25.02.2006
Italien schließt "Akte Musa al-Sadr"


Italienische Richter haben angeordnet, die Ermittlungen im Fall des 1978 verschwundenen libanesischen Schiitenführers Musa al-Sadr einzustellen.
Der 1928 im iranischen Qom (auch: Ghom) geborene Sadr gehört zu einer weitverzweigten Familie bedeutender schiitischer Theologen, die unter schiitischen Gläubigen Libanons, Iraks und Irans bis heute großen Einfluss genießt. In den 60er Jahren wurde "Imam Musa", so der Titel unter dem er Bekanntheit erlangte, zum bedeutendsten schiitischen Gelehrten der libanesischen Stadt Tyros und weiter Teile der schiitischen Gemeinde Südlibanons. 1969 wurde er erster Chef des "Rates schiitischer Gelehrter" im Libanon und fünf Jahre später gründete er die "Bewegung der Entrechteten", aus der später die noch heute aktive "Amal"-Bewegung hervorging.

1978, inmitten der Wirren des libanesischen Bürgerkriegs, reiste as-Sadr mit zwei Begleitern auf Einladung des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddhafi nach Libyen. Dort verliert sich die Spur des Klerikers. Einige Gerüchte besagen, Sadr sei im Streit von Gadhafi persönlich umgebracht worden, andere glauben, er sei noch immer in libyschen Gefängnissen eingekerkert. Die libysche Staatsführung selbtst, hat bislang jede Verantwortung abgestritten und erklärt, Sadr hätte das Land in einem Flugzeug nach Rom verlassen.
Ein Gericht in der italienischen Hauptstadt hat nun den Erkenntnissen von Staatsanwalt Franco Ionta zugestimmt, nach denen es "keinen Beweis" dafür gebe, dass Libyen am Verschwinden Moussa al-Sadrs beteiligt gewesen sei. Aufsehenerregend ist die Feststellung Iontas, dass Sadr offenbar doch in der Maschine nach Rom gesessen habe, was bis dato von italienischen Behörden stets bestritten wurde. Mehrere Passagiere haben dies in Zeugenaussagen bestätigt. Seit seiner Ankunft in Rom, mutmaßlich am 31.August 1978, scheint Sadr allerdings wie vom Erdboden verschluckt.

Die libanesische Amal, neben der Hisbollah die bedeutendste schiitische Gruppierung des Landes, hat die Untersuchungsergebnisse scharf verurteilt. "Die Untersuchung wurde in eine internationale, komödiantische politische Entscheidung verwandelt, die persönliche Interessen der Wahrheit übergeordnet hat, und die unbestreitbare Wahrheit leugnet, dass Gadhafi für das Verschwinden des Imams und seiner beiden Begleiter verantwortlich ist."
Ähnlich äußerte sich Hizbollah-Chef Hassan Nasrallah, der Italien und Libyen bezichtigte ein "falsches Spiel" zu spielen und Libyen aufforderte, Sadr unverzüglich freizulassen. "Die jüngste Erklärung des italienischen Gerichts, Imam Musa habe das Land betreten, ist eine politische Deklaration. Warum haben sie vor 26 Jahren die Einreise geleugnet und ihre Erklärungen nun geändert? Wir wissen, dass Italien von Libyen für die Untersuchungsergebnisse bezahlt wurde."