24.09.2025
Mosul International Airport – Eine verschlossene Tür zur Welt
Foto: "Iraqi Airways Boeing 727-200" von Jim Gordon (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Iraqi_Airways_Boeing_727-200.jpg), Lizenz: Creative Commons Attribution 2.0 Generic.
Foto: "Iraqi Airways Boeing 727-200" von Jim Gordon (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Iraqi_Airways_Boeing_727-200.jpg), Lizenz: Creative Commons Attribution 2.0 Generic.

Trotz erster Testflüge am Flughafen Mosul ist eine Öffnung für den zivilen Luftverkehr nicht in Sicht. Die Attacken zwischen Israel und dem Iran verzögerten das Projekt – ein Einblick in die turbulente soziopolitische Geschichte des Landes.

Am 16. Juli wurde der Flughafen in der Nähe der Stadt Mossul im Irak zwar offiziell wiedereröffnet, doch bisher finden nur Testflüge statt. Eine Öffnung für den zivilen Luftverkehr war für September anvisiert. Geplant war die Wiedereröffnung für Juni 2025. Anlässlich des 11. Jahrestages der Machtübernahme des Islamischen Staates (IS) über die Stadt im Juni 2014 soll der Flughafen ein Symbol für die Befreiung und den Widerstand der Stadt gegen den IS sein, wo bald kommerzielle nationale und internationale Flüge empfangen werden können. Aufgrund des Angriffs Israels auf Iran und den damit einhergehenden Vergeltungsschlägen Irans gegen Israel wurde zur Sicherheit eine zivile Luftverkehrssperre über den Irak verhängt. Vor der militärischen Auseinandersetzung war die Vorfreude der lokalen Bevölkerung über die Wiedereröffnung des Flughafens sehr greifbar. Doch die geografische Lage des Iraks in unmittelbarer Nähe zum Krieg verdeutlicht die fragile Sicherheitslage des Landes und wirft neues Licht auf die Luftverkehrspolitik.

Iraks Sicherheitspolitik zwischen Teheran und Washington

Die Beteiligung des Iraks an einem neuen Krieg wurde in Bagdad stark abgelehnt. Gleichzeitig ist der Druck innerhalb des Landes bemerkbar, insbesondere im Hinblick auf die Iran-nahen Teile der irakischen Regierung und die strategische Partnerschaft mit den USA, Israels wichtigstem Verbündeten. Diese Spannungen führen zu Debatten über die Militarisierung des Iraks. Iran nutzte irakische Luftwege, um Israel anzugreifen; Israels inoffizieller Partner im Israel-Iran-Konflikt und Unterstützer, die USA, haben weiterhin Truppen und Militärbasen im Land.

Am 17. Juni tagte das irakische Parlament in einer Sondersitzung zum Israel-Iran-Krieg. Während der Sitzung hielten Abgeordnete Reden, darunter der Anführer der schiitisch-khomeinistischen Badr-Organisation, Mehdi Taqi Amerli, der Iran gegenüber loyal ist. Er kritisierte die prekäre Lage des Landes angesichts der israelischen Militäraktionen in der Region, die seiner Ansicht nach alle Iraker:innen betreffen. Er verurteilte die fortgesetzte Präsenz US-amerikanischer Truppen im Rahmen des Counter Terrorism Service im Irak sowie die damit einhergehenden Beschränkungen bei der Waffenbeschaffung für irakische Streitkräfte. Als Vertreter der pro-iranischen Fraktion in Bagdad positionierte sich Amerli damit eindeutig an der Seite Teherans. Gegenstimmen gibt es aus sunnitischen Oppositionskreisen, wie zum Beispiel vom Journalisten Ismael Alwaily. In einem Interview verkündet er auf X seine Unterstützung für Israel und lehnt die khomeinistische Einflussnahme im Irak öffentlich ab.

