07.06.2017
Gründe für die Krise um Katar - es geht nicht nur um Trump, Saudi-Arabien und Iran
Von weiter weg betrachtet scheinen die Unterschiede nicht so bedeutend - aber tatsächlich erlebt Katar (der große Zipfel oben links) mit Saudi-Arabien (die Landmasse unten links), den Vereinigten Arabischen Emiraten (der Zipfel rechts) und Bahrain (die Insel über Katar) gerade eine ernste Krise. Nur scheinbar geht es um das Land unter den Wolken, Iran. Und Ägypten (nicht im Bild) mischt auch noch mit. Foto: Stuart Rankin/Flickr (cc-by nc 2.0)
Von weiter weg betrachtet scheinen die Unterschiede nicht so bedeutend - aber tatsächlich erlebt Katar (der große Zipfel oben links) mit Saudi-Arabien (die Landmasse unten links), den Vereinigten Arabischen Emiraten (der Zipfel rechts) und Bahrain (die Insel über Katar) gerade eine ernste Krise. Nur scheinbar geht es um das Land unter den Wolken, Iran. Und Ägypten (nicht im Bild) mischt auch noch mit. Foto: Stuart Rankin/Flickr (cc-by nc 2.0)

Die diplomatische Krise auf der Arabischen Halbinsel spitzt sich zu. Ägypten, Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Bahrain haben alle diplomatischen Beziehungen zu Katar abgebrochen. Die Ursachen dafür sind vielfältig, aber die Allianz der Katar-Gegner auch höchst zerbrechlich, analysiert Parham Kouloubandi.

Die Entscheidung der vier arabischen Staaten traf ihn völlig unerwartet, ließ der katarische Außenminister im Interview mit Al-Jazeera verlauten. Er zeigte sich besonders überrascht, dass die anderen Golfstaaten ihre Differenzen mit seiner Regierung bei den letzten gemeinsamen Versammlungen nicht angesprochen hatten, weder beim jährlichen Gipfeltreffen des Golfkooperationsrates (GCC) Anfang Mai in Manama, noch der Riad-Konferenz mit dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump kurz danach. Es scheint, als wäre Katar von der Entscheidung völlig überrumpelt wurden.

Dabei hatte sich eine Verschärfung der bereits seit längerem angespannten Beziehungen zwischen den Golfstaaten abgezeichnet. Das Ausmaß und die Härte der Reaktion überrascht zwar durchaus, aber das politische Klima auf der Arabischen Halbinsel war schon immer mehr von Konkurrenz als Einigkeit geprägt, besonders seit die kleineren Golfstaaten ihre Unabhängigkeit von Großbritannien im Schlüsseljahr 1971 erlangten. Man sollte insofern nicht den Fehler machen und die gegenwärtige Krise auf die im Diskurs omnipräsente iranisch-saudische Dialektik zurückführen, denn wenn die Situation um Katar eines zeigt, dann, dass der Mittlere Osten weitaus komplexer ist als dass ein rein binärer Ansatz das erklären könnte.

Dieser Artikel umreißt zunächst die Hintergründe des Konflikts und versucht anschließend, die jeweilige Situation jedes der der vier Allianz-Staaten einzuordnen und so zu zeigen, wie sich ihr Antagonismus gegenüber Katar begründet. Letztlich wird jedoch argumentiert, dass ihre Allianz aufgrund der vielen Differenzen in anderen politischen Fragen eher fragil ist und somit scheitern könnte.

Präludium zum Konflikt: Fake News

Trotz der – zumindest nach außen vorgetragenen – Überraschung des katarischen Außenministers bahnte sich bereits vor einer Woche ein erster Eklat am Golf an: Wenige Tage nach der Riad-Konferenz präsentierte die staatliche Nachrichtenagentur Katars einen Artikel auf ihrer Website. Darin wurde der amtierende Emir Thamim bin Hamad zitiert, wie er die aggressive Haltung anderer Staaten gegenüber Iran kritisierte, Teheran gar eine „stabilisierende“ regionale Macht nannte und die Hamas als „legitimen Vertreter der Palästinenser“ pries. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ließ keinen Zweifel, dass es als Antwort auf jene Aussagen gedacht war, die während der Konferenz von einigen Golfstaaten getroffen wurden.

