12.01.2015
Irandiplomatie im Zeichen der Krise mit Russland
Putin und Rohani verhandeln über das iranische Atomprogramm und den Syrien-Konflikt (Foto: kremlin.ru, Wikipedia, CC BY 3.0)
Putin und Rohani verhandeln über das iranische Atomprogramm und den Syrien-Konflikt (Foto: kremlin.ru, Wikipedia, CC BY 3.0)

Obwohl die Ukrainekrise so manch russisches Außenhandelsprojekt auf Eis legen dürfte, sind die Atomverhandlungen mit Iran eine der wenigen Ausnahmen, in denen eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Westen fortbesteht – nicht zuletzt aus Russlands eigenem sicherheitspolitischen Interesse. Von Moritz Pieper

Öl gegen Lebensmittel – ein Tauschhandel wie auf dem Schwarzmarkt. Das war die Losung eines geplanten Öl-Deals zwischen Russland und Iran, demzufolge Russland Erdöl aus Iran kaufen und dafür Maschinen, Bahnschienen und Lastkraftwagen liefern will. Das geplante Abkommen in Höhe von 20 Milliarden US-Dollar hatte im letzten Sommer vor dem Hintergrund der Atomverhandlungen mit Iran Vorwürfe nach sich gezogen, Russland arbeite an der Unterminierung bestehender Sanktionsregime bereits vor einer verhandelten Aufhebung der Sanktionen.

Bestehende Nuklearsanktionen, so sieht es das Genfer Interimsabkommen vom November 2013 vor, werden sukzessiv aufgehoben im Gegenzug für eine Reihe von Garantien für ein ausschließlich ziviles Nuklearprogramm Irans. Bevor ein solches Abkommen aber unterzeichnet wird, so mahnen westliche Staaten, gebe es keine Handelserleichterungen für Iran, die Sanktionsregime unterlaufen. Russland wolle sich mit einem solchen Tauschgeschäft, so die Lesart, schon einmal für das mittelfristige Szenario einer Zusammenarbeit mit Iran nach Abschluss eines Atomabkommens positionieren.

Als Grund ließe sich anführen, dass ein Atomabkommen und eine Aufhebung der Sanktionen die russische Monopolposition auf dem europäischen Energiemarkt gefährdeten. Nicht wenige zweifeln deshalb Russlands Interesse an einer langfristigen Lösung des Atomstreits an. Iran könnte im Falle normalisierter wirtschaftlicher Beziehungen ein energiepolitischer Rivale Russlands auf dem europäischen Markt werden. Eine frühzeitige Festigung von Handelskooperationen zwischen Russland und Iran könnte dieser Logik zufolge gemeinsame, statt konfliktive, Energieinteressen auf- und ausbauen. Die russische Bereitschaft, neben dem von Russland fertiggestellten und betriebenen Atomkraftwerk in Bushehr am Persischen Golf acht zusätzliche Reaktoren zu bauen und die dafür nötigen Brennstäbe zu liefern, entspricht dem gleichen Denkmuster.

Sanktionen als Anlass zur Verhaltensänderung?

Dabei würde ein bilateraler Tauschhandel nicht grundsätzlich gegen bestehende UN-Sanktionen verstoßen, sondern gegen unilaterale US-Sanktionen. Die EU hatte im Juli 2012 ein Ölembargo gegen iranisches Rohöl beschlossen, um die iranische Wirtschaft als politisches Druckmittel zu schwächen, und verhängte damit einen Einfuhrstopp gegen sich selbst. Die US Regierung aber hatte 2010 mit dem „Comprehensive Iran Sanctions, Accountability, and Divestment Act“ (CISADA) bereits unilaterale Sanktionen erlassen, unter denen Drittländer sanktioniert werden, die iranische Ölprodukte importieren. Ein russischer Import iranischen Öls im Zuge eines solchen Tauschgeschäftes würde daher zu politischen Verstimmungen zwischen Russland und den USA, und schließlich der Verhängung von Strafzahlungen, führen.

Nun ließe sich einwenden, die derzeitige Eiszeit zwischen Russland und dem Westen mache diese Überlegungen hinfällig. Noch weniger Kooperation mit Russland ist kaum vorstellbar, und Moskau sieht sich im Übrigen nicht an Sanktionen gebunden, die außerhalb des UN-Sicherheitsrates verabschiedet wurden. Multilaterale Iransanktionen seit 2006 hat Russland als ständiges Sicherheitsratsmitglied mit verabschiedet – zuletzt Resolution 1929 im Juni 2010, die bis dato härteste Sanktionsrunde gegen Iran. Das russische Außenministerium betont aber regelmäßig, dass darüber hinausgehende unilaterale Sanktionen von Russland als völkerrechtlich nicht legitimiert angesehen und daher nicht befolgt werden müssen.

Ob nun außenpolitischer Bluff Putins oder nicht: Was Szenarien von Tauschgeschäften wie den erwähnten Öl-Deal zur Zeit unwahrscheinlich macht, sind nicht etwaige Einwände westlicher Dialogpartner, sondern vielmehr die makroökonomische Achterbahnfahrt, die die russische Wirtschaft aufgrund verhängter westlicher Sanktionen im Zuge der Ukrainekrise in die Knie zwingt sowie, und dieses Argument wiegt ungleich schwerer, ein historisch niedriger Ölpreis von derzeit 50 US-Dollar pro Barrel. Angesichts des Loches, das dieser in den Haushalt einer so eindimensional auf Energieexport ausgerichteten russischen Volkswirtschaft reißt, wäre der zusätzliche Import iranischen Öls – die Rede war von 500.000 Barrel Öl pro Tag – nicht nur überflüssige Symbolpolitik, sondern wirtschaftspolitisch unvernüftig.