Aufgrund der gegenseitigen Bombardierungen blieb der zivile Luftverkehr im Irak vom 13. bis 23. Juni 2025 geschlossen, die längste Unterbrechung seit der US-Invasion in 2003. Das Projekt der Instandsetzung des Mosuler Flughafens mit einem Kostenpunkt von rund 268 Milliarden irakischen Dinar (ca. 200 Millionen US-Dollar) dient nicht nur der infrastrukturellen Entwicklung, sondern steht exemplarisch für die besonderen diplomatischen Beziehungen und sozioökonomischen Machtinteressen zwischen dem Irak und der Türkei: Die Türkei investiert seit 2017 und dem Fall des IS in den Wiederaufbau Mossuls. Gleichzeitig tritt die irakische Seite dafür ein, dass türkische Firmen den Bau vollziehen würden.

Historischer Aufbruch durch Flugfahrt

Die ersten Flugplatzstrukturen wurden 1920 von der britischen Royal Air Force (später British Airways) errichtet. Während der Mandatszeit über den Irak – nach dem Ende des Osmanischen Reichs – diente der zunächst militärisch genutzte Flughafen dazu, das imperiale Projekt der Briten und die militärische Überlegenheit des Empire zu demonstrieren. Zwei Jahre später, 1922, wurde aus dem militärischen Flughafen ein ziviler, der erweitert wurde, um die imperiale Logistik der Briten im Irak zur Welt zu öffnen.

In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich der Flughafen zu einem der bedeutendsten des Landes und spiegelte das wirtschaftliche Wachstum der 1970er- und 1980er-Jahre wider. Die irakische Fluggesellschaft Iraqi Airways, eine der ältesten Airlines weltweit (gegründet 1945), wurde 1988 in einen staatlichen Betrieb unter dem irakischen Verkehrsministerium umgewandelt. Ihre Hauptaufgaben umfassten den Lufttransport von Passagieren sowie Fracht- und Güterverkehr. In den 1980er-Jahren galt Iraqi Airways als Maßstab für Eleganz und Erfolg – sowohl im Flugzeuginnendesign als auch in der Servicequalität.

Mossul und sein Flughafen im Zentrum der irakischen Konflikte

Mit dem Einmarsch Iraks unter Saddam Hussein in Kuwait 1990 und dem darauffolgenden Golfkrieg wurde ein umfassendes Embargo gegen den Irak verhängt. Die amerikanischen Luft- und Raumfahrtkräfte in Zusammenarbeit mit der internationalen Gemeinschaft richteten No-Fly-Zones im Rahmen der Sanktionen auf den Irak und dessen Flughäfen ein. Die katastrophalen langfristigen Folgen trafen insbesondere die Versorgung mit Nahrungsmitteln und Medikamenten und führten zum Tod von über 500.000 Kindern. Infolgedessen trat im Rahmen der Operation Northern Watch der USA, UK und Türkei ein Flugverbot für den zivilen Luftverkehr im ganzen Land in Kraft. Die Isolation des Irak von der internationalen Gemeinschaft wirkte sich auf viele Lebensbereiche aus und zeigte sich unter anderem auch im Zusammenbruch des zivilen Luftverkehrs. Auslandsflüge waren nicht mehr möglich und jegliche Binnenflüge unterlagen den seit den 1990er-Jahren erhöhten Kontrollen und Sicherheitsrisiken, die für Zivilist:innen häufig mit Befragungen und Erniedrigungen durch staatliche Polizeieinheiten einhergingen. Infolgedessen blieb für Iraker:innen nur noch die Möglichkeit einer Ausreise auf dem Landweg, etwa in Richtung Amman in Jordanien.

Mossul selbst wurde in den vergangenen 40 Jahren durch politische Instabilität, Krieg und Isolation geprägt. Nach der US-geführten Invasion im Jahr 2003 wurde das Flughafengelände in Mossul zu einem militärischen Kommandozentrum der amerikanischen Streitkräfte umfunktioniert. Der Flughafen wurde 2008 zur zivilen Nutzung an die Regionalregierung von Ninawa übergeben. Misstrauen in der Bevölkerung, insbesondere unter der sunnitischen Mehrheit Mossuls, die sich gegen die US-Besatzung stellte, behinderte jedoch den Bau eines neuen Flughafens und die Zusammenarbeit mit den US-Besatzungsbehörden.

