Am 2. Dezember 2010 entscheidet das FIFA-Exekutivkomittee über die Vergabe der Fußballweltmeisterschaften 2018 und 2022. Mit Katar bewirbt sich erstmals ein Land aus dem Nahen Osten um die Ausrichtung des weltgrößten Fußballturniers. 2022 will das Emirat WM-Gastgeber sein.
Dem Golfstaat werden gute Chancen eingeräumt tatsächlich den Zuschlag zu erhalten. Dabei scheinen die Voraussetzungen Katars objektiv betrachtet nicht gerade ideal. Nur etwas mehr als eine Million Menschen leben auf der Halbinsel, die mit einer Fläche von 11.000 Quadratkilometern gerade einmal halb so groß ist wie das Bundesland Hessen. Zwar verspricht diese Konstellation eine WM der kurzen Wege, gleichzeitig scheint jedoch fraglich, dass das kleine Land und seine Infrastruktur dem zu erwartenden Besucheransturm gewachsen sein werden. Zum Vergleich: Die WM 2006 in Deutschland besuchten 1,4 Millionen ausländische Gäste.
Noch ungünstiger sind die klimatischen Bedingungen am Persischen Golf. Im Juni und Juli, also in jenen Monaten, in denen die Weltmeisterschaft ausgetragen wird, steigt das Thermometer dort auf über 40 Grad im Schatten – eine Tortur für Spieler und Fans. Katars Fußballverband gibt sich jedoch optimistisch, dieses Problem in den Griff zu kriegen. Die zwölf WM-Stadien sollen mit modernster Kühltechnologie ausgerüstet werden, die sicherstellen, dass die Temperatur innerhalb der Arenen 27 Grad Celsius nicht überschreitet – so steht es in den 750 Seiten starken Bewerbungsunterlagen, die der FIFA am vergangenen Wochenende in Zürich übergeben wurden.
Fünf Stadionprojekte stellten die Kataris bereits im März der Öffentlichkeit vor. Sämtliche Modelle wurden vom Frankfurter Architektenbüro Albert Speer & Partner entworfen. Die Arenen sollen jeweils ungefähr 45000 Zuschauern Platz bieten. Die Stadien sind mit Solarkollektoren ausgerüstet und orientieren sich architektonisch an orientalischen Vorbildern. Ein Teil der Sitzplätze soll nach dem Endspiel wieder zurückgebaut werden, da sich der Besucheransturm bei Katars Ligaspielen in Grenzen hält und im Schnitt nur wenige tausend Fans die Partien im Stadion verfolgen. Für ein WM-Finale fordert die FIFA jedoch eine Kapazität von 80000 Plätzen – unter den sieben noch zu konzipierenden Stadien muss also noch mindestens eine Großarena sein.
Bis zum Anpfiff des Eröffnungsspiels 2022 will Katar 43 Milliarden US-Dollar in die Infrastruktur des Landes investieren. 17 Milliarden Euro fließen in den Aufbau eines Schienennetzes. Den Zuschlag hierfür erhielt Ende letzten Jahres die Deutsche Bahn. Allein das U-Bahn-Netz der Hauptstadt Doha soll 340 Kilometer lang werden und alle zwölf WM-Stadien verbinden. Der internationale Flughafen wird derzeit für 9 Milliarden Dollar ausgebaut. 50 Millionen Passagiere sollen hier ab 2012 jährlich starten und landen. Noch in diesem Jahr soll der Bau einer 45 Kilometer langen Brücke beginnen, die Katar mit seinem Nachbarland Bahrain verbindet. 90000 Hotelbetten sollen den Fußballfans aus aller Welt zur Weltmeisterschaft zur Verfügung stehen.
Den Zuschlag für die Fußball-WM bekommt jedoch keineswegs zwangsläufig der Kandidat, der die Bewerbungsauflagen am besten erfüllt. Nur 24 Männer, die Mitglieder des FIFA-Exekutivkomittees, entscheiden letztlich über die Vergabe des Turniers. Innerhalb des Gremiums, dem auch Franz Beckenbauer angehört, gibt es verschiedene Fraktionen und Interessengruppen. Da zeitgleich mit der WM 2022 auch die WM 2018 vergeben wird, dürfte hinter den Kulissen noch mehr geklüngelt werden als üblich, nach dem Motto: »Wenn du mir hilfst die WM 2018 zu bekommen, helfe ich dir die WM 2022 zu kriegen.« Zusätzliche Brisanz erhält diese Gemengelage dadurch, dass im Sommer 2011 ein neuer FIFA-Präsident gewählt wird. Gerüchteweise will ein Kandidat aus Asien Amtsinhaber Sepp Blatter herausfordern – möglicherweise der Katari Mohammed Bin Hammam, der selbst im FIFA-Exekutivkomittee sitzt. Zu den Mitbewerbern um die WM-Ausrichtung gehören unter anderem England, die USA und Russland.
Katar versucht jedenfalls, sich die Unterstützung anderer Fußball-Entwicklungsländer zu sichern. Unter anderem verspricht das Bewerbungskomittee anderen Staaten sein Know-how hinsichtlich der Kühlung von Sportstadien zur Verfügung zu stellen. Nach dem Turnier sollen zudem 170000 mobile Sitzplätze aus den Arenen in Katar in Entwicklungsländer geschickt werden. Die Unterstützung der arabischen Welt ist dem Emirat ohnehin gewiss. Die arabische Fußballföderation lobte die Bewerbung bei ihrem letzten Treffen einstimmig – eine seltene Einigkeit in der arabischen Welt. In ihrem Bewerbungsschreiben heben auch die Kataris hervor, nicht nur für eine Million Landsleute, sondern für alle 400 Millionen Einwohner des fußballverrückten Nahen Ostens zu sprechen. Zudem will das Emirat mit dem WM-Turnier eine Brücke zwischen der arabischen Welt und dem Westen bauen. In knapp 200 Tagen entscheidet die FIFA, ob diese Vision Wirklichkeit wird.