Kurz nachdem der Bericht online ging, kam es zu ersten empörten Reaktionen seitens saudischer Medien. Die katarische Regierung ließ ihn zwar postwendend löschen und behauptete, dass ihre Nachrichtenagentur, zusammen mit einem offiziellen Twitteraccount der Regierung, Ziel von Hackerangriffen wurde, aber der Schaden ließ sich dadurch nicht mehr abwenden: Saudi-Arabien, Bahrain und die VAE blockten den Zugang zu katarischen Medien und kritisierten den Emir heftig. Bis heute beteuern die Medien zwar, dass der Bericht falsch ist und dem Emir erfundene Zitate zugeschrieben wurden, jedoch mit wenig Erfolg.

Interessanterweise blockierte die ägyptische Regierung am gleichen Tag mehrere Nachrichtenseiten, darunter Al-Jazeera, das von Katar aus sendet. Eine direkte Verbindung mit den angeblichen Aussagen von Katars Staatsoberhaupt lässt sich jedoch nicht herstellen. Ägypten vertritt keine starke anti-iranische Haltung – Ägyptens Präsident Abdel Fatah al-Sissi nannte in seiner Riad-Rede nicht einmal Iran. Zudem waren mehrheitlich ägyptische Medien betroffen. Es scheint also eher, als hätte Kairo die Gunst der Stunde nutzen wollen, um bereits vorher ins Visier genommene Webseiten unter geringer Aufmerksamkeit zu löschen.

Doch mit auffallend identischen Begründungen leiteten alle vier Staaten, Saudi-Arabien, Bahrain, die VAE und eben Ägypten Schritte gegen Katar ein und bezichtigten katarische Medien als Unterstützer des Terrorismus. Es waren die gleichen Staaten, die nun einen Schritt weitergingen und neben einzelnen katarischen Sendern und Webseiten das gesamte Land sanktionierten. Mit ebenjener Begründung: Doha unterstütze Terror und müsse deswegen bestraft werden.

Geopolitische Einordnung: Weit mehr als Iran-Saudi Arabien

Die schnellen und unter den Golfstaaten koordinierten Reaktionen auf die Hackerattacke setzen voraus, dass diese wenig mit dem Bericht an sich zu tun haben, sondern dieser letztlich nur der Katalysator bereits existierender Spannungen gewesen ist. Dabei hat jedes der vier Länder seine eigenen Gründe, seinen Disput mit Katar auf eine neue Ebene zu heben und mit einer bisher beispiellosen Schärfe zu führen. Mit Iran oder einem rein saudisch geführten Vorstoß hat dies nur bedingt zu tun, dafür ist die außenpolitische Ausrichtung der Staaten zu divers und sind ihre Beziehungen zu Katar zu komplex.

Ägypten

Die zwei Umstürze in Ägypten 2011 und 2013 wirkten sich massiv auf die Außenpolitik des Landes aus: Mit der Wahl von Mohammed Mursi zum Präsidenten verfolgte Kairo zunächst einen eher islamistisch gefärbten Ansatz, baute unter anderem seine Kontakte zur Hamas und zu Teilen der syrischen Opposition aus. Besonders die Beziehungen mit der Türkei und Katar intensivierte Mursi während seiner Amtszeit, weshalb vor allem Doha ankündigte, große Summen in Ägypten zu investieren, um dem Land aus seiner finanziellen Notlage zu helfen. Länder wie Saudi-Arabien und die VAE standen dem neuen Ägypten eher kritisch bis ablehnend gegenüber, wie später gezeigt wird.

