Eine Einigung zwischen Regierung und Opposition auf einen neuen libanesischen Präsidenten scheint noch immer in weiter Ferne. Auf das Angebot der Opposition auf die Forderung nach einer Regierungsbeteiligung zu Gunsten einer Einigung auf einen gemeinsamen Präsidentschaftskandidaten zu verzichten, reagierte das Regierungslager verhalten.
Nach einem Treffen in der Residenz des ehemaligen Staatschefs Amin Gemayel verlas der Mehrheitsführer im libanesischen Parlament, Saad Hariri, eine Erklärung, die zwar die Einladung zum Dialog begrüßte, ansonsten aber wenig Konkretes und explizit kein Bekenntnis zur Wahl eines Präsidenten durch die Zwei-Drittel-Mehrheit des Parlaments enthielt. Der Kernsatz lautete: "Lasst uns nicht sagen, dass wir Wahlen auf der Grundlage '50% plus eine Stimme' fordern und lasst die Opposition nicht die Wahlen durch das Beharren auf einer Zwei-Drittel-Mehrheit blockieren."
Die Oppsoition fasste diese offizielle Erklärung auf ihr Angebot, für die sich die Regierungsseite 14 Tage Zeit ließ, als Ablehnung auf. Parlamentssprecher Nabih Berri erklärte gestern Abend in der wichtigsten politischen Talkshow des Landes, "Kalam al-Nas": "Die Erklärung der Regierung ist ein Kondolenzschreiben an das libanesische Volk."
Berri zeigte sich enttäuscht über die zögerliche Haltung der Regierung hinsichtlich seines Angebots. "Durch die Verzögerung verliert die Initiative an Stärke". Das Regierungslager solle sich bewusst machen, dass die nächsten zwei Monate für die Zukunft des Libanon entscheidend seien. Sollten sich Opposition und Regierung in der Zeit nicht auf einen Konsenskandidaten einigen, drohe das Land auseinanderzubrechen, so Berri weiter.
"Es gibt hunderte legitimer Kandidaten unter den Maroniten, also warum können wir uns nicht auf einen einigen?" Gemäß der libanesischen Verfassung muss der Staatspräsident ein maronitischer Christ sein. Als mögliche Konsenskandidaten gelten Charles Rizk und Jean Obeid. Rizk ist gegenwärtig Justizminister im Kabinett von Fuad Siniora, gilt aber gleichzeitig als langjähriger Vertrauter des jetzigen Präsidenten Emil Lahoud. Jean Obeid war Berater von Präsident Amin Gemayel und führt für diesen die Verhandlungen mit der PLO. Unter Rafiq Hariri war er in den 1900ern und von 2003 bis 2004 Minister. Ihm werden gute Beziehungen nach Syrien nachgesagt.
Berri zeichnete ein düsteres Bild von den Folgen, die ein Scheitern seiner Initiative haben würde. Entweder Präsident Lahoud bliebe im Amt oder er ernenne einen provisorischen Nachfolger, wahrscheinlich Armeechef Michel Sleiman. Die libanesische Armee würde geeint erhalten bleiben, aber in ihren Kasernen bleiben, Polizei und Sicherheitskräfte würde genauso wie die Ministerien entlang der politischen Loyalitäten gespalten. Die Zentralbank würde beiden Regierungen die Löhne bezahlen, das Parlament wäre "neutral", so Berris Szenario. Damit stünde das Land wohl am Rande eines neuen Bürgerkriegs.
Etwas optimistischer zeigte sich Frankreichs Außenminister Bernard Kouchner, der sich um eine diplomatische Lösung der libanesischen Krise bemüht. "Ich denke es gibt die Möglichkeit, dass nach einem Dialog Wahlen vor November durchgeführt werden können." Zugleich warnte Kouchner Syrien vor einer Einmischung in die Wahlen. Im Gegenzug würde Syrien "überrascht und erstaunt" sein über Frankreichs Offenheit gegenüber Damaskus.
In der libanesischen Verfassung heißt es in Artikel 49, Absatz 2 zur Präsidentschaftswahl: "Le Président de la République est élu, au premier tour, au scrutin secret à la majorité des deux tiers des suffrages par la Chambre des députés. Aux tours de scrutins suivants, la majorité absolue suffit."
Berri verwies gestern jedoch erneut darauf, dass in der Geschichte des Libanon der Präsident bislang immer mit Zwei-Drittel-Mehrheit gewählt wurde, selbst als in den 1980ern ein blutiger Bürgerkrieg tobte und das Land unter israelischer und syrischer Besatzung stand.