friedens und US-Präsident Bill Clinton verkündete auf der Zeremonie feierlich: „Sie haben ein Signal an die ganze arabische Welt gesandt, dass der Friede unaufhaltsam ist“. Der zweite Friedensschluss zwischen Israel und einem arabischen Staat (nach dem mit Ägypten 1979) sollte Vorbild für den ganzen Nahen Osten sein.
Die 30 Artikel, fünf Anhänge sowie vereinbarte Niederschriften des Abkommens regeln Fragen der Grenzen und Territorialität, des Wassers, der Sicherheit und der Kooperation in einer Vielzahl von Bereichen. Ein heikler Punkt im Abkommen dagegen ist die israelische Anerkennung der Rechte des haschemitischen Königshauses als Wächter der islamischen heiligen Stätten in Ost-Jerusalem. Der sogenannte Waqf ist der Hüter und Verwalter des Felsendoms und der Al Aqsa Moschee auf dem Tempelberg. Jedoch beanspruchen auch die PalästsinenserInnen und die PLO die Verwaltung über die heiligen Stätten Ost-Jerusalems, was dazu führte, dass Jordanien und die PLO jeweils einen eigenen Mufti für Jerusalem benannten.
Die Frage über Souveränität auf den Tempelberg stellte das Friedensabkommen im Februar 2014 auf die Probe. Die jordanische-islamistische Opposition forderte die Regierung auf, das Abkommen mit Israel auf Eis zu legen, nachdem das israelische Parlament über die Hoheit über den Tempelberg diskutierte. Moshe Feiglin, Knesst-Abgeordneter des Likud, stelle einen Antrag, der vorsah, die Souveränität über den Tempelberg an Israel zu übertragen. Jordaniens Premierminister Abdullah Nsur warnte die israelische Regierung daraufhin, „wenn Israel den Friedensvertrag in diesem Punkt verletzen will, steht der gesamte Vertrag mit all seinen Artikeln, Details und Formulierungen wieder zur Debatte“.
Die Bevölkerungen wollen dem Frieden nicht so recht trauen
Die Wogen glätteten sich erst vergangene Woche, als Premier Netanjahu mitteilte, dass es keine Änderung des Staus Quo auf dem Tempelberg gäbe. Doch zwanzig Jahre nach dem Friedensschluss wollen die Menschen in Israel und Jordanien dem Frieden immer noch nicht so recht trauen. Insbesondere die palästinensische Bevölkerung Jordaniens hat Zweifel, da für sie zwanzig Jahre nach der Vertragsunterzeichnung und dem Oslo-Abkommen immer noch keine Lösung gefunden ist und es immer noch keinen palästinensischen Staat gibt.
Zwar reisen viele, insbesondere junge, Israelis für Kurztrips ins Nachbarland, vor allem um die spektakuläre Nabatäerstadt Petra zu besichtigen, doch die israelischen Grenzposten sind selbst den eigenen StaatsbürgerInnen misstrauisch gegenüber. „Wir sind an der Grenze zurück nach Israel befragt worden, als hätten wir ein Terrorcamp in Pakistan besucht“, erzählt eine junge Israelin, die sich für einige Tage Petra und Jordanien angeschaut hat. Dennoch fahren zahlreiche Israelis zum Urlaub nach Jordanien, während umgekehrt kaum JordanierInnen nach Israel fahren, was jedoch auch mit der unterschiedlichen Kaufkraft zusammen hängt.
Ein neuer und bisher wenig beachteter Trend ist zudem die Abwanderung arabischer Israelis nach Jordanien. Rund die Hälfte der Palästinenser mit israelischem Pass kommt zum Studium in Jordaniens Hauptstadt Amman. Während heftig über die jüdisch-israelische Abwanderung nach Berlin diskutiert wird, findet dieser Braindrain in den Medien bislang keine Aufmerksamkeit.
Rückblickend findet der jordanische Verhandlungsleiter Haddadin das Abkommen dennoch richtig, „denn der Friedensvertrag mit Israel war und ist wichtig für unser Land, seine Stabilität und die friedliche Entwicklung. Und Jordanien ist auch weiterhin an einer friedlichen Lösung für die gesamte Region interessiert und leistet seinen Beitrag dafür“.
Auch wenn das Signal des Friedens nicht die von Clinton erhoffte Strahlkraft entfacht hat und es eher ein kalter Frieden als eine warme Freundschaft der beiden Bevölkerungen ist, hält das Abkommen. Es hat zahlreiche Kriege und Spannungen überstanden, ebenso wie Regierungswechsel in Israel. Letztendlich ist es auch der Pragmatismus, der als Garant für die Kontinuität des Ankommen dient. Im September unterzeichneten Israel und Jordanien erneut ein Abkommen. Diesmal über umfangreiche Gaslieferungen für mindestens 15 Jahre aus dem Leviathan-Gasfeld an Jordanien.