15.12.2012
Israel loves Iran. Oder: Die Sprache der Bilder

„Israel loves Iran“ – unter diesem Slogan veröffentlichte Ronny Edry im März 2012 ein Foto von sich und seiner Tochter auf Facebook. Eine Botschaft an die Menschen in Iran wie Israel – und ein Statement gegen die Kriegsrhetorik der israelischen Regierung. Der Eintrag auf Facebook inspirierte Hunderttausende dazu, selbst Bilder mit der Nachricht zu posten. Aus dem Post wurde eine Kampagne. Ein Gespräch mit Ronny Edry zur mächtigen Sprache der Bilder – und warum Bilder von Bildern noch viel mächtiger sind.  

Dieser Beitrag ist Teil vier unseres Themenschwerpunkts Sprachlos?! Alle weiteren Texte finden Sie hier.
Das Bild, mit dem alles begann. Die israelische Flagge retuschierte Ronny nachträglich ins Bild.

 

Alsharq: „Israel loves Iran“ – wie ist diese Kampagne entstanden?

Ronny Edry: Das ganze begann mit einem Post von mir auf meiner persönlichen Facebook-Seite. Ich lud ein Bild hoch und ging schlafen – dass das ganze so groß würde, hätte ich nie erwartet. Menschen sahen meinen Eintrag und begannen selbst Bilder zu posten. Die Aktion verbreitete sich wie ein Lauffeuer. Sie gab den Menschen die Gelegenheit, Teil der Botschaft zu werden. Wir wiederholen einfach immer wieder die gleiche Message: „We love you“. Ziemlich dumm eigentlich, aber es muss gesagt werden! Das war wirklich das erste Mal, dass Israelis zu Iranern sagen: „Wir lieben Euch“. Mein erster Post war eigentlich der Angst geschuldet: Es sollte Krieg geben, und ich hatte das Gefühl, man fragt uns nicht einmal mehr, ob wir das unterstützen. Ich wollte mich dagegen äußern, und als Grafikdesigner war der Post eben meine Art, mich auszudrücken.

Und die Reaktionen?

Zu Beginn wurden wir viel kritisiert. Viele Israelis verstanden uns nicht, fragten: „Wie könnt ihr das sagen, zu Menschen, die ihr noch nie getroffen habt und die euch umbringen wollen?“ Ich sagte ihnen, ich sei mir da nicht so sicher: Ich habe nie Iraner getroffen, wie kann ich wissen, ob sie uns alle töten wollen? Also lasst uns den ersten Schritt machen, und schauen, was passiert. Und dann begannen die Iraner zu antworten, zu sagen: „We love you back!“ So erst wurde das ganze richtig groß: Als beide Seiten verstanden, dass auf der menschlichen Ebene doch alles okay ist, es keinen Grund für Krieg gibt. Nur, du weißt schon: Politik!

Gab es Reaktionen von offiziellen Stellen?

Nein, natürlich nicht! Führungspersönlichkeiten wollen immer diejenigen sein, deren Idee es war. Das gilt übrigens für alle politischen Richtungen. Die Rechte – da ist es klar, die teilt die Aussage nicht. Und die Linke – naja die Linken mögen vielleicht Frieden mit dem Iran wollen, aber sie wollen uns keine Anerkennung für unsere Kampagne zollen. Sie wollen die ersten gewesen sein, die es gesagt haben. Auf politischer Ebene hat nie jemand etwas zu der Kampagne gesagt. Es ist, als würde es für Politiker nicht stattfinden. Wirklich erstaunlich, denn es sind Millionen von Menschen, die sich beteiligen. Besonders gewundert hat mich zuerst, warum auch Friedensorganisationen nicht auf uns eingehen. Wir senden doch die gleiche Botschaft! Inzwischen habe ich verstanden warum: All diese Organisationen erhalten viel Geld für ihre Arbeit. Für sie ist unsere Aktion unbequem. Wir erreichen viel mehr als sie, ohne überhaupt Geld in die Hand nehmen zu müssen. Wir sind viel effektiver.

Du sagst, Ihr sendet die gleiche Botschaft. Doch sprecht Ihr dieselbe Sprache?