Zwischen 2009 und 2014 wurden wöchentlich nur wenige internationale Flüge, wie etwa nach Istanbul oder Amman und zur Pilgersaison zum Hajj nach Saudi-Arabien vom Flughafen aus angeboten. Berichten zufolge waren das Gebäude und die Ausstattung derart marode, dass sie eine Gefahr für die umliegenden Bewohner:innen, Mitarbeitenden und Fluggäst:innen darstellten. Die Mitarbeitenden beklagten die mangelnde Unterstützung und strukturelle Vernachlässigung durch die Zentralregierung in Bagdad. Streiks brachen aus, unter anderem aufgrund ausbleibender Gehaltszahlungen über mehrere Monate hinweg.

Zusätzlich berichtete die irakische Tageszeitschrift Almada, dass im Jahr 2011 US-Truppen den zivilen Zugang zum Flughafen einschränkten und die Nutzung für die Bevölkerung blockierten. 2014 überfielen außerdem extremistische Gruppen des IS den Flughafen und nutzen ihn als militärisches Kommandozentrum. Im Jahr 2017 wurde der Flughafen schließlich durch die Koalitionsarmee der irakischen und US-Armee sowie dem iranischen Militär befreit. Der Befreiungskrieg Mossuls aus den Händen des IS verursachte massive Zerstörungen der zivilen Infrastruktur und der Flughafen blieb über Jahre hinweg ein Symbol für die Isolation der 1,5 Millionen in der Stadt lebenden Menschen. Für viele Jahre galt: Wer aus Mossul ausreisen will, muss nach Bagdad oder Erbil reisen und dabei strenge Inland-Grenzkontrollen passieren.

Flughäfen als sozio-ökonomische Chancen und Gefahren

Flughäfen werden in der Sozialanthropologie häufig als „Schwellenorte“ oder liminale Räume verstanden, die weder hier noch dort verortet sind, sondern in einem ständigen Übergang zwischen Ankunft und Aufbruch, zwischen Lokalem und Globalem oszillieren. Der Mosul International Airport symbolisiert diese Ambivalenz eines logistischen Knotenpunkts, der Perspektive auf Mobilität und internationale Anbindung für die Zivilgesellschaft, den wirtschaftlichen Aufschwung nach Jahren der Isolation und die Sicherheitsprobleme, die mit Infrastrukturprojekten in Post-Konfliktregionen einhergehen.

Für Mossul könnte die Eröffnung des Flughafens ein Schritt sein, um das Stigma der „IS-Hochburg“ abzulegen und die Stadt wieder in regionale und globale Wirtschaftskreisläufe zu integrieren. Sie stellt somit weit mehr als bloße Infrastrukturpolitik dar. Sie markiert das Ende einer langen Phase der Isolation und die Rückkehr Mossuls auf die Landkarte regionaler und globaler Verbindungen. Nach Jahrzehnten der Gewalt durch die Invasion der USA, der Terrorherrschaft des IS und den verlustreichen Befreiungskrieg ist die Sicherheitslage der Region durch den Israel-Iran Konflikt fragil. Für viele Muslawis (Bewohner:innen Mossuls) war dieser Flughafen daher ein Hoffnungsschimmer: Eine Tür zur Welt nach Jahren des Terrors, der Stagnation und des Schweigens. Die jüngst verhängte Luftraumsperre zeigt jedoch erneut die Verwundbarkeit des Landes: Selbst ein fertiggestellter Flughafen bleibt nutzlos, wenn der Luftraum zum Spielball geopolitischer Auseinandersetzungen wird.

 

 

Rukaia ist Turkologin, geboren im Irak, aufgewachsen in Libyen und Deutschland, studierte Culture Studies in Istanbul. Derzeit schließt sie ihr zweites Masterstudium in Turkologie an der Freien Universität Berlin ab. Ihre berufliche Praxis umfasst Erfahrungen als Dolmetscherin und Aktivistin in der Geflüchteten-Advocacy.
Redigiert von Sören Lembke, Nora Theisinger