Mit dem Sturz von Mursi änderte sich die Konstellation nahezu komplett: Der neu an die Macht gekommene Präsident Abdel Fatah al-Sissi implementierte eine eher pragmatische Außenpolitik, womit die ägyptischen Beziehungen zur Türkei und Katar extrem unter Spannung gerieten, während Saudi-Arabien und die VAE ihre Verbindungen zu Kairo ausbauen konnten, auch durch Finanzhilfen. Besonders die Tatsache, dass al-Jazeera al-Sissis Machtübernahme als Putsch bezeichnete und ihn regelmäßig kritisierte, sorgte für Ärger. Als der ägyptische Präsident Ende April eine diplomatische Rundreise um den Golf startete, ließ er symbolisch einen Staat aus: Katar.

Saudi-Arabien

Auch wenn Riad in den Augen vieler Beobachter eine durch und durch islamistische Außenpolitik verfolgt, waren die Saudis mehr als glücklich, als das Militär Mursis Präsidentschaft jäh beendete, und boten direkt dem neuem Machthaber an, den frei gewordenen Platz Katars auszufüllen. Obgleich es auf den ersten Blick befremdlich scheinen mag, dass Saudi-Arabien als islamische Monarchie ein säkularen-ausgerichtetes Ägypten einem religiösen vorzieht, zeigt dies lediglich die Komplexität im Mittleren Osten, die weit über konfessionelle Ansätze hinausgeht.

Zwar sind Katar und Saudi-Arabien die einzigen Staaten weltweit, in denen der Wahabismus offizielle Staatsreligion ist, dennoch prägt eher Rivalität als Freundschaft ihre Beziehungen. Dies ging so weit, dass vor kurzem saudische Nachkommen des Ideologiegründers Abd al-Wahab forderten, dass Katars staatliche Moschee umbenannt werden solle, weil Doha vom Pfad des Wahabismus abgekommen sei. Ein schwerer Vorwurf.

Differenzen zwischen beiden Staaten nahmen mit der Amtsübernahme des Vaters des jetzigen Emirs von Katar im Jahr 1996 ihren Anfang. Hamid bin Khalifa nutzte den Ressourcenreichtum seines Landes, um eine aktivere außenpolitische Linie zu verfolgen, mit der es ihm gelang, sein kleines Emirat mit gerade 400.000 Staatsbürgern zu einem wichtigen politischen Akteur in der Region und einem bedeutenden wirtschaftlichen in der Welt zu formen. Dies ging jedoch auf Kosten der Beziehungen mit Riad. Saudi-Arabien, als die mit Abstand größte Nation auf der Arabischen Halbinsel, sah seine Rolle als Hegemonialmacht gefährdet durch ein aufstrebendes Katar. Die Saudis betrachteten den Golfkooperationsrat (GCC), 1981 gegründet, um die sechs Anrainer des Persischen Golfes zunächst von Iran und später einem aggressiven Irak abzuschirmen, als ein von ihnen angeführten Bündnis. Dohas politischer Alleingang missfiel dabei und stört Riad bis heute.

Bahrain

In Bahrain ging Saudi-Arabiens Kalkül hingegen besser auf. Die dortige al-Khalifa Herrscherfamilie ist im hohen Maße abhängig von Riad, besonders, da die Regierung eine diskriminierende Innenpolitik gegenüber der schiitischen Bevölkerungsmehrheit fährt und im Gegensatz zu den Nachbarstaaten innere Spannungen über keinen großen Ressourcenreichtum abfangen kann. Eine Protestbewegung im Jahr 2011, die sogenannte Perlenrevolution, konnte nur mit saudischen Truppen – unter dem Deckmantel der GCC – niedergeschlagen werden. Manama, ohne wirkliche Wahl, orientiert sich außenpolitisch nahezu vollständig an Riad.

