09.02.2008
Großbritannien: Kontroverse um Einreiseverbot für Yusuf al-Qaradawi

Der ägyptische islamische Rechtsgelehrte Yusuf al-Qaradawi macht "die zionistische Lobby" dafür verantwortlich, dass ihm Großbritannien ein Einreisevisum für eine medizinische Behandlung in England verwährt. Das britische Innen- und Außenministerium hätte keine Einwände gegen Qaradawis Besuch gehabt, aber "es gibt die Neokonservativen, die zionistische Lobby und einige rechte Medienstationen", erklärte Qaradawi auf seiner Website. "Die zionistische Lobby übte großen Druck aus, um meinen Visaantrag abzulehnen und Premierminister Gordon Brown unterstützte schließlich diese Position."

Der 81-jährige Yusuf al-Qaradawi wurde in Ägypten geboren und engagierte sich dort in der Muslimbruderschaft. 1961 floh der Absolvent der Azhar-Universität in Kairo vor den Repressionen des Nasser-Regimes nach Qatar, wo er seither lebt und dessen Staatsbürgerschaft er besitzt. Heute gilt Qaradawi als eine der wichtigsten moralischen Instanzen des sunnitischen Islam. Über seine TV-Sendung "Die Scharia und das Leben", die von al-Jazeera ausgestarhlt wird, und durch die von ihm geführte Website IslamOnline spricht Qaradawi eine große Zahl an Muslimen in aller Welt an.

Dabei nimmt der Gelehrte immer wieder Positionen ein, die ihm gerade aus westlichen Staaten Kritik einbringen. So billigt er Selbstmordattentate gegen Ziele in Israel. Diese Märtyrerorperationen seien gerechtfertigt, da die gesamte israelische Gesellschaft militarisiert und jeder erwachsene Israeli ein Soldat sei, der das Besatzungsregime in Palästina stütze. Bei seinem letzten Besuch in London 2004 erklärte Qaradawi: "Eine israelische Frau ist nicht wie eine Frau in unseren Gesellschaften, weil sie eine Soldatin ist."

Homosexualität ist in Qaradawis Augen eine Sünde und "geschlechtliche Abartigkeit". Wie Prostitution sei Homosexualität mit 100 Peitschenhieben zu bestrafen. In seinem wichtigsten Buch und Bestseller "Erlaubtes und Verbotenes im Islam" erklärt der Mufti zudem die Todesstrafe für außerehelichen Geschlechtsverkehr, das Schlagen der Frau, sowie die Polygynie für zulässig.

Daneben sorgt Qaradawi, der seit 1996 Vorsitzender des "Europäischen Rates für Fatwa und Forschung" ist, des Öfteren durch vergleichsweise kuriose Rechtsgutachten, arabisch Fatwa, für Aufsehen. So erklärte er im Jahre 2003 das beliebte Videospiel Pokemon für unislamisch, da es die Evolutionstheorie propagiere und zionistische Symbole verwende. Außerdem könnten einige Ausrufe der Pokemon-Figuren als Sätze wie "Ich bin Jude" verstanden werden, auch wenn sich Qaradawi dessen nicht ganz sicher sei.

Muslimische Repräsentanten in Großbritannien kritisierten das Einreiseverbot für Qaradawi scharf, das eine Beleidigung für die 2 Millionen Muslime auf der Insel darstelle. Sie verwiesen darauf, dass Qaradawi die Anschläge in New York, Madrid und London verurteilte und erinnerten daran, dass Londons Bürgermeister Ken Livingston Qaradawi mit Papst Johannes XXIII verglich. In die gleich Kerbe schlug nun Mohammad Sawalha, Präsident der British Muslim Initiative (BMI): "Die negative Folge dieses Verbots ist nicht anders, als würde man dem Papst die Einreise in ein muslimisches Land verweigern."