So ähnlich stellt sich die aktuelle Lage aus Sicht der Herrscherfamilien in den Vereinigten Arabischen Emiraten dar. Das Schicksal von fünf inhaftierten Bloggern und Aktivisten zeigt jedoch, dass dieses Bild trügt. Sie wollen ab Sonntag in den Hungerstreik treten, um ihre Freilassung zu erzwingen und eine Einstellung der gegen sie anhängigen Verfahren zu erreichen.
Die fünf Männer – vier Emiratis und ein Staatenloser – wurden bereits im April festgenommen und angeklagt, gegen Artikel 176 des Strafgesetzbuches verstoßen zu haben, der die öffentliche Beleidigung der Herrscherfamilie, der Flagge oder des Staatssymbols unter Strafe stellt. Seit Juni läuft der Prozess, am 27. November soll der Oberste Gerichtshof sein Urteil fällen. Den Angeklagten drohen bis zu fünf Jahre Haft.
Die Vorwürfe gegen vier der Angeklagten beruhen auf mehreren Äußerungen, die sie bereits im Oktober 2010 unter Pseudonym im Onlineforum UAE Hewar hinterlassen haben. Der Zugang zu der Website wurde bereits im Februar 2010 von den Behörden in den Vereinigten Arabischen Emiraten gesperrt, über Proxyserver war das Forum aber weiterhin erreichbar.
Gefängnis für die Forderung nach Reformen
Die Aussagen, die den Angeklagten Nasser bin Ghaith, Fahad Salim Dalk, Hassan Ali al-Khamis und Ahmed Abdul Khaleq vorgeworfen werden, klingen für Außenstehende harmlos. Ein paar Beispiele:
- „Scheich Khalifa (Präsident der VAE und Emir von Abu Dhabi; C.S.), Gott möge sein Leben verlängern, ist eine schwache Persönlichkeit, bei allem Respekt vor seiner Person und seiner noblen Moral.“
- „Wenn Scheich Sultan bin Zayed (Stellvertretender Premierminister der VAE; C.S.) in seiner angestammten Position wäre, würde sich das Land nicht in dieser Verfassung befinden.“
- „Scheich Khalifa ist nicht das Problem. Das Problem ist der Kronprinz, der, weil er ganz allein auf der Spitze der Pyramide sitzt und die Macht an sich gerissen hat, de facto zum Staatschef geworden ist. Er hat lange geplant, die Macht zu übernehmen. Dieser Mann arbeitet mit westlichen Mächten zusammen um ihnen zu helfen, ihre Pläne umzusetzen, lokal wie regional.“
Die vier Beschuldigten geben zu, dass sie diese Sätze im Forum UAE Hewar hinterlassen haben. Sie verweisen jedoch auf die Sperrung der Seite durch die Behörden. Das Forum sei von den Emiraten aus nicht mehr zugänglich gewesen, daher könne auch keine Rede von einer öffentlichen Beleidigung mehr sein.
Der fünfte Angeklagte, Ahmed Mansoor, gilt als Mitverschwörer. Ihm wird vorgeworfen, zu Protesten gegen die Regierung aufgerufen und die öffentliche Ordnung verletzt zu haben. Kurz vor seiner Festnahme hatte er im März eine Petition unterstützt, die direkte Wahlen zum Föderalen Nationalrat (FNC) forderte, einem Gremium, das den Herrscherfamilien beratend zur Seite steht. Zudem forderte Mansoor in mehreren Fernsehinterviews zu Beginn des Jahres legislative Vollmachten für den FNC und durchgreifende politische Reformen.
Ein faires Verfahren wird den Angeklagten verwehrt
In den vergangenen Wochen wurden Mansoor und seine Familie mehrfach bedroht. Im Internet riefen Regimeanhänger dazu auf, ihm die Staatsbürgerschaft zu entziehen, außerdem soll ein Gedicht kursieren heißt: „Jedem, der ihn tötet, wird verziehen.“
Seit ihren Festnahmen am 8. und 9.April hatten die Beschuldigten nie die Gelegenheit adäquat auf die Vorwürfe gegen sie zu reagieren. Erst zwei Monate nach der Verhaftung wurden sie über die Anschuldigungen informiert. Ihre Anwälte haben bis heute keinen Einblick in die Akten nehmen können, um gegen die dort gemachten Vorwürfe und die vorgelegten Beweise Stellung zu beziehen. Die bisherigen Verhandlungstage vor Gericht fanden unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Auch an der Unabhängigkeit des Gerichts regen sich Zweifel. Alle vier Richter der Strafkammer sind Ausländer – zwei Ägypter, ein Syrer und ein Sudanese. Ihre Arbeitsverträge sind auf vier bis sechs Jahre befristet. Eine Verlängerung der Kontrakte hängt am Wohlwollen der emiratischen Herrscher. Angesichts dessen dürfte es den Juristen schwer fallen ein unabhängiges Urteil über Angeklagte zu fällen, denen die Beleidigung der Staatsspitze vorgeworfen wird. Hinzu kommt: Da den Angeklagten Verbrechen gegen die Sicherheit des Staates vorgeworfen werden, findet das Verfahren unter speziellen Bedingungen statt: Ein Revisions- oder Berufungsverfahren gegen das Gerichtsurteil ist nicht möglich.
Deshalb sehen sich die fünf Männer nun offenbar gezwungen andere, drastische Maßnahmen zu ergreifen um auf ihr Schicksal aufmerksam zu machen und den Druck auf die Herrscher in den Emiraten zu erhöhen. Ob sie damit Erfolg haben werden, ist höchst ungewiss. Angesichts der jüngst noch einmal verschärften Vorwürfen gegen den Iran, haben die USA und Europa kaum Interesse die verbündeten arabischen Golfstaaten zu verärgern. Die Herrscher der sieben kleinen Emirate dürfen sich weiterhin weitgehend unbeobachtet fühlen.