Auswirkungen der Ukrainekrise

Im Gegensatz zu den EU- und US-Sanktionen gegen Russland, die größtenteils symbolischen Wert haben und eher dialogerschwerende Wirkung zeigen, ist die Ölpreisdynamik ein äußert sensibler Punkt für Russlands Außenhandelsstragie. Die Ukrainekrise hatte die ohnehin prekären Beziehungen zwischen Russland und dem Westen dramatisch verschlechtert. Prophezeiungen eines „neuen Kalten Krieges“ aber sind vorschnell, unsachlich und nicht hilftreich.

Trotz des Abbruchs vieler notwendiger Gesprächskanäle und der Suspendierung der Kooperation mit Russland in internationalen Gruppierungen und Gremien (Ausschluss aus der G-8 Gruppe, Suspendierung der Arbeit im NATO-Russlandrat) ist die Zusammenarbeit mit Russland in den Atomgesprächen mit Iran überraschend konstruktiv geblieben und steht allein wie eine Insel im Strudel der Ereignisse, die jede Kooperation mit Russland mit sich niederzureißen droht.

Auch die öffentliche Andeutung des stellvertretenden Außenministers Sergei Rjabkov im März 2014, Russland könne angesichts des westlichen Drucks auf Moskaus Haltung im Ukrainekonflikt seine Position in den Irangesprächen überdenken, ist glücklicherweise die politische Nebelkerze geblieben, als die man sie im Kontext der Ereignisse hat verstehen müssen.

Wie weiter?

Russland hat zwar nie die Aufregung westlicher Regierungen oder Unterstellungen hinsichtlich iranischer Bombenabsichten geteilt, teilt aber ein grundsätzliches Interesse, den Atomstreit mit Iran zu entschärfen und politisch zu lösen. Weder eine atomare Bewaffnung des Fastnachbarn Iran südlich des Kaukasus noch eine militärische Eskalation des Konflikts sind im Interesse Moskaus. Russland wird daher aller Voraussicht nach mit der Professionalität, die seine Diplomaten in den Atomverhandlungen bisher an den Tag gelegt haben, gemeinsam mit China, USA, Großbritanien, Frankreich, Deutschland (die sogennante P5+1 bzw. E3+3 Gruppe) und Iran an der Formulierung eines Abkommens bis Juli 2015 feilen. Ein politischer Rahmenvertrag soll, so wurde es in Wien im November vereinbart, bis März 2015 verhandelt werden.

Wie ein endgültiges Atomabkommen mit Iran auch aussehen wird, Russland wird sowohl in seiner Entstehung wie auch seiner Umsetzung eine große Rolle zukommen. Der Vorschlag, ein Element eines finalen Abkommens könne die russische Produktion von Brennstäben für den nuklearen Brennstoffkreislauf Irans darstellen, über den die New York Times Anfang November berichtete, war erneut Anlass für Spekulationen über eine Multilateralisierung des iranischen Brennstoffkreislaufs. Es bleibt abzuwarten, inwiefern ein solches Szenario noch realistisch ist angesichts iranischer Befindlichkeiten, was (tatsächliche und vermeintliche) Beschneidungen seiner souveränen Rechte angeht. Auch die Frage, wo und wie Uran angereichert werden darf, blieb hierbei vorerst ausgeklammert. Ungeachtet innenpolitischer Kritiker, ist die Bereitschaft der iranischen Regierung, sich über die Modalitäten des Brennstoffkreislaufs mit dem Westen zu einigen, seit der Wahl Hassan Rohanis zum Präsidenten unbestreitbar vorhanden. Eine Äußerung Rohanis aus dem Präsidentschaftswahlkampf fasst das prägnant zusammen: „Was nützt es, wenn die Zentrifugen sich drehen, aber die Räder iranischer Fabriken stillstehen?“

Ein Atomabkommen als Voraussetzung für neue Sicherheitsstrategien

Die regionalpolitische Bedeutung einer indirekten Aufwertung Irans durch ein Atomabkommen wird in Mediendebatten gerne überschätzt. Amerika und Iran werden über Nacht keine Freunde. Die Feindnarrative sind auf beiden Seiten über Jahrzehnte institutionalisiert worden; selbst die Aufhebung der Sanktionen wird sich vor dem Hintergrund des weitverzweigten Sanktionsgeflechts und innenpolitischer Hürden im US-Kongress als sehr komplex erweisen. Eine Lösung des Atomkonflikts aber ist Voraussetzung, um schrittweise und selektive Kooperationen mit Iran auf offizielle Ebene zu heben – ein gemeinsames Vorgehen gegen sunnitische Extremisten und den selbsternannten „Islamischen Staat“ ist hier nur ein Beispiel.

Zu viel steht auf dem Spiel, als dass die Atomverhandlungen scheitern dürften. Russlands Iranpolitik war immer eine Mischung aus kommerziellen Erwägungen, der Angst for Einflussverlust in der Region, und Russlands Verständnis als Großmacht auf Augenhöhe mit Amerika. Gerade zu einer Zeit, in der Sicherheitspolitik Hauptaugenmerk russischer Außenpolitik geworden ist, sollte Russland viel daran gelegen sein, zumindest diesen Konfliktherd eindämmen zu können. Eine stabile Sicherheitsarchitektur im Mittleren Osten ist in Russlands Interesse.

 

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