Liebe Leser,
hier ein Reisebeicht von Freunden, die im vergangenen Jahr durch die Syrische Wüste gewandert sind.
Ausgerüstet mit Zelt, Schlafsäcken, Isomatten, zwei selbstgebauten Wüstensulkys und Studienunterlagen landen wir Mitte Dezember in Damaskus und freuen uns auf rund 20 Tage Syrien. Sofort geht es für uns weiter nach Deir ez-Zor im Osten Syriens. Diese Stadt, an den Ufern des Euphrat gelegen, ist heute zwar die wichtigste Region für die Erdölförderung in Syrien, touristisch gesehen bietet Deir ez-Zor allerdings nicht wirklich viel.
Am Busbahnhof der 200.000-Einwohner-Stadt werden wir eher unfreundlich von der lokalen Geheimpolizei begrüßt. Das anschließende Frage-Antwort Spiel ist in dieser Stadt anscheinend üblich, da immer wieder ausländische Reporter, als Touristen getarnt, versuchen, über Deir ez-Zor Richtung Irak zu gelangen.
Auch wir und der Bekannte, der uns am Bahnhof abholt, werden hartnäckig nach unseren weiteren Absichten befragt. Der fragende Polizist wirkt nicht gerade erfreut darüber, dass wir nicht regulär in einem Hotel untergebracht werden, sondern bei einem Freund unterkommen. Nach etlichem Hin und Her verlassen wir die Busstation um, mit einem Taxi rund 20 Km entferntes kleineres Dorf zu fahren.
Natürlich ist es nicht sehr ratsam sich ohne Wasservorrat auf den Weg durch die Syrische Wüste zu machen. Allerdings stellt sich die Wasserbesorgung als nicht ganz einfach heraus. Wir finden zunächst keinen Laden, wo man eben mal 90 Liter Wasser kaufen konnte. Dagegen lässt sich der Einkauf von rund 160 Fladenbroten eher einfach zu realisieren. Mit Hilfe einiger Studenten gelingt uns aber auch der erfolgreiche Einkauf des benötigten Wassers und gegen Abend können wir den Besitzer eines Ladens davon überzeugen, uns für ein kleines Trinkgeld ein paar Kilometer aus der Stadt zu fahren. Die Tour kann beginnen.
Die ersten 3 Tage verlaufen etwas zögerlich, da wir unsere eigentlich geplante Route einige Male ungewollt ändern müssen. Es stellt sich nach und nach heraus, dass der Einstiegspunkt für die Tour trotz akribischer Vorbereitung mit Google Maps und Co. nicht gut gewählt war. Wir begannen unsere Wanderung viel zu weit nördlich, so dass wir etliche Ölbohr-Anlagen, von den Arabern liebevoll „Bim-Bam“ genannt, umgehen müssen, was allen sehr bald auf die Nerven geht.
Zu allem Überfluss stoßen wir am dritten Tag inmitten der Wüste auf eine riesige Mülldeponie. Mit hohem Stacheldraht umgeben, bildet diese ein riesiges, hässliches Hindernis, was nun weitläufig umgangen werden muss. Die Stimmung ist schnell mehr oder weniger am Tiefpunkt und wird durch aggressive Begegnungen mit lokalen Beduinen nur noch schlimmer.
Zwei Beduinen, die uns mit ihrem Motorrad verfolgen, nehmen uns ohne zu Fragen mehrere Brote ab. Bei einem weiteren Treffen werden wir beschimpft und um ein Haar körperlich angegriffen, da zwei Beduinen glauben, wir wären illegal eingereiste Israelis. Erst das Vorzeigen des deutschen Passes verhindert Schlimmeres. Wir vermuten, dass die Beduinen genauso verunsichert sind wie wir und es dadurch zu diesen wohl für beide Seiten bedauerlichen Zusammentreffen kommt.
Neben den unerfreulichen Vorkommnissen gibt es aber auch immer wieder sehr freundliche Treffen, wie die folgenden Tage zeigen sollten. Denn am 4. Tag weitet sich das Land mehr und mehr und auch der teilweise sehr sandige Untergrund weicht härterem Boden. Dies ist ein Segen für unsere Sulkies aber auch für unsere Stimmung. Endlich können wir die Tour wirklich genießen.
Wir passieren am frühen Abend in respektvollem Abstand eine Beduinensiedlung, als uns ein älterer Herr auf einem kleinen Fahrrad folgt. Nach den üblichen Begrüßungsfloskeln werden wir von diesem sehr charmant wirkenden Mann gefragt, ob wir nicht die Nacht in seinem Zelt verbringen möchten. Nach kurzer Überlegungszeit entscheiden wir uns gegen unseren eigentlichen Plan, wieder irgendwo in der Wüste zu zelten und ergreifen diese Chance auf ein warmes Feuer und etwas Schmackhaftes zu Essen. Grund für diese Entscheidung ist unter anderem, dass ein Sulky gerade auf dem besten Wege ist, den Geist aufzugeben - Stangenbruch, irreparabel!