Die Vereinigten Arabischen Emirate

Anders ist es mit den VAE. Die sieben Emirate konnten sich durch den Erdölboom eine relativ stabile Position aufbauen und stellen sich bei weitem unabhängiger von Saudi-Arabien auf als Bahrain, was sich unter anderem im Jemen sehen lässt. Das hat ihnen erlaubt, eine Art Handelszentrum des Persischen Golfes zu werden, wo Politik zweitrangig ist. Die Emirate Dubai und Abu Dhabi profitierten davon besonders, indem sie sich zu regionalen Umschlagplätzen entwickelten. Zusammen mit Oman sagt man ihnen die besten Beziehungen des GCC zu Iran nach, was sich unter anderem an der großen Zahl iranischer Unternehmen in den Emiraten widerspiegelt.

Obwohl die Politik der VAE dementsprechend in zwei Kernpunkten der saudischen zuwiderläuft, teilen sie die gleichen Differenzen gegenüber Katar. Dies hat mehrere Gründe, die sich einerseits als eine Art ökonomische Rivalität manifestieren, an ihrer Spitze über die konkurrierenden Fluglinien Dubais und Dohas – Emirates und Qatar Airways –, und sich im besonderen Maße über einen Kernaspekt definiert:

Die Furcht von den Muslimbrüdern

Der Grund für die gegenwärtige diplomatische Krise liegt bei allen vier Staaten bei Dohas Verbindungen zur Muslimbruderschaft, jener transnationalen sozialen Bewegung, die älter als die meisten arabischen Staaten ist. Sowohl Saudi-Arabien, Ägypten als auch die VAE haben teils massive Vorbehalte gegenüber den diversen Abspaltungen der Muslimbruderschaft und sehen sie als größte Gefahr für ihre Staaten an.

Ägyptens ehemaliger Präsident Mursi war bis zu seiner Amtsübernahme aktiver Muslimbruder und orientierte seine Politik an ihren Grundsätzen, womit er eine Neudefinition von Kairos regionaler Rolle durchsetzen wollte. Dementsprechend scharf reagierte das ägyptische Militär auf einige seiner Äußerungen in Bezug auf Syrien: Mursis Forderung, Assad solle gestürzt werden, wurde klar relativiert, als der Generalstab deutlich machte, dass Ägyptens Streitkräfte nur innerhalb der eigenen Grenzen eingesetzt werden sollen. Das Militär, immerhin so etwas wie die älteste politische Institution im Land, ist schon seit jeher Kontrahent der Muslimbruderschaft. Bis heute begründet al-Sissi seine repressive Innenpolitik mit der Gefahr, die von der Bruderschaft ausgeht. Darunter auch Maßnahmen wie das Blockieren von Medien.

Das verbindet Kairo mit Riad, wo man die Muslimbrüder ähnlich misstrauisch betrachtet. Denn obwohl diese zwar eine islamistische Agenda vertreten, steht diese diametral gegenüber der saudischen. Die Saudis definieren ihre Religion über ihren wahabitischen Klerus, der eng mit dem Königshaus verbunden ist und dementsprechend anti-monarchische Tendenzen ausklammert. Die Muslimbrüder hingegen, als eine Bewegung, die 1928 in Opposition zum ägyptischen König gegründet wurde, lehnt ein dynastisches Herrschaftsprinzip im Islam ab – und stellt damit die gesamte saudische Ordnung in Frage. Die Furcht Riads vor einem Wiederaufleben eines Islam nach den Prinzipien der Muslimbruderschaft, ist insofern essenziell begründet. In diesem Licht stand ihre letztliche Entscheidung 2014: Die Muslimbrüder wurden zur Terrororganisation erklärt.

