Von Benjamin Albroich
Die Auftritte des Vereins »Einladung zum Paradies« stimmen die Bewohner von Mönchengladbach-Eicken unbehaglich. Als islamfeindlich wollen sie jedoch nicht gelten: Seit Jahren weiß dort jedes Kind, wie ein Niqab aussieht und dass Salafisten Bärte tragen. Ein Eickener berichtet
Wenn Ende September in Deutschland Zelte aufgebaute werden, dann kann es sich eigentlich nur um einen Ableger des Oktoberfestes handeln. In Mönchengladbach-Eicken steht nun auch ein großes weißes Zelt. »O zapft is« hört man darin aber nicht – schon eher ein beherztes »Allahu Akbar«. Denn das besagte Zelt steht seit kurzem auf dem Grundstück der »Moschee des rechten Brauchtums« – auf Arabisch: Masjid al-Sunna. Bekanntlich hat die Stadt das eigentliche Moscheegebäude versiegeln lassen. Gebetet werden darf dort vorerst nicht mehr.
Um nicht im Regen zu stehen – und davon gibt es dieser Tage viel am Niederrhein – sind die frommen Brüder vom Verein »Einladung zum Paradies« (EZP) nun ins Zelt gezogen. Salafisten im Campingurlaub sozusagen. Zuvor hatten wochenlang demonstrative Gebete auf dem Eickener Markt stattgefunden. Zahlreiche Fernsehsender haben darüber berichtet – einige Reporter gerieten mit den EZP-Männern regelrecht ins Handgemenge. Aber wie kam es überhaupt zur vorübergehenden Schließung der Moschee?
Die Masjid al-Sunna auf der Eickenerstraße 164 steht seit fünf Jahren, direkt am Fuß des Bökelbergs, wo sich einst das legendäre Fußballstadion von Borussia Mönchengladbach befand. Der Fußballtempel wurde 2006 abgerissen, die Fohlenelf ist stadtauswärts in den neuen Borussiapark gezogen. Die Eickener sind allerdings durch jahrzehntelangen Bundesliga-Alltag einiges gewöhnt: Wer Horden betrunkener Fußballfans in Schwarz-Weiß-Grün überlebt, den stören auch Männer mit langen Bärten und Pluderhosen nicht. Mit der Moschee gab es jedenfalls über Jahre keine Probleme.
Selbst an den Anblick vollverschleierter Frauen hatte man sich gewöhnt, obwohl der Durchschnittseuropäer dazu angeblich nicht fähig ist. In der Diskussion über Verbote von Burka und Niqab in Frankreich und Belgien kommt oft zur Sprache, dass deren Verbreitung in Europa nur sehr gering sei – darüber können die Eickener nur schmunzeln. Am Bökelberg weiß jedes Kind, wie eine Frau im Niqab aussieht.
Früher waren die Frommen in Eicken ebenso gewöhnlich wie betrunkene Borussen
Die Stimmung schlug um, als öffentlich wurde, dass die Masjid al-Sunna einen massiven Ausbau plant. Die Moschee war im Frühjahr mit einer großen, aber als streng salafistisch beleumundeten Islamschule aus Braunschweig fusioniert. Diese plante nun den kompletten Umzug nach Mönchengladbach und hatte auch schon mit dem Bau begonnen.
Das Problem: Die Bauvorschriften und nötigen Antragsformalitäten wurden nicht ausreichend berücksichtigt. Als die Behörden die neue Baustelle überprüften, merkten sie gleichzeitig, dass auch die Masjid al-Sunna seit Jahren keine entsprechende Genehmigung hatte. Statt mit dem Ausbau samt Internat und Schulungszentrum fortzuschreiten, mussten die Bauarbeiten fürs erste gestoppt werden.
Gleichzeitig wurden die Eickener Bürger darauf aufmerksam, was sich in ihrer Nachbarschaft so tut. Denn die potenziellen neuen Nachbarn haben es bekanntlich in sich. Die Braunschweiger Islamschule wird seit Jahren vom Verfassungsschutz beobachtet und als verfassungsfeindlich eingeschätzt. Sie gilt als eines der Zentren des Salafismus in Deutschland.
Die Bürger demonstrierten nicht mit der NPD, sondern gegen sie
Die Salafisten beziehen sich nach eigener Aussage auf die Urgemeinschaft der Muslime in der Zeit des Propheten Muhammad. Als Anhänger einer vermeintlich wortgetreuen Umsetzung der muslimischen Überlieferung eifern Salafisten einem idealisierten Urislam nach. Die Glaubenspraxis ist dabei rigide und wird von den vielen muslimischen Verbänden sogar als sektiererisch betrachtet.
Auch al-Qaida-Chef Usama bin Laden hat sich selbst schon als »guter Salafi« bezeichnet – die führenden Köpfe der EZP-Bewegung, Sven Lau, Pierre Vogel und Mohammed Ciftci, sind hingegen sehr darauf bedacht, sich von militanten Äußerungen zu distanzieren. Vogel hat mehrfach seine Glaubensbrüder dazu aufgerufen, »dafür zu beten, dass es in Deutschland keine Anschläge geben wird.« Die EZP-Männer wissen, dass der Verfassungsschutz sie auf dem Kieker hat. Denn die Behörde sieht trotz der öffentlichen Abgrenzung von Gewalt im EZP-Milieu einen Nährboden für Terrorismus.
Im Internet haben sich Vogel und seine Anhänger in den vergangenen Jahren Wortgefechte mit anderen salafistischen Missionsgruppen geliefert. Vogels Ziel ist, mit Hilfe von Spenden seinen Vorsprung als einflussreiche und derzeit bekannteste Salafisten-Organisation auszubauen. Der Verein will in Eicken ein Ausbildungszentrum für rund 200 Missionare aufbauen. EPZ versucht unter anderem über Infostände in der Innenstadt, nichtmuslimische Jugendliche zu bekehren.
Den Eickenern wurde das erst sehr allmählich unbehaglich. Eine Bürgerinitiative macht nun von sich reden. Jeden Montag gibt es daher eine Demonstration, zum Wochenende werden Gegen-Infostände in Position gebracht.
Auch rechtsextreme Gruppen versuchten, aus dem Unmut Profit zu schlagen, schossen sich aber am Bökelberg ein Eigentor. Die NPD demonstrierte am 14. August auf dem Eickener Markt gegen die Islamschule, aber die Anwohner marschierten nicht mit der NPD, sondern gegen sie. Auch die rechtspopulistische Gruppe »Pro NRW« konnte bislang nicht in Eicken Fuß fassen.
Vielen Anwohnern ist das Treiben von EZP unangenehm – aber virulent ist auch die Befürchtung, als ausländerfeindlich oder islamophob zu gelten. Schließlich hätten die Eickener, so heißt es im Viertel, über Jahre bewiesen, dass sie nichts gegen Muslime haben. »Wenn ein indischer Sex-Guru ein Zentrum auf der Eickener Straße eröffnet und die Kinder hier zum Fest einlädt, wären die Eltern wohl auch nicht amüsiert«, sagt ein Mann aus der Nachbarschaft der versiegelten Moschee. Ins Paradies wolle er sich vorerst nicht einladen lassen, denn in Mönchengladbach gefalle es ihm noch ganz gut.