26.04.2013
Palästina: Wie der Bulldozer im Olivenhain

Vergangene Woche zerstörte die israelische Armee zum zweiten Mal das Garten-Restaurant Makhrour bei Bethlehem. Das beliebte Lokal war ohne Genehmigung der Militärverwaltung gebaut worden. Genehmigungen aber, sind kaum zu bekommen. Nachruf zum Ende eines ermüdenden Spiels von Katz und Maus.

„Ich kann nicht mehr darüber sprechen“, sagt Michelle Qissiyeh am Telefon. „Ich bin müde. Sie wollen nicht, dass wir hier arbeiten, sie wollen nicht, dass wir hier leben. Das ist alles.“ Vor einem Monat noch war sie voller Enthusiasmus: Ende März feierte die Familie Qissiyeh die Wiedereröffnung ihres Restaurants im Wadi Makhrour, einem malerischen Tal südlich der Jerusalemer Stadtgrenzen. Nun sind vom Restaurant nur noch Trümmer übrig: Die israelische Militärverwaltung für das Westjordanland sandte am 18. April das Abrisskommando.

Das Restaurant, so ein Sprecher der Militärverwaltung (CA), sei ohne Genehmigung gebaut worden und habe seit 2005 unter Abrissbefehl gestanden. „Das Restaurant war bekannt als illegal errichtetes Gebäude“, so Guy Inbal von der CA auf Anfrage einer palästinensischen Journalistin. Es war bereits das zweite Mal, dass die Armee das Makhrour vollständig zerstören ließ: Das Restaurant war im Mai letzten Jahres nach zehn Jahren in Betrieb schon einmal zertrümmert worden. Die Familie entschied sich für den Wiederaufbau, lieh sich Geld für die Investition und konnte zum April dieses Jahres ihr Geschäft wieder eröffnen. Der zweite Abriss war gründlicher: „Auch das Fundament ist zertrümmert: Sie haben das Haus buchstäblich auf den Kopf gestellt“, berichtet Hassan Muamer, Landschaftsschützer in der Gegend.

Das ABC des Siedlungsausbaus

Das Wadi Makhrour steht, wie insgesamt rund 64% des besetzten Westjordanlandes, als sogenanntes C-Gebiet unter vollständiger Kontrolle Israels. Das israelische Militär ist hier für die Sicherheit und zivile Belange zuständig – und entscheidet somit, wer wo bauen darf. Diese Regelung war im Zuge der Oslo-Abkommen von 1994 für einen Zeitraum von eigentlich fünf Jahren vorgesehen, mit dem Scheitern des Friedensprozesses aber haben sich Übergangsregelungen festgefahren.

Seit 1967 seien im Wadi Makhrour keine neuen Baugenehmigungen erteilt worden, berichtet der Besitzer des Restaurants, Ramzi Qissiyeh. Die Familie Qissiyeh lebt gleich neben dem nun zerstörten Restaurant. Auch ihr Wohnhaus hat einen Abrissbefehl, wie die meisten der wenigen Bauten an den Hängen des Tals: „Wir wissen nicht, warum sie unser Haus bislang verschont haben. Diese ständige Angst ist zermürbend“, sagt Michelle.

Olivenhaine im Tal - auf den Hügeln arbeiten die Bagger an Fertighäusern

Nur rund 1% der Fläche der C-Gebiete sind überhaupt als möglicher Baugrund für palästinensische Anwohner vorgesehen. Baugenehmigungen werden kaum vergeben: Seit dem Jahr 2000 wurden nach Angaben der Vereinten Nationen und verschiedener Menschenrechtsorganisationen rund 94% der Anträge palästinensischer Familien in den C-Gebieten abgelehnt. Diese Politik bewirkt eine zunehmende Ballung der palästinensischen Bevölkerung in den urbanen Zentren des Westjordanlandes. Strategisch günstig für den Ausbau staatlich geförderter jüdischer Siedlungen in den besetzten Gebieten.

Für das Wadi Makhrour dokumentiert das Jerusalemer Zentrum für Angewandte Forschung in den letzten Jahren vermehrt Abrisse. Zudem ist der Verlauf der Sperranlage am westlichen Ende des Tals vorgesehen. Der Druck des Militärs werde strategisch erhöht, beschreiben die Mitarbeiter des Instituts: Das Makhrour-Tal bildet bislang eine natürliche Unterbrechung der Siedlungsblöcke, die sich auf den nördlichen Hügeln gen Jerusalem und in südlicher Richtung um Bethlehem ausbreiten. Inzwischen sind Pläne bekannt, nach dem das Wadi Teil einer neuen Siedlungsanlage, Givat Yael, werden soll. Givat Yael würde die Jerusalemer Siedlung Har Gilo mit dem Siedlungsblock Gush Etzion verbinden.

Es macht müde, das ständige Ringen um die eigene Existenz

Im Wadi Makhrour ist es nach dem Abzug der Bulldozer wieder ruhig. Familien genießen die ersten heißen Tage beim Picknick in den Terrassen mit Oliven- und Obstbäumen. Ramzi Qissiyeh aber sitzt auf einem Berg von Trümmern und Schulden. „Jeder hat eine Grenze der Belastbarkeit. Ich denke, meine habe ich jetzt überschritten“, sagt er erschöpft. „Ich kann dieses Katz-und-Maus-Spiel nicht weiter mitspielen.“ Die Familie denkt darüber nach, das Land zu verlassen.

 

Titelfoto: Pauline Beugnies "Das Makhrour Restaurant nach seiner Zerstörung, 23. April 2013"

Lea ist seit 2011 bei Alsharq. Sie hat Internationale Politik und Geschichte in Bremen und London (SOAS) studiert und arbeitet seitdem als Journalistin. Mehrere Jahre hat sie in Israel und Palästina gelebt und dort auch Alsharq-Reisen geleitet. Lea ist heute Redakteurin bei der Wochenzeitung Die Zeit.