Beirut im Dezember präsentiert sich dem außenstehenden Betrachter von seiner friedlichsten Seite. Der ganze Monat, so scheint es, ist den zahlreichen religiösen Festtagen gewidmet. Eingeläutet wurde die "Festsaison" am 6.12., mit dem islamischen Opferfest, das auch mit 1. Advent zusammenfiel. Abgeschlossen wird es am 6.1.2009, wenn sich die schiitische Aschura-Prozession und der orthodoxe Heiligabend überschneiden.
Dazwischen liegen die (katholischen und protestantischen) Weihnachtsfeiertage, die, wie alle anderen religiösen Feste im Libanon, freie Tage für alle Libanesen bedeuten.
Bereits seit Anfang Dezember sind die Straßen Beiruts bunt und vor allem hell geschmückt. Die Palette reicht von durchaus einfallsreichen Kreationen, zu konventionellen Weihnachtsschmuck bis hin zu überkandideltem Kitsch. Zwar scheint mir die kommerzielle Aushöhlung der Weihnachtszeit bei weitem nicht so fortgeschritten, wie in anderen Ländern, dennoch, besonders viel Spiritualität versprüht die Stadt trotz bunter Dekoration kaum.
Am Abend des 24.12. lade ich einige deutsche Freunde zum Kochen ein, kurz vor Mitternacht schließlich steuern wir einige der zahlreichen Kirchen im christlichen Stadtteil Ashrafieh an. Wir entscheiden uns für die maronitische Mar Maroun Kirche, die direkt an die beiden populären Ausgehviertel Monot und Gemmayzeh grenzt. Das Gotteshaus ist voll besetzt, jung und alt, Libanesen und sogar ihre fillipinischen Hausmädchen füllen die Reihen. Besonders die ältere Generation lauscht der einstündigen Messe andächtig und gedankenversunken. Viele der Jüngeren kommen etwas später, wahrscheinlich aus den umliegenden Bars, und verschwinden mit einigen Bekreuzigungen nach der Predigt und dem gemeinsamen Vaterunser.
Währenddessenmache ich mir über das, was ich sehe, Gedanken, und mache mir meinen Reim auf die psychologische Funktion dieses Weihnachtsfestes: All das Dekorieren, das Einkaufen, das Feiern des Weihnachtsfestes und das Feiern in den Bars sind, noch mehr als sonst, vor allem eines: Ablenkung. Das Weihnachtsfest in den letzten Jahren fand sicher unter noch ungünstigeren Umständen statt.
Was aber dieses Jahr so unbehaglich erscheint, ist die Ungewissheit, was im nächsten Jahr genau kommen wird. Dass etwas passieren wird, darin sind sich alle einig, schließlich stehen die Parlamentswahlen im Frühjahr bevor. Die Wahlsaison zu den Studentenparlamenten hat darauf schon einen Vorgeschmack gegeben. Auf politischer Ebene gibt es ebenfalls keine entscheidenden Fortschritte, die an einen Erfolg des neuen "nationalen Kabinetts" glauben lässt. Zudem ist die vom maronitischen Patriarchen Nasrallah Boutros Sfeir angestrebte christliche Versöhnung gründlich gescheitert: Weder Samir Geagea, noch seine Gegenspieler Michel Aoun und Sulaiman Franjieh kamen über die Ebene gegenseitiger Vorhaltungen hinaus.
Noch bedrohlicher erscheinen die Entwicklungen in Gaza. Zwar wird die militärische Eskalation und das überharte israelische Vorgehen von allen Seiten kritisiert, wirklich reagieren kann jedoch kaum eine Seite, mit einer Ausnahme: So wartet derzeit alles auf die Reaktion Hizbullahs. Bereits vor 2 Wochen hatte die Partei Gottes zum "Tage der Solidarität mit Gaza" aufgerufen, und dabei klar den militärischen Widerstand als ihr einzig legitimes Mittel gegen Israel erklärt. Auch deshalb wünschen sich alle Libanesen ein schnelles Ende der israelischen Offensive - vielen ist noch im Bewusstsein, was nach der letzten militärischen Gaza-Kampagne im Sommer 2006 folgte.