Mit unserer Aktion sprechen wir eine sehr einfache Sprache. Es sind Poster, ganz unkompliziert. Bilder haben ihre eigene Sprache. Man sagt, ein Bild sage mehr als tausend Worte – und das stimmt! Das ist die Kultur, in der wir leben. Wir leben in einer Bilder-, einer Foto-, einer One-Shot-Welt. Wir sehen jeden Tag eine Unmenge Bilder. Das muss man so anerkennen – und eben nutzen. Niemand möchte mehr lange Reden zum Frieden in Nahost hören, es langweilt die Menschen. Die Menschen haben vielleicht fünf Sekunden am Tag für Dich, also musst Du diese fünf Sekunden bestmöglich nutzen. Mach ein Poster, ansprechend, mit lächelnden Menschen darauf, und mit einer simplen Botschaft. Und mach das wieder und wieder. Es ist Massen-Werbung. Die Masse macht’s.

Geht in der Masse nicht auch etwas unter?

Vielleicht bleiben die Details auf der Strecke. Das ist aber erstmal kein Problem. Erst einmal muss die Kernaussage stehen: Wir lieben Euch. Wir sind gegen den Krieg. Wir wollen Frieden. Wir sind nicht bereit zu sterben. Mit solchen Statements gewinnst Du Aufmerksamkeit, regst vielleicht an zum Weiterlesen. Erst wenn Du jemandes Aufmerksamkeit hast, kannst Du ihm auch etwas mitteilen.

Was ist also das besondere an sozialen Netzwerken wie Facebook?

Sie sind wirklich demokratisch, niemand zensiert dich. Wenn jemand Deinen Eintrag mag, dann „liked“ er ihn. Wenn jemand ihn wirklich mag, dann teilt er ihn. Und dann sehen es seine Nachbarn und teilen es wieder. Und wenn das so funktioniert, dann verbreiten sich Botschaften unheimlich schnell. Wir haben Iran in weniger als 24 Stunden erreicht, das hätte über andere Medien nicht geklappt.

Nun sollen die Poster in den Straßen Tel Avivs erscheinen - und Bilder davon wiederum auf Facebook.

 

Facebook ist also sehr einfach. Aber sind nicht auch die Botschaften auf Facebook zu einfach, um wirklich ernst genommen zu werden? Nein, das hier ist ernst! Das ist ein ernster Schritt! Wenn ein Mensch in Iran auf seiner Facebook Seite etwas zu Israel postet, dann ist das für diese Person sehr ernst. Es ist simpel, aber es ist ernsthaft. Das ist immerhin dein persönliches Profil, Du möchtest doch dort ernst genommen werden. Da postest Du nicht irgendetwas. Es ist ein bisschen wie ein Tagebuch, Du postest hier und da etwas, eben deine Möglichkeit die Welt anzusprechen.

Dein neuestes Vorhaben ist es, die Poster auf Busse zu drucken. Damit würden die Bilder aus dem virtuellen in den wirklichen, öffentlichen Raum übertragen. Was macht hier den Unterschied?

Es gibt keinen großen Unterschied. Eigentlich ist es nur ein Weg, mehr Bilder für Facebook zu bekommen. Wenn auf den Bussen in Tel Aviv die Bilder von Iranern, Palästinensern, Ägyptern zu sehen sind, die sagen: „Hey Dude, we are with you. Give Peace a chance“, dann ist das eine starke Botschaft. Es ist der ‚Feind’, der Dich dazu auffordert, alles noch einmal zu überdenken. Wir bringen die Poster auf die Straßen und dann stellen wir Bilder davon wieder auf Facebook. Das macht es irgendwie wirklicher, es passiert immerhin auf den Straßen. Und damit vergrößern wir die Aufmerksamkeit auf Facebook, denn das ist ein viel bedeutsameres Statement.

Vielen Dank für das Gespräch!

 

Ronnys Kampagne hat inzwischen eine eigene Webseite: www.israelovesiran.com.

Lea ist seit 2011 bei Alsharq. Sie hat Internationale Politik und Geschichte in Bremen und London (SOAS) studiert und arbeitet seitdem als Journalistin. Mehrere Jahre hat sie in Israel und Palästina gelebt und dort auch Alsharq-Reisen geleitet. Lea ist heute Redakteurin bei der Wochenzeitung Die Zeit.