19.07.2006
Krieg im Libanon - Ein Stimmungsbericht aus Syrien

Hier die E-Mail eines Kommilitonen, der sich zur Zeit in Syriens Hauptstadt Damaskus aufhält:

Die Lage ist entspannt. Zumindest äußerlich kann ich das sagen. Es hat sich in den ersten Tagen des Krieges (so nenne ich das jetzt einfach mal) nichts verändert meiner Meinung nach. Nur am Samstag haben wir ein paar Gewehrsalven und Explosionen gehört, die wohl von einer Übung stammten. Ich habe das Gefühl, dass aber seit gestern mehr Polizeipräsenz vorhanden ist, was auch an den Demos liegen kann, die hier wohl organisiert werden. Heute habe ich zum ersten Mal auch Militär in der Innenstadt von Damaskus gesehen. Das kann alles Zufall sein, aber ein Gefühl habe ich, dass hier zumindest mehr Staat auf der Strasse zu sehen ist.

Aber im Allgemeinen ist es ruhig und so wie es immer war (es ist mein drittes Mal in Damaskus).

Die Stimmung im Volk und auf der Straße - mal weg vom Staat, und hin zum Volk - ist dagegen aggressiv. Man hört nun wirklich oft - ich will mal sagen - die Standardsprüche und -meinungen zu dem Problem. Vor dem Internet-Cafe liegt seit mindestens gestern eine Israel-Fahne auf der Straße, auf der jetzt alle rumtrampeln, indem sie darüber laufen. Am Wochenende war ich mal wieder in Palmyra und auf dem Rueckweg sind wir in einen Fundamentalisten-Bus geraten, ich will ihn jetzt einfach mal so nennen, alle traditionell gekleidet und die Sprueche... o-la-la.

Ein Scheich fing dann an Hetzreden zu USA, mudjahidun etc. aufzuzählen und natuerlich auch nicht gerade sehr differenziert. Ich habe es auf Kamera aufgenommen und habe dann richtig Probleme bekommen, ich solle doch mal die Kamera zeigen etc. War natürlich auch wieder meine Schuld, dass ich dass gleich archivieren wollte. Man wurde dann schon richtig bedrohlich, ich solle das Material herausrücken. Als ich dann sagte, ich käme aus Griechenland, zog sich plötzlich ein erleichtertes Lächeln ueber das Gesicht meines Gegenüber, "ah, ich dachte Du seist Amerikaner oder aus Israel für den Geheimdienst". Dann war alles geklärt, noch ein paar Kontrollfragen, ob ich denn wirklich Grieche sei, und dann meinte er, na ja, wir sind ja fast Brüder, unsere Kulturern sind ja so nah. ok schukran!

Die Stimmung ist schon unter den Leuten angespannt, man hat es satt mit dem Krieg, man höre wohl auch mäßigende Stimmen, die einfach allgemein zu Frieden aufrufen, beide Seite, ohne eine Seite pauschal zu beschuldigen und ihnen den Tod zu wünschen.Allgemein kann ich sagen, dass ich es leid bin, zusammengenommen mit den Erfahrungen vom letzten Sommer in Jordanien, Syrien, den Palästinensergebieten und Israel immer diese einseitigen Beschuldigungen oder In-Schutz-Nahmen zu hören. Das gilt nicht nur für die Araber hier, sondern auch für die Ausländer oder z. B. auch Studenten in Berlin und Deutschland. Da kann ich nur den Kopf schütteln und bekomme Angst, wie es mit unserer Welt weitergehen soll.

Für mich persönlich erscheinen mir gewisse, aber breite Schichten "der" Muslime hier in den arabischen Ländern sehr problematisch, und ich hoffe nur, dass sie nicht so schnell das Sagen in der Politik bekommen und das die Politik vernünftiger handelt und auch weitsichtiger. Ich habe den Eindruck, dass derzeit in der Region eine Umwälzung der politischen Lage, wenn sie denn geschehen sollte, lieber von oben kommen sollte und nicht vom Volke aus. Ja, damit vertrete ich eine gewisse Haltung einer gemäßigten Diktatur. Alles andere erscheint mir persönlich zu früh in der Region.