04.04.2013
Libanons designierter Premierminister Tammam Salam - Ein Mann ohne Eigenschaften

Tammam Salam ist der designierte libanesische Premierminister. Obwohl schon 68 Jahre alt und seit knapp zwei Jahrzehnten auf der politischen Bühne, ist er ein unbeschriebenes Blatt. Doch seine Profillosigkeit macht ihn zum idealen Kandidaten für den Posten des Regierungschefs. Die Parteiführer und eigentlichen Herrscher im Zedernstaat können so ungestört schalten und walten. 

Knapp zwei Wochen nach dem Rücktritt Najib Mikatis vom Posten des libanesischen Premierministers scheint die Nachfolge geklärt. Nach dem Parteienbündnis March 14, das aus der sunnitischen Mustaqbal-Bewegung, den christlichen Parteien Lebanese Forces und Kataeb sowie diversen Kleinstparteien besteht, stellte sich am Donnerstagabend auch Drusenführer Walid Jumblatt mit seiner Progressiven Sozialistischen Partei (PSP) hinter Tammam Salam, einen 68-jährigen Parlamentsabgeordneten aus Beirut. Dieser hat damit eine Parlamentsmehrheit hinter sich und könnte schon in wenigen Tagen zum neuen Regierungschef gekürt werden. Zuvor hatte sich Salam in Riad die Zustimmung von Mustaqbal-Chef Saad Hariri und dem saudiarabischen Geheimdienstchef Bandar bin Sultan eingeholt. 

Bei der Nominierung Salams war wieder einmal Jumblatt das Zünglein an der Waage. Im Januar 2011 hatte sich dieser noch auf die Seite des politischen Lagers March 8 geschlagen, das von der christlichen Freien Patriotischen Bewegung (FPM) von Michel Aoun sowie der schiitischen Hizbollah angeführt wird, und damit den damaligen Premier Saad Hariri gestürzt. In den vergangenen beiden Jahren hatte sich Jumblatt jedoch zusehends von seinen Bündnispartnern distanziert. Besonders hinsichtlich des Umgangs mit dem Aufstand im Nachbarland Syrien liegt Jumblatt mit Aoun und Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah über Kreuz: Während der Druse schon früh den Sturz des syrischen Diktators Bashar al-Assad forderte, halten ihm Aoun und Nasrallah unerschüttert die Treue.

Sein Pfund sind Geld und Herkunft

FPM, Hizbollah und auch die ebenfalls zu March 8 gehörende Amal-Bewegung von Parlamentschef Nabih Berri haben sich bislang nicht offiziell zur Nominierung von Tammam Salam geäußert. Wahrscheinlich ist, dass sie seine Kandidatur ebenfalls unterstützen und eine Einheitsregierung eingehen. Seit seiner Unabhängigkeit 1943 ist der Libanon die meiste Zeit von so genannten Regierungen der Nationalen Einheit regiert worden, in denen Minister aller großen Parteien und Konfessionsgemeinschaften vertreten waren. Alternativ könnten Hizbollah und ihre Verbündeten in die Opposition gehen.

Tammam Salam sollte jedenfalls kein Premier sein, der die Stellung der Hizbollah als dominierende Kraft herausfordert, gegen deren Willen keine durchgreifenden politischen Schritte unternommen werden. In den bisherigen zwei Jahrzehnten seines politischen Schaffens hat sich Salam jedenfalls als flexibler, un-ideologischer Karrierist erwiesen. Wie bei vielen anderen zeitgenössischen libanesischen Politikern ist sein Pfund nicht sein politisches Können, sondern Geld und Herkunft.

Sein Vater prägte den Leitspruch "Keine Sieger, keine Verlierer"

Tammam Salam ist der Sohn von Saeb Salam, der zwischen 1952 und 1973 insgesamt sechsmal als Premierminister amtierte. 1958, nachdem der Libanon im Zuge eines Machtkampfes zwischen arabischen Nationalisten und pro-amerikanischen Kräften um Präsident Camille Chamoun erstmals am Rande des Bürgerkriegs stand, prägte Salam, der auf Seiten der Nationalisten stand, den Spruch, der zum Leitbild für das politische System Libanons werden sollte: „Keine Sieger, keine Verlierer“. In libanesischen Machtkämpfen müsse jede Seite ihr Gesicht behalten können, sollte das heißen. 

