18.12.2009
Jemen - Gewalt im Namen der Einheit

Nicht nur Deutschland feiert 2010 den 20. Jahrestag seiner Wiedervereinigung. Auch im Jemen erinnert man im kommenden Jahr an die Vereinigung Nord- und Südjemens im Mai 1990. Im Vorfeld des Jahrestages wird die Einheit des Landes an der Südspitze der Arabischen Halbinsel jedoch mehr denn je in Frage gestellt. Im Grenzgebiet zu Saudi-Arabien kämpft der Staat gegen die Houthi-Rebellen, im Süden fordern Demonstranten auf wöchentlichen Kundgebungen mehr Autonomie. Außerdem wird die Regierung seit Jahren vom Terrornetzwerk al-Qaida herausgefordert.

Erst am Donnerstag töteten Sicherheitskräfte nach Angaben der jemenitischen Regierung bei mehreren Schlägen gegen Ausbildungslager und Verstecke der al-Qaida 34 Terroristen. 17 Extremisten sollen festgenommen worden sein. Mit den Angriffen auf insgesamt drei Terrorstützpunkte in verschiedenen Provinzen seien geplante Anschläge auf Schulen und andere Einrichtungen im In- und Ausland verhindert worden, so die Regierung. Unter den getöteten seien mindestens zwei ranghohe al-Qaida-Mitglieder. Eine unabhängige Bestätigung für diese Angaben gibt es bislang nicht.

Der Nachrichtensender al-Jazeera hingegen berichtet unter Berufung auf Zeugen, dass bei den Angriffen Dutzende Zivilisten getötet worden sein, unter ihnen zahlreiche Frauen und Kinder. Bewohner der südjemenitischen Provinz Abyan bestritten, dass al-Qaida in ihrer Region Stützpunkte unterhalte. Der Angriff der Sicherheitskräfte sei ein Versuch, die Autonomiebewegung im Südjemen zu diskreditieren und sie in die Nähe islamistischer Terroristen zu rücken.

Die Nachricht von den Militärschlägen gegen al-Qaida verdrängte zumindest vorübergehend einen anderen Krisenherd aus den Schlagzeilen – den Kampf gegen die Houthi-Rebellen. Seit 2004 schwelt dieser Konflikt zwischen der Zentralregierung in Sanaa und der Rebellenbewegung in Nordjemen. Für größere Aufmerksamkeit sorgt die Rebellion jedoch erst seit Anfang November, als Saudi-Arabien in den Konflikt eingriff und vermeintliche oder tatsächliche Stützpunkte der Houthis in Saudi-Arabien und Jemen angriff.

Seither wächst vielerorts die Befürchtung im Jemen könnte ein neuer Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran entbrennen, schließlich gehören die Houthis dem zaiditischen Islam, einer Strömung innerhalb der Schia, an. Tatsächlich ist über die Hintergründe des Konflikts und die Motive der Houthis auch nach fünf Jahren wenig bekannt. Nach eigener Darstellung versteht sich die Bewegung als Bewahrer der zaiditischen Identität des Jemen gegenüber der sunnitischen Mehrheit. Etwa jeder 5. Jemenit gehört dem zaiditischen Islam an.

Die Regierung in Sanaa beschuldigt die Aufständischen seit Jahren, von Iran unterstützt zu werden und eine islamische Revolution nach iranischem Vorbild zu planen. Schlüssige Beweise hierfür wurden bislang nicht vorgelegt. Tatsächlich scheinen die Houthi-Rebellen weniger von einer Ideologie, als von der Unzufriedenheit mit einem kaum funktionsfähigen Staat getrieben zu sein. Die Houthis, benannt nach ihrem Anführer Abdul-Malik al-Houthi, fühlen sich im Jemen – ohnehin das Armenhaus der Arabischen Halbinsel – als Untertanen zweiter Klasse, die in einem Staat der auf Korruption und Vetternwirtschaft aufgebaut ist, an den Rand gedrängt werden. Die Unzufriedenheit mit der außenpolitischen Ausrichtung des Landes und der engen Anbindung an das streng sunnitische Saudi-Arabien scheint allenfalls eine Nebenrolle zu spielen.

Saudi-Arabiens Motive für das Eingreifen in diesen inner-jemenitischen Konflikt liegen bislang im Dunkeln. Nach offizieller Darstellung fürchtet Riyadh eine Destabilisierung des südlichen Nachbarn. Mit den Luftschlägen im Nordjemen, läuft man jedoch Gefahr genau diese Destabilisierung zu befeuern. Die Regierung unter Jemens Präsidenten Ali Abdullah Salih droht so weiter an Legitimation zu verlieren und al-Qaida könnte weiteren Nährboden im von Konflikten zermürbten Jemen finden. Dies könnte dann auch alsbald auf Saudi-Arabien zurückfallen, schließlich vermag niemand die über 1000 Kilometer lange Grenze zwischen beiden Staaten verlässlich zu kontrollieren.

Auch im entgegen gesetzten Ende des Landes, im Südjemen, geht die Regierung mit großer Härte gegen innenpolitische Gegner vor. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch legte in dieser Woche einen Bericht vor, in dem die Sicherheitskräfte beschuldigt werden, bei mehreren Demonstrationen mindestens 11 Protestler erschossen zu haben. Im Namen der Nationalen Einheit werden Grundrechte, wie die Versammlungs- und Meinungsfreiheit verletzt, so der Vorwurf von HRW. Jemens Regierung wies diese Anschuldigungen zurück und ließ Informationsminister Hasan al-Lawzi erklären: „Der Jemen ist ein demokratischer Staat, der die Pressefreiheit fördert und Menschenrechte achtet.“