In den letzten Tagen ist Bewegung in das Tauziehen um einen neuen libanesischen Präsidenten gekommen. Zunächst hatte der amtierende Staatschef Emile Lahoud am vergangenen Donnerstag erklärt, er werde den Kommandanten der libanesischen Streitkräfte, General Michel Sulaiman, zu seinem Interimsnachfolger ernennen, sollte zwischen dem 25.September, dem Termin an dem die nächste Parlamentssitzung stattfinden soll und dem 24.November, dem Ende von Lahouds Amtszeit, kein Präsidentschaftskandidat mit Zwei-Drittel-Mehrheit vom Parlament gewählt werden.
Dem 58-jährigen Suleiman sollten sechs oder sieben Zivilisten zur Seite gestellt werden, die als Übergangskabinett ein neues Wahlgesetz ausarbeiten, Parlamentswahlen durchführen und den Weg für Präsidentschaftswahlen ebnen sollten. Lahoud schloss aus, die Macht an Premierminister Siniora und sein Kabinett abzugeben, das der Präsident als "ungesetzlich und nicht existent" bezeichnete.
Am Freitag erklärte Parlamentssprecher Nabih Berri, die Opposition verzichte auf ihre Forderung nach der Bildung einer Regierung, in der die Hizbollah und ihre Verbündeten ein Drittel der Kabinettssitze und damit ein Vetorecht erhält. Im Gegenzug dafür müssten sich jedoch Regierung und Opposition auf einen Konsens-Kandidaten für die Präsidentschaft verständigen, der mit Zwei-Drittel-Mehrheit vom Parlament gewählt wird, erklärte Berri auf einer Kundgebung in Baalbek zum Jahrestag des Verschwindens von Musa as-Sadr.
Damit hat die libanesische Opposition ihre wichtigste Forderung, für die sei seit neun Monaten Beirut Downtown blockiert, fallen gelassen. Ebenso scheinen die schiitischen Gruppierungen Amal und Hizbollah mit ihrem Angebot bereit zu sein, ihren wichtigsten christlichen Verbündeten Michel Aoun fallen zu lassen. Dass Aoun, der in den letzten Monaten als vehementer Kritiker des Regierungslagers aufgetrten ist, als Kompromisskandidat akzeptiert wird, darf als ausgeschlossen gelten. Gleichwohl kündigte der ehemalige Armeegeneral seine Kandidatur an.
In jedem Fall hat Berri mit seinem Angebot die Regierung unter Zugzwang gesetzt. Die Opposition zeigt ihre Bereitschaft Kompromisse einzugehen, nun ist es an Saad Hariri, Walid Jumblatt und Samir Geagea darauf zu reagieren. In offiziellen Stellungnahmen reagierten Politiker des Regierungslagers wohlwollend auf Berris Vorschlag, betonten aber man brauche Zeit zu einer sorgfältigen Prüfung des Angebots.
In einer polarisierten Gesellschaft wie der des Libanon fällt es schwer, sich einen Konsenskandidaten vorzustellen. Wie etwa sollte ein künftiger Präsident der von Regierung wie Opposition gewählt wird, dem Hariri-Tribunal gegenüberstehen? Wie sollte seine Einstellung gegenüber Wirtschaftsreformen sein, die von den Geberländern gefordert werden? Diese Fragen gilt es nun zu klären.