Getreu diesem Motto wirkte Saeb Salam auch nach dem Ende seiner Zeit als Mandatsträger. 1982 vermittelte er während der Belagerung West-Beiruts zwischen den USA und der PLO und sicherte damit den Abzug der militanten Palästinenser aus der Stadt. Auch nach Ende des Bürgerkriegs war Salam Senior 1989 an den Verhandlungen zum Taif-Abkommen beteiligt, das die Nachkriegsordnung für den Libanon festlegte.

Gespannte Beziehungen zum Hariri-Clan

Nach Ende des Bürgerkriegs löste der in Saudi-Arabien zum Milliardär aufgestiegene Bauunternehmer Rafiq Hariri Salam als politische Führungsfigur der libanesischen Sunniten ab. Die Beziehungen zwischen beiden Familien waren fortan gespannt. 1996 bewarb sich Saebs Sohn Tammam erstmals um einen Parlamentssitz. Zuvor hatte er jahrelang die Makassed-Stiftung geleitet - auch auf diesem Posten trat er das Erbe seines Vaters an. 1996 ging Tammam ein taktisches Bündnis mit Rafiq Hariri ein, das ihm ein Mandat sicherte. Doch schon bald zerbrach diese Allianz: Bei der Wahl im Jahr 2000 trat Salam gegen Hariri an – und verlor. In der Folge blieb er auf Distanz zu Hariri. Dessen Versuche, sich aus der syrischen Vormachtstellung zu lösen, lehnte Salam bis zu Hariris Ermordung im Februar 2005 ab. Erst nach dem Tode des ehemaligen Regierungschef und im Zuge der sich ändernden politischen Stimmung im Land, näherte sich Salam der neu gegründeten Mustaqbal-Bewegung an, die inzwischen von Rafiqs Sohn Saad Hariri geführt wurde.

Nachdem sich alle Parteien unter Vermittlung Katars im Sommer 2008 auf eine Einheitsregierung verständigt hatten, wurde Salam zum Kulturminister ernannt. Er amtierte bis zu den turnusmäßigen Neuwahlen im Juni 2009 – Akzente setzte er nicht. 2009 gelang ihm der Einzug ins Parlament, als er im Wahlkreis Beirut III auf der Liste von Saad Hariri kandidierte. In Erscheinung getreten ist er seither nicht, Beobachter vermerken positiv, dass er einer der wenigen Parlamentarier ist, die überhaupt die meiste Zeit im Land sind anstatt sich im Ausland aufzuhalten. Ansonsten sei der kahle Schädel das Markanteste an Salam.

Schon die Kabinettsbildung könnte schwierig werden

Die erste Aufgabe, die Tammam Salam im Falle einer Wahl zum Premier bevorsteht, dürfte zugleich die schwierigste werden: die Regierungsbildung. Besonders für den Fall, dass ihm die Hizbollah die Unterstützung verweigert, wird er Probleme bekommen, schiitische Minister zu finden, die gemäß des libanesischen Nationalpakts Voraussetzung für eine legitime Regierung sind. Hizbollah und die mit ihr verbündete Amal sehen sich selbst als alleinige Vertreter ihrer Konfessionsgemeinschaft.

Ähnlich kompliziert ist die Verabschiedung eines neuen Wahlgesetzes. Dies ist die Voraussetzung für Parlamentswahlen, die gemäß Verfassung in diesem Jahr abgehalten werden müssten. Bislang haben sich die Parteien noch nicht auf ein neues Gesetz einigen können – der Riss geht dabei quer durch alle Lager. Erschwert wird die Entscheidungsfindung dadurch, dass sich die Führer der Konfessionsgemeinschaften massiv in die Diskussion einschalten.

Angesichts dieser Gemengelage und der Profillosigkeit des designierten Premiers deutet vieles darauf hin, dass Tammam Salam ein schwacher Regierungschef wird. Er wird in den Grand Serail einziehen, die wichtigen Entscheidungen werden jedoch in den Residenzen der Parteiführer getroffen.