Die VAE teilen eine ähnliche Furcht. Sie starteten kurz nach ihrer Unabhängigkeit eine vorsichtige Demokratisierung, in deren Folge sich ein Ableger der Muslimbruderschaft etablierte, die al-Islah-Partei. Diese wurde ursprünglich von ägyptischen Dissidenten, die vor Repressalien aus ihrem Heimatland flohen, gegründet und wuchs im Laufe der Jahrzehnte an Bedeutung und Größe. Nachdem ihre Anhänger begannen, die Emirate zu kritisieren und teilweise die Ordnung im Staat in Frage zu stellen, änderte sich die Politik der VAE: 2014 wurde die Islah endgültig verboten und mehrere Verfahren gegen angeblich militante Mitglieder gestartet. Die VAE verschärften ihre Politik gegen die Muslimbruderschaft und setzten als eines ihrer Grundprinzipien deren Bekämpfung innerhalb der Region.

Alle drei – respektive vier mit Bahrain – Staaten sehen Katar schon lange als Verbündeten der Muslimbrüder an, was Spannungen provozierte. Diese entluden sich besonders stark im März 2014: Damals zogen Saudi-Arabien, Bahrain und die VAE ihre Diplomaten aus Katar ab und unterbreiten Doha eine Liste mit Forderungen, die im Kern auf ihre Verbindungen mit der Muslimbruderschaft abzielten. Nach achtmonatiger Eiszeit zwischen den Staaten kam es zu einer Einigung, in deren Folge Katar einwilligte, einige Zugeständnisse zu machen. Unter anderem betrafen diese die Ausweisung von gesuchten Muslimbrüdern aus Saudi-Arabien und den VAE, die in Katar Unterschlupf fanden. Das war der Vorbote der jetzigen Krise, denn anscheinend erwiesen sich die versprochenen Konzessionen Dohas am Ende doch als leere Versprechen, weswegen die drei Golfstaaten, nun zusammen mit Ägypten, eine neue Offensive starteten. Diesmal allerdings mit schwereren Geschützen.

Katar und die Muslimbrüder

Dass diese vereinten Interessen nun in eine aggressive Haltung gegen Doha kulminieren, macht deutlich, wie ernst die Vorwürfe von verschiedenen Seiten gegen den Golfstaat sind. Dass Verbindungen zwischen Muslimbrüdern und Katar existieren, steht dabei außer Frage. Das Emirat reglementierte die Aktivitäten der Bruderschaft im Land zwar, erlaubte ihnen aber stattdessen, im Ausland relativ offen zu operieren. Dadurch erhoffte sich Katar, Einfluss in den regionalen Entwicklungen zu gewinnen. Mit Erfolg: Sowohl in Libyen als auch in Syrien etablierten sich Ableger der Muslimbrüder nach den Protestbewegungen von 2011, ebenfalls in Tunesien. Andere islamistisch-orientierte Gruppierungen, wie die Hamas als ehemaliger Ableger der ägyptischen Muslimbrüder, oder die Taliban eröffneten repräsentative Büros in Doha. Das kleine Katar stieg ein in den Machtkampf im Mittleren Osten.

Allerdings zu Lasten seiner Beziehungen mit seinen Nachbarn. Es kann sein, dass die gegenwärtige Blockade die Quittung wird, die Doha für seine autonome Außenpolitik zahlen muss. Andererseits verfügt Katar über ein gewisses Maß an Resilienz und hat immerhin über zwei wichtige US-Militärbasen im Land einen nicht zu unterschätzenden Hebel in der Hand. Dazu kommt: Die drei Staaten, die Druck auf Katar ausüben, sind untereinander alles andere als Verbündete, im Gegenteil.

Die Rivalität zwischen den verschiedenen Staaten auf der Arabischen Halbinsel und Ägypten ist Teil einer komplexen politischen Konstellation, die über die Muslimbruderschaft alleine weit hinausgeht. Sie betrifft mehrere Konfliktherde in der Region, die von den gegenwärtigen Spannungen betroffen sind. Zu welchem Ausmaß, ist ungewiss.

