Der Krieg, der vor 30 Jahren zu Ende ging, prägt Iran und Irak bis heute. In einer neuen Serie spüren wir den Ereignissen nach, und auch ihren Folgen – für die Menschen in den beiden Ländern und weltweit.
Am 20. August 1988 trat UN-Resolution 598 in Kraft. Sie bedeutete den Waffenstillstand im opferreichsten Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg. Über acht Jahre hatten sich Irak und Iran bekämpft – zu Wasser, in der Luft, vor allem jedoch in einem Stellungskrieg, der unzählige Menschenleben forderte. Insgesamt sind etwa eine Million Menschen während der acht Jahre des Krieges getötet worden.
Der Krieg nimmt in beiden Ländern eine fundamentale Rolle in der Ausformung von Staat, Politik und gesellschaftlichen Prozessen und Formationen ein. Und doch gibt es unzählige Unterschiede in der Wahrnehmung und Bedeutung der acht Jahre – in Iran, im Irak, in unterschiedlichen Teilen der jeweiligen Gesellschaft. Der Krieg veränderte unter anderem ökonomische Dynamiken, Geschlechterrollen und lokale Machthierarchien. Der Giftgasanschlag von Halabja und die Iran-Contra-Affäre sind nur zwei bedeutende Ereignisse, die als Teil des Iran-Irak-Kriegs zu verstehen und einzuordnen sind.
In einer mehrteiligen Serie werden wir in den kommenden Wochen diese komplexen Dynamiken beleuchten. In Form von Artikeln, Interviews und grafischer Aufarbeitung zeigen wir auf, dass der Krieg getragen war von einer Verflechtung aus lokalen, regionalen und globalen Akteuren. Wir wollen die Rolle der Bevölkerung in Iran und Irak genauso beleuchten wie die Interessen globaler Großmächte wie den USA, der UdSSR, Chinas oder europäischer Länder.
Wir wollen die Dynamiken der irakischen Geschichte und ihrer Akteure – das Baath-Regime und die Kontinuität der Kriege und Sanktionen, die bis heute andauert – genauso zu beleuchten wie die herausragende Situation, in der sich Iran nach der islamischen Revolution von 1978-80 befand. Die Figuren des irakischen Diktators Saddam Hussein und Ayatollah Khomeinis in Iran werden wir dabei, trotz ihrer fraglos zentralen Rolle, eher als Teil einer viel größeren Dynamik begreifen: Denn der Krieg war genauso wenig eine Privatfehde zweier Diktatoren wie ein reiner Stellvertreterkrieg der Supermächte.
Dreißig Jahre nach dem Ende des Krieges durch einen Waffenstillstand offenbart sich in der Rückschau eine Tatsache besonders: In Iran sind zentrale (sozial-)staatliche Strukturen, eine kulturell und gesellschaftliche zentrale Erinnerungs- und Märtyrerkultur, und nicht zuletzt ein Großteil der noch immer aktuellen politischen Führungsriege aus der Zeit des Krieges hervorgegangen. Im Irak wird der Krieg jedoch eher als Anfang einer inzwischen dreißig Jahre währenden Aneinanderreihung von Kriegen, Repressionen und Sanktionen verstanden.
Es ist unser Anliegen, einfache Erklärungsmuster hinter uns zu lassen. Nicht zuletzt jedoch soll mit dieser Reihe die in Deutschland, Europa und den USA fatal unterschätzte Rolle dieses achtjährigen Krieges beleuchtet werden.