Seit dem syrischen Abzug aus dem Libanon vor vier Jahren wird die politische Landschaft im Libanon von zwei rivalisierenden politischen Blöcken geprägt. Auf der einen Seite steht das Bündnis "14. März" - benannt nach dem Datum einer Großdemonstration am 14. März 2005 auf der weit über eine Million Libanesen in Beirut den Abzug der syrischen Armee und Geheimdienste aus dem Zedernstaat gefordert hatten.
Dem gegenüber steht die Bewegung des "8.März", die jedoch mehr eine Fremdbeschreibung ist, um die beiden konkurrierenden Lager voneinander abzugrenzen. Am 8. März 2005 hatten ebenso viele Menschen im Zentrum Beiruts dem syrischen Regime für seine Unterstützung nach dem libanesischen Bürgerkrieg gedankt - daher der Name.
Bei den letzten Parlamentswahlen im Mai und Juni 2005 errangen die verschiedenen Kandidaten des 14. März 72 Mandate, der 8. März ist mit 56 Abgeordneten in der Nationalversammlung vertreten. Damals gab es jedoch vor den Wahlen ein Abkommen zwischen den größten muslimischen Parteien aus beiden Lagern, die sich gegenseitig unterstützten und ihre Kandidaten zum Teil auf gemeinsamen Listen kandidieren ließen. Durch Attentate, Nachwahlen, natürlichen Tod und den Austritt eines Politikers aus der Fraktion ist der Vorsprung des 14. März aktuell auf 68 zu 56 geschrumpft.
Zu den 56 Abgeordneten des 8. März gehören auch die 19 christlichen Parlamentarier der Fraktion von Michel Aoun. Seine Freie Patriotische Bewegung (FPM) war bei den letzten Wahlen noch als unabhängige Kraft angetreten und hatte fast alle Mandate im christlichen Herzland des Libanon gewonnen. Einige Monate nach den Wahlen ging der Ex-General jedoch ein Bündnis mit der Hizbollah ein - seither wird Aoun als fester Bestandteil des 8. März-Bündnisses betrachtet, auch wenn er selbst sich gegen diese Zuschreibung wehrt, da seine Anhänger am 14. März 2005 noch einen Großteil der Demonstranten in Beirut ausmachten.
Seit dem Abkommen von Doha, das im Mai letzten Jahres den zuvor über ein Jahr lang schwelenden Machtkampf zwischen beiden Lagern beendete, sind beide Bündnisse an der Regierung beteiligt. Der 8. März stellt seither 11 von 30 Ministern und kann damit sämtliche Kabinettsbeschlüsse blockieren. Ob dieses Modell einer Regierung der Nationalen Einheit nach den Wahlen fortgeführt wird, hängt von eine ganzen Reihe von innen- und außenpolitischen Faktoren ab - nicht zuletzt davon, ob die beiden Bündnisse nach dem 7. Juni noch in ihrer jetzigen Form Bestand haben werden.
Neben den großen Parteien finden sich in beiden Lagern eine ganze Reihe von kleinen Gruppierungen, die zwar wohlklingende Namen wie Nationalliberale Partei oder Arabische Demokratische Partei tragen, tatsächlich jedoch nur von einer Familie oder einer religiösen Minderheit getragen werden und nur über wenig Rückhalt verfügen. Auf beiden Seiten reicht das politische Spektrum der vertretenen Gruppen von Islamisten über christliche Nationalisten bis hin zu linken Parteien.
Die wichtigsten Gruppen innerhalb des 14. März sind:
- Die Mustaqbal-Bewegung (Future Movement) - eine sunnitische Bewegung, die von Saad Hariri angeführt wird, dem Sohn des am 14. Februar 2005 ermordeten Ex-Ministerpräsidenten Rafiq Hariri. Unter den libanesischen Sunniten ist Mustaqbal die bei weitem beliebteste politische Kraft.
- Die Fortschrittliche Sozialistische Partei (PSP) - eine drusische Partei, angeführt vom ehemaligen Warlord Walid Jumblatt. Jumblatt ist das Chamäleon der libanesischen Politik, der die politische Zugehörigkeit und die Allianzen seiner Partei wie kein zweiter wechselt und in der Vergangenheit schon mit fast jeder anderen libanesischen Bewegung verbündet oder verfeindet war. Jüngste Äußerungen von ihm legen den Schluss nahe, dass er nach den Wahlen aus dem Lager des 14. März austreten könnte.
- Lebanese Forces (LF) und Kataeb - zwei christliche Parteien, die sich als Verteidiger der christlichen Identität des Libanon betrachten und mit Michel Aouns Partei um die Vorherrschaft im christlichen Lager streiten. Die Kataeb entstanden in den 1930er Jahren nach dem Vorbild der faschistischen Parteien in Europa, die LF spalteten sich während des Bürgerkrieges von den Kataeb ab. Angeführt werden die LF von Samir Geagea, dem wohl brutalsten aller Warlords während des libanesischen Bürgerkrieges.
Wie bereits erwähnt gibt es daneben eine Vielzahl kleiner Gruppierungen, die zum Bündnis des 14. März gehören, darunter zwei armenische Parteien und die islamistische Jamaa Islamiya. Auch Jamal Salim Jarrah, Onkel des 9/11-Attentäters Ziad Jarrah, wird wieder ins Rennen geschickt.
Zu den wichtigsten Gruppen des 8. März zählen:
- Die Amal-Bewegung von Parlamentspräsident Nabih Berri. Diese schiitische Partei wurde 1975 von Imam Musa al-Sadr gegründet. Seit dessen Verschwinden 1978 in Libyen führt Berri die Bewegung. Der Parlamentspräsident ist treuer Gefolgsmann Syriens. Die Amal bildet eine gemeinsame Liste mit der
- Hizbollah - einer schiitischen Bewegung unter Führung von Hassan Nasrallah. Die Partei Gottes entstand zunächst als Konkurrenz zur Amal-Bewegung und in der Vergangenheit kam es häufig zu Spannungen zwischen Anhängern beider Gruppen. In den letzten Jahren bilden jedoch beide ein enges Bündnis. Dabei überlässt die Hizbollah der Amal in der Regel die Mehrheit der Parlamentssitze innerhalb der gemeinsamen Fraktion.
- Die Freie Patriotische Bewegung (FPM) von General Michel Aoun. Die FPM stellt gegenwärtig die größte christliche Fraktion in der Nationalversammlung. Aoun gründete die Bewegung im Pariser Exil, in das er nach dem Bürgerkrieg vor den Syrern geflohen war.
Daneben ergänzen mehrere kleine Parteien das Bündnis, darunter die armenische Tashnag, die Syrische Soziale Nationale Partei (SSNP), sowie die gegenwärtig nicht im Parlament vertretene Marada-Bewegung.
Zu den Siegchancen der beiden Lager und möglichen Entwicklungen nach der Wahl in den nächsten Wochen mehr.