Im Zelt unseres Gastgebers angekommen, werden wir von einer Menschentraube mit höchster Gastfreundlichkeit empfangen. Es ist eine Wohltat bei diesen freundlichen, zuvorkommenden Menschen Gast zu sein. Obwohl unser Gastgeber nicht viel mehr als ein Zelt und eine kleine Herde Ziegen und Schafe besitzt, werden wir köstlich bekocht.
Allerdings wird das fröhliche Beisammensein jäh unterbrochen. Mit der Ankunft eines Allrad-Jeeps neben dem Zelt kündigt sich die Geheimpolizei an. Die gute Stimmung ist umgehend verflogen. Respektlos wird unser Gastgeber samt seiner Familie des eigenen Zeltes verwiesen und wir sind mit einem Polizisten alleine. In gebrochenem Englisch und mit einem zwanghaften Lächeln auf den Lippen werden wir nach unseren Pässen und einigen wirklich wichtigen Informationen wie den Vornamen unserer Väter gefragt. Der Polizist notiert all dies mehr oder weniger sauber in ein Mickey-Maus Schulheft. Nach weiterem Smalltalk hat der Spuk aber auch ein Ende und die Polizei verschwindet genauso schnell wie sie gekommen war.
Auch wenn die Konversation mit unserem Gastgeber und den Menschen, die aus allen Richtungen auftauchen, schwierig ist, haben wir alle unseren Spaß. Wir merken, dass in dieser Gegend wohl noch nie ein Tourist wirklich halt gemacht hat, denn gerade für die Kinder sind wir Menschen von einem anderen Planeten. Europäer! Wir schlafen in dieser Nacht sehr gut und weich, nachdem wir auf einem riesigen Lager Matratzen nächtigen, die man hinter dem Zelt für uns hergezaubert hat.
Am nächsten Morgen werden wir sehr früh geweckt und begeben uns auch kurze Zeit später mit nur noch einem Sulky auf den Weg. Den zweiten Sulky lassen wir inklusive Räder, sonstigem Zubehör und einem unserer Wassersäcke bei unserem Gastvater zurück. Eine der Querverstrebungen ist gebrochen und lässt sich ohne Ersatzteile vor Ort nicht mehr reparieren.
Bereits während des frühen Mittags beginnt der Gegenwind deutlich stärker zu werden. Mit der Zunahme des Sturms wird die Situation nach und nach sehr unbequem. Niemand von uns hat zuvor so einen heftigen Sandsturm erlebt. Obwohl es am Anfang noch interessant zu sein scheint, zieht ganz plötzlich der Himmel zu und die Sichtweite wird drastisch eingeschränkt. Wir entscheiden uns dennoch weiter zu laufen und gegen Abend lässt der Sturm rasch nach und es klart wieder auf.
Am sechsten Tag sind es noch rund 100 Kilometer bis Palmyra und wir entscheiden uns dafür, einige Kilometer im Gewaltmarsch hinter uns zu bringen. Dies funktioniert auch recht gut, bis wir am Abend rund 40 Km Luftlinie gelaufen sind und die Stange des zweiten Wüstensulkies auch noch bricht. Somit ist auch unser letzter mobiler Wasserspeicher am Ende und wir müssen auch diesen in der Wüste zurücklassen.
Wir laufen noch einige Kilometer mit dem restlichen Wasser auf dem Rücken, entscheiden uns dann aber zu nächtigen und weiter zu überlegen, was wir tun würden.
Wir beschließen am nächsten Tag wieder in Richtung der Straße zu laufen, da unsere Motivation nun am Tiefpunkt angelangt ist und beide mobile Wasserspeicher nicht mehr einsatzfähig sind. An der Straße angelangt, versuchen wir Richtung Palmyra zu trampen, was uns auch nach etwa einer Stunde gelingt - damit ist das Wüstenabenteuer diesmal bereits nach sieben Tagen vorbei, was aber den Reisegenuss kaum mildert. Syrien bietet schließlich eine Menge Sehenswürdigkeiten sowohl für den touristischen Mainstream als auch für den ausgefalleneren Individualtouristen.
Fazit:
Syrien ist, wie alle arabisch geprägten Länder, ein Platz für Abenteuer, Geschichten aus Tausend-und-einer-Nacht und einprägsame Erfahrungen. Allerdings werden dem Individualreisenden in den östlichen Landesteilen auf Grund der geografischen Nähe zum Brennpunkt Irak einige große Hindernisse in den Weg gelegt, die das Reisen dort nicht gerade angenehm machen. Es ist dennoch zu empfehlen, von den Touristenhochburgen einen Schritt ins Ungewisse zu wagen und die Plätze zu besuchen, die nicht rot markiert auf der Landkarte sind. Wie in unserem Fall wird man dort meistens mit offenen Armen und einer unvergesslichen Gastfreundschaft empfangen.
Weiterführende Links:
http://www.desert-trekking.com/