14.02.2008
Wer tötete Imad Mughniyeh?

Bei einem Bombenanschlag in der syrischen Hauptstadt Damaskus wurde am Dienstag Abend Imad Mughniyeh getötet, eine Führungsfigur der Hizbollah. Seit mehr als zwei Jahrzehnten lebte Mughniyeh im Untergrund, daher gibt es kaum gesicherte Erkenntnisse über sein Leben und seine Rolle innerhalb der Schiitenmiliz.

Mughniyeh wurde vermutlich im Jahre 1962 in einem südlibanesischen Dorf geboren. Nach Ausbruch des libanesischen Bürgerkriegs schloss er sich zunächst der palästinensischen Fatah an, später wechselte er in die Reihen des "Islamischen Jihad", einer vom Iran ausgerüsteten Gruppe, aus der später die Hizbollah entstand.

Die USA sahen in Mughniyeh, der auch unter seinem Alias-Namen Hajj Radwan bekannt ist, einen Hintermann der Anschläge auf die US-Botschaft in Beirut und das Hauptquartier der US-Marines in der libanesischen Hauptstadt im Jahr 1983. Ob Mughniyeh als damals gerade 20-Jähriger wirklich der Chefplaner dieser Selbstmordattentate war, konnte letzlich nie sicher belegt werden. Seit 2001 stand Mughnniyeh auf der FBI-Liste der 22 meist gesuchten Terroristen. Die USA setzten ein Kopfgeld von 5 Millionen US-Dollar auf seine Ergreifung aus.

Auch Hizbollahs Hauptfeind Israel führte den 45-Jährigen seit Jahren auf der Liste der Staatsfeinde. Er soll unter anderem die Anschläge auf die israelische Botschaft in Argentinien und das jüdische Gemeindezentrum in Buenos Aires organisiert haben. Einige sprechen ihm auch eine Rolle bei der Entführung der beiden israelischen Soldaten zu, die am 12.Juli 2006 den Auslöser des Zweiten Libanonkriegs bildete. Nach Einschätzung von Haaretz war Imad Mughniyeh gar der designierte Nachfolger von Hizbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah. Dies erscheint jedoch höchst unwahrscheinlich, da Mughniyeh keine theologische Ausbildung durchlaufen hat, die als Voraussetzung für eine Führungsrolle innerhalb des Parteiapparates gilt.

Dennoch ist die Reaktion der Hizbollah auf die Ermordung Mughniyehs interessant. In den letzten Jahren war die Bewegung stets bestrebt sich von ihm zu distanzieren und erklärte, Mughniyeh sei kein Mitglied ihrer Organisation. Doch schon kurz nach Bekanntwerden seines Todes wurde Mughniyeh als "Märtyrer des Islamischen Widerstands" verherrlicht. Zur Stunde finden in Beiuts südlichen Vororten die Trauerfeierlichkeiten statt, Mughniyehs Sarg ist in eine gelbe Hizbollah-Fahne gehüllt. Zehntausende Hizbollah-Anhänger säumen die Straßen - parallel zu den Gedenkfeierlichkeiten am 3.Jahrestag des Mordes an Rafiq Hariri in der Innenstadt.

Wer steckt hinter dem Anschlag auf Imad Mughniyeh?

Am Wahrscheinlichsten dürfte die Verantwortung des israelischen Geheimdienstes Mossad für den Mord sein, auch wenn Israel jede Beteiligung bestreitet. Israel führte Mughniyeh alis Hajj Radwan, seit Jahren als Staatsfeind und der Mossad dürfte über die Mittel verfügen in einem der am besten gesicherten Staaten des Nahen Ostens eine derartige Operation durchzuführen. Zudem hat Israel in der Vergangenheit gezeigt, dass es die "gezielte Tötung" hochrangiger Mitglieder von Hamas und Hizbollah als legitime Mittel zur Schwächung dieser Gruppen betrachtet.

Eine zweite Theorie besagt, dass Syrien selbst hinter dem Anschlag steht. Demnach soll Mughniyeh einer der Planer des Hariri-Attentats gewesen sei, den man nun vor der Einrichtung des UN-Tribunals beseitigt habe. Möglicherweise sei der Mord auch ein Zeichen der Syrer an die USA und Israel gewesen, dass man zu Konzessionen bereit sei und habe daher einer der Hauptfeinde dieser beiden Staaten beseitigt. Die Tatsache, dass sich der Anschlag jedoch in Damaskus ereignete, lässt diese Vermutung äußerst unwahrscheinlich erscheinen, da dadurch gleichzeitig bewiesen wurde, dass Syrien entgegen anders lautender Beteuerungen Terroristen beherbergt.

Eine weitere Möglichkeit, die ins Spiel gebracht wird ist die, dass Mughniyeh Machtkämpfen innerhalb der Hizbollah zum Opfer gefallen ist. Demnach tobt in der Führungsspitze der Partei ein Machtkampf zwischen Hizbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah, der als eher pro-syrisch gilt, und seinem Stellvertreter Naim Qassem, der als treuer Gefolgsmann Irans bekannt ist. Die Ermordung Mughniyehs sei daher ein Zeichen Qassems und/oder Irans an Nasrallah sich wieder stärker an Teheran zu orientieren.

Ein andere Hypothese ist die, dass eine von al-Qaida inspirierte Gruppe wie etwa Fatah al-Islam, hinter dem Anschlag steht, mit dem die fragile Lage in der Levante weiter destabilisiert werden soll. Demnach wäre es Ziel des Attentats Syrien und/oder die Hizbollah zu Vergeltungsschlägen zu provozieren, die eine Verschlechterung der Sicherheitslage nach dem Vorbild des Iraks nach Saddam nach sich ziehen würden. Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass eine solche Gruppe über die nötigen geheimdienstlichen Kenntnisse verfügt, die zur Ermordung des erstklassig gesicherten Mughniyeh notwendig sind.

Laut einer noch gewagteren These war es gar nicht Imad Mughniyeh, der bei dem Anschlag getötet wurde. Misstrauen wurde zum Einen dadurch erregt, dass die Hizbollah und Syrien so offensiv mit der Ermordung Mughniyehs an die Öffentlichkeit gingen. Zum anderen regen sich Zweifel daran, wieso Mughniyeh, der sich Gerüchten zufolge mehreren Gesichtsoperationen unterzog, so schnell identifizert werden konnte. Der fingierte Mord sei daher nur ein Schachzug der Hizbollah um Mughniyeh nun sicher aus der Schussbahn der Amerikaner und Israelis zu nehmen.

Abzuwarten bleibt nun, wie die Hizbollah auf den Anschlag reagieren wird, der der Reputation der Hizbollah als unantastbare militärische Organisation einen schweren Schlag versetzt haben könnte. Eine militärische Operation gegen Ziele in Israel oder israelische Einrichtungen Ausland ist wohl keine Frage des ob, sondern des wo und wann.