03.01.2009
"Stoppt das Massaker in Gaza!!" - Zwei Demonstrationen in Berlin Teil I
Freitag, 2.1. Adenauerplatz, Berlin 15 Uhr: Die Palästinensische Gemeinde Berlin hat zum Protestmarsch unter der Losung "Stoppt das Massaker in Gaza!!" aufgerufen. Die überwiegende Mehrheit der etwa 2500 Demonstranten sind Araber. Schwarz-weiße "Palästinensertücher" (arab. Kufiya), palästinensische Fahnen und Plakate mit palästinensischen Kindern, die durch die israelischen Angriffe gezeichnetet sind, prägen das Bild. Außerdem sind schiitische Libanesen, an ihren gelben Fahnen als Anhänger der Hizb Allah erkennbar, recht prominent vertreten. Dagegen sind Fahnen der beiden wichtigsten und verfeindeten Bewegungen Palästinas, Hamas und Fatah, kaum zu sehen. Auffällig ist, dass sich zahlreiche arabische Familien in die klirrende Kälte aufgemacht haben, um sich entlang des Ku'damms ihren Frust über die zahlreichen Opfer im Gaza-Streifen aus der Seele zu schreien. Deutsche Demonstranten findet man nur wenige, selbst die türkische Community scheint stärker vertreten.

Die Redebeiträge der Organisatoren zu Beginn der Demonstration drehen sich um "Israels unverhältnismäßiges, brutales Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen." Die Raketenangriffe der Hamas werden mit keinem Wort verurteilt, ebenso wenig werden die zivilen Opfer auf Seiten Israels beklagt. Den Worten einer deutschen Demonstrantin, die weniger die "Grausamkeit Israels " betont, sondern die Würde und den Stolz der Palästinenser herausstellt, wird eher gelangweilt gelauscht. Als sich die Demonstranten langsam in Bewegung setzen, reissen Einzelne aus der Menge die Initiative an sich und brüllen in kleine Megaphone markige Slogans, die sich bis zum Ende der Demonstration am Wittenbergplatz wiederholen werden. Hier die Beliebtesten:

"Freiheit für Palästina, Israelis raus aus Palästina"
"Kindermörder Israel, Frauenmörder Israel"
"Stoppt das Morden, stoppt den Krieg - Intifada bis zum Sieg"
"Zionisten sind Terroristen, sind Faschisten, töten Zivilisten"
"Augen auf, Augen auf - unsere Kinder gehen drauf"

Auch die deutsche Regierung bekommt ihr Fett weg:
"Deutschland finanziert, Israel bombardiert"

Dazwischen rufen die Demonstranten immer wieder "Gott ist groß" (arab. allahu akbar) und das muslimische Glaubensbekenntnis, wodurch der Protestmarsch einen islamischen Charakter annimmt.
Dies mag neben der kompromisslosen Rhetorik der Demonstranten ein Grund sein, warum die meisten Passanten, die am Ku'damm einkaufen sind, größtenteils befremdet dreinschauen, als der chaotische Tross lautstark vorbeizieht.

Die Polizei lässt verlauten, dass der Protestmarsch weitgehend friedlich verlief, und lobt das kooperative Vorgehen der Organisatoren.

Christoph ist studierter Islam-, Politik- und Geschichtswissenschaftler mit Fokus auf Westasien. Der Mitgründer von Alsharq - heute dis:orient - war zwischen 2011 und 2014 bei der Friedrich-Ebert-Stiftung und dem Willy-Brandt-Zentrum in Jerusalem tätig. In Berlin arbeitet er als Geschäftsführer für Alsharq REISE. Christoph hält regelmäßig...