Die Beurteilung der Hizbullah und ihrer Rolle im derzeitigen Bombenkrieg gegen den Libanon bringt die islamistischen Parteien in der arabischen Welt weiter auf Konfrontationskurs mit den außenpolitisch gemäßigten Regimen.
In den letzten Wochen hatten sowohl die ägyptische wie auch die saudische Regierung die Eskalation der Gewalt gegen den Libanon verurteilt, der Hizbullah aber auch eine nicht unerhebliche Teilschuld angelastet. Dass man sich von seiten islamistischer Parteien, wie den Muslimbrüdern, den Vorwurf der Kapitulation vor dem Westen und mangelnder Solidarität einhandeln würde, war abzusehen. Doch letzte Woche ging die saudische Führung noch einen Schritt weiter: Der politischen Verurteilung der Hizbullah folgte nun die religiöse Brandmarkung:
„Es ist nicht erlaubt, diese schiitische Partei zu unterstützen, unter ihrer Kontrolle zu operieren oder für ihren Sieg zu beten.“, heißt es in einer Fatwa des saudischen Rechtsgelehrten Sheikh Abdullah bin Jabreen, die vor wenigen Tagen veröffentlicht wurde. Die Antwort der ägyptischen Muslimbrüder, die vorbehaltlos hinter der Hizbullah stehen, folgte prompt. So mutmaßte Muhammad Mahdi Akif, einer der Anführer der Organisation, dass wohl einige Leute versuchen würden alte Spannungen zwischen Sunna und Schia wiederzubeleben.
Ähnlich äußerte sich sein Kollege Muhammad Habib gegenüber Reuters:“ Die Fatwa vermittelt den Eindruck, dass es eine schiitische Gefahr gibt, die die Region bedroht, und zur Spaltung der arabischen und muslimischen Welt führt.“
Zwar ist die wahhabitische Ausrichtung des Islams in Saudi-Arabien für seine traditionell feindliche Haltung gegenüber den Schiiten bekannt, eine derart offene Verurteilung für die Hizbullah hatte es aber bisher in dieser Form noch nicht gegeben. Da sich Saudi-Arabien selber als führende Regionalmacht im Nahen Osten sieht, ist dies zugleich als ein Zeichen in Richtung des größten Gegenspielers Iran zu verstehen, dessen negativer Einfluss auf die Region zurückgedrängt werden soll. Schon vor einem halben Jahr beispielsweise sahen sich die saudischen Veranstalter der Islamischen Gipfelkonferenz dazu gezwungen, die antisemitischen Ausfälle des iranischen Präsidenten Ahmadinejad zurückzuweisen.
Ökonomische Überlegungen stellen indes einen weiterer wichtige Faktor in der saudischen Beurteilung der Lage dar. Ebenso wie der jetzige libanesische Premier Fouad Siniora verfügte ja auch der ermordete Ministerpräsident Rafiq Hariri über exzellente Kontakte ins Königreich. Nicht umsonst wurde 1990 im saudischen Ta `if das offizielle Ende des Krieges ausgehandelt. Es war vor allem saudisches Kapital, mit dem das Land, und dabei hauptsächlich Beirut, nach dem Bürgerkrieg wieder aufgebaut wurde. In den letzten turbulenten anderthalb Jahren erlebte die libanesische Wirtschaft schließlich einen moderaten Aufschwung, der auf weitere Kapitalinvestition, vor allem auch im boomenden Tourismussektor (Die meisten Touristen im Libanon kommen aus Saudi-Arabien) hoffen ließ.
Die destabilisierende Rolle der Hizbullah bedroht somit auch saudisches Geld und saudische Interessen politischer wie wirtschaftlicher Natur in der Region. Eine religiös verbrämte Verurteilung der Organisation allerdings, die auf den „schiitischen Charakter“ der Hizbullah rekurriert, ist wohl weniger als Antwort auf eben jene Verletzung von sehr materiellen Interessen zu sehen. Vielmehr erscheint es offenkundig als Versuch, der wachsenden Popularität der Hizbullah in weiten Teilen der Bevölkerung etwas religiös Autoratives entgegenzusetzen.