Libyen

Die rivalisierenden Machtpole im Land werden von verschiedenen Akteuren gestützt, die so versuchen, ihre außenpolitische Linie zu verfolgen. Während Katar das Milizenbündnis „Libysche Morgenröte“ zusammen mit der Türkei unterstützt, die sich aus ehemaligen Muslimbrüdern und Islamisten zusammensetzt und die Stadt Tripolis hält, versuchen Ägypten und die VAE über den ehemaligen Armeechef Khalifa Haftar in Tobruk den Einfluss der Gegenseite zu bekämpfen. Die VAE gingen sogar so weit und beteiligten sich militärisch aktiv in Libyen und flogen mehrfach Luftangriffe – zusammen mit Ägypten. Saudi-Arabien hielt sich hingegen zurück, besonders, weil Riad einen anderen Krieg in Eigenregie führt, der die volle Aufmerksamkeit benötigt:

Jemen

Die Konstellation im Land wird oftmals auf eine vereinfachte konfessionelle oder iranisch-saudische Dialektik heruntergebrochen – was eher oberflächlich ist. Die Lage im Jemen, geht weit über eindimensionale Ansätze hinaus. Wichtig in der jetzigen Betrachtung ist, dass zwar Saudi-Arabien die Militärkoalition im Land anführt und sowohl die VAE und Ägypten als auch bis vor seinem Ausschluss Katar Teil davon gewesen sind, aber die Ziele der Akteure sind sehr verschieden. Während Riad mit der Machtübernahme des neuen Königs bin Salman 2014 die Houthis als größeren Gegner ansah im Vergleich zum jemenitischen Zweig der Muslimbruderschaft und dementsprechend eine Annäherung an letztere unternahm, verfolgen die VAE ihre resolute Linie gegen diese auch im Jemen weiter. Die Folge: In Aden kam es zu Kämpfen zwischen Milizen, die von den beiden Golfstaaten unterstützt wurden. Katar und Ägypten auf der anderen Seite, die deutlich passiver im Jemen agierten, sind bei diesen internen Spannungen außen vor.

Andere Differenzen zwischen der nun geformten Allianz um Ägypten, Saudi-Arabien (zusammen mit Bahrain) und den VAE bestehen unter anderem in Syrien, wo die Lage jedoch nochmals komplexer ist als in Libyen und im Jemen. Klar sollte sein, dass die vier Staaten in Katar ein gemeinsames Interesse gefunden haben, aber sich gleichzeitig in anderen Punkten nicht einig sind. Ägypten hat mehr Differenzen mit der Türkei, Saudi-Arabien mit Iran, die VAE scheut sich nicht, Riad im Jemen zu brüskieren und Bahrain steht letztlich unter großen innenpolitischen Druck, auch ohne diplomatische Krise.

Die neu geformte Allianz gegen Katar kann zwar durchaus genug Druck aufbauen, um Zugeständnisse von Doha zu erreichen, allerdings divergieren ihre Positionen in anderen politischen Fragen mehr als dass sie konvergieren. Das könnte sie letztlich schwächen.

Die gegenwärtigen Golfspannungen sind insofern weit mehr als eine Entwicklung, die von Trump oder Iran motiviert wurde. Sie reicht viel tiefer und offenbart das Schisma in der Region, in der keine Situation eindimensional ist und man deswegen vorsichtig sein sollte, bevor man vereinfachende Erklärungsansätze versucht. Eines wird jedoch deutlich: Die Idee einer arabischen NATO, wie von Trump ins Spiel gebracht, scheitert schon kurz nachdem sie überhaupt erst vorgeschlagen wurde.

Parham Kouloubandi studiert an der Sciences Po in Paris International Security und beschäftigt sich hauptsächlich mit sicherheitspolitischen Fragen und zwischenstaatlichen Beziehungen in Westasien. Sein Fokus liegt auf bewaffneten Konflikten und Diplomatie, vor allem in Hinblick auf die UN. Er ist zudem als Berater für eine ägyptische...