28.01.2008
Tote bei Unruhen in Beirut

Bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften sind gestern in Beirut mindestens sieben Menschen getötet und viele weitere verletzt worden. Die Unruhen ereigneten sich in den mehrheitlich schiitischen Stadtteilen Chiah und Mar Mikhael im Süden Beiruts, nachdem Protestierende Straßen blockiert und Reifen in Brand gesetzt hatten.

Die Menge demonstrierte gegen die anhaltenden Stromausfälle in den südlichen Vororten der Hauptstadt. Auch eineinhalb Jahre nachdem die israelische Luftwaffe während des Zweiten Libanonkriegs wichtige Elektrizitätswerke zerstörte, ist die staatliche Elektrizitätsgesellschaft noch immer nicht in de Lage für eine stabile Stromversorgung in Teilen des Landes zu sorgen. Bis zu 12 Stunden täglich müssen die Menschen ohne Elektrizität auskommen. Eine ungewöhnliche Kältewelle, von der der Nahe Osten derzeit heimgesucht wird, macht dieses Problem für viele Menschen noch dringlicher.

Die libanesische Opposition erklärte, der Zorn der Demonstranten habe sich spontan entzündet und sei von keiner organisierten politischen Bewegung gesteuert worden. Das erste Todesopfer am gestrigen Abend war Ahmad Hamza, ein Repräsentant der schiitischen Amal-Bewegung. Nach deren Darstellung kooperierte Hamza mit der angerückten libanesischen Armee und versuchte die Straßenblockaden aufzulösen als er von hinten erschossen wurde.

Die Armee bestreitet bislang, für die Toten von gestern verantwortlich zu sein und erklärt, lediglich Warnschüsse abgegeben zu haben. Neben Hamza wurden vier Hizbollahmitglieder, ein Zivilist, sowie ein Rettungssanitäter tödlich verwundet. Die Hizbollah verlangt eine Untersuchung der Umstände die zum Tod der "Märtyrer" geführt haben. Der Fernsehsender Orange TV, Sprachrohr der Freien Patriotischen Bewegung von Michel Aoun, veröffentlichte gestern Aufnahmen von Heckenschützen in Zivil, die von umliegenden Häusern in die Menge feuerten. Ähnliche Szenen ereigneten sich fast genau vor einem Jahr als bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der Regierung und der Opposition Männer in Zivil von Häuserbalkonen auf Menschen schossen.

Die Proteste vom Sonntag blieben nicht auf die schiitischen Vororte Beiruts, die sogenannte Dahiyeh beschränkt. Auch eine der wichtigsten Verkehrsadern des Landes, die Küstenstraße, die Beirut mit dem internationalen Flughafen sowie den Städten Saida und Tyros im Süden verbindet, wurde phasenweise an mehreren Stellen blockiert. Auch in den Oppositionshochburgen Hermel und Baalbek im Bekaatal kam es zu Protesten. Bereits in der vergangenen Woche hatten einzelne Gewerkschaften auf Grund gestiegener Nahrungsmittelpreise und des sinkenden Lebensstandards gestreikt.

Ministerpräsident Fuad Siniora ordnete für den heutigen Montag Staatstrauer an. Gleichzeitig beschuldigte das Regierungsbündnis 14.März Syrien und den Iran für die Unruhen verantwortlich zu sein. Die Opposition rief ihre Anhänger auf von weiteren Protesten abzusehen und die Ruhe zu bewahren.

Anlass zur Besorgnis liefert die Tatsache, dass die politisch motivierten Unruhen mehr und mehr entlang konfessioneller Grenzen ausgetragen werden. So zog auch gestern eine Gruppe schiitischer Männer zum mehrheitlich von Christen bewohnten Stadtteil Ain al-Rummaneh, der als Hochburg der christlichen Forces Libanaises gilt. Durch die Explosion einer Handgranate wurden hier sieben Menschen verletzt.

Bei der Beerdigung des am Fraitag durch einen Bombenanschlag getöteten Wissam Eid rief eine aufgebrachte Menge: "Das Blut der Sunniten kocht."

Umso aufmerksam wird in Zukunft das Verhalten der libanesischen Armee registriert werden. Bislang ist es ihr unter der Führung Michel Sleimans gelungen, sich nicht politisch vereinnahmen zu lassen und sich weitgehend neutral zu verhalten. Sollte sich herausstellen, dass die Streitkräfte eine Mitverantwortung an den Toten tragen, könnte dieser Nibums ernstahften Schaden nehmen und die Stellung der Armee geschwächt werden.