Vom 30. November bis 12. Dezember 2023 findet die 28. Weltklimakonferenz in Dubai statt. Vor dem Hintergrund der geopolitischen Spannungen der letzten Monate stellt sich die Frage, welchen Stellenwert Klimapolitik international einnimmt.
Die 28. Weltklimakonferenz (Conference of the Parties, kurz COP) ist zugleich die fünfte, die in der WANA-Region stattfindet. Nach COPs in Doha (2012) und Marrakesch (2001 und 2016) wurde die letzte im vergangenen Jahr in Scharm el-Scheich in Ägypten ausgetragen. Dieses Jahr ist es mit den Vereinigten Arabischen Emiraten ein Golfstaat, der die internationale Staatenkonferenz beherbergen wird.
Einige Faktoren machen diese COP28 zu einer besonderen. Zum einen verdient der Ort der Austragung besondere politische Beachtung: Die Vereinigten Arabischen Emirate sind selbst ein wichtiger Öl- und Gasproduzent, die Wirtschaft ist in weiten Teilen von den Exporten dieser Energieträger abhängig und um diese herum strukturiert. Die Dekarbonisierung stellt das Land selbst daher vor wesentliche Herausforderungen, die vermutlich im Rahmen der COP mit anderen internationalen Akteuren aus Wirtschaft und Politik ausgehandelt werden.
Der Nexus von globalen Krisen, regionalen Konflikten und Klimaschutz
Zudem könnte das Thema Klimaschutz dieses Jahr aufgrund der Vielzahl an geopolitischen Konflikten für viele Staaten weniger relevant erscheinen. Auf globaler Ebene tragen andauernde Krisen wie der Krieg in der Ukraine weiter zu hoher Inflation und einer Schwächung der Weltwirtschaft bei, die den Handlungsspielraum vieler Länder für die Finanzierung neuer Projekte einschränkt. Weil die USA und EU-Mitgliedsstaaten während der andauernden Bombardierung des Gaza-Streifens Israel politische und militärische Unterstützung zusichern, haben verschiedene palästinensische Bewegungen des Weiteren zum Boykott der COP aufgerufen. Auch die Normalisierung der Beziehungen einiger WANA-Staaten zu Israel steht in der Kritik verschiedener aktivistischer Gruppen. Des Weiteren hat die Einladung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad dazu geführt, dass Aktivist:innen dessen Ausladung aufgrund der durch sein Regime begangenen Kriegsverbrechen fordern.
Nichtsdestotrotz ist es notwendig, sich vor Augen zu führen, dass geopolitische Krisen nicht vom Klimaschutz getrennt betrachtet werden können, sondern beide Dimensionen sogar eng miteinander verflochten sind: Wenn sich die Weltgemeinschaft nicht auf effektivere Maßnahmen zum Klimaschutz einigt, können Phänomene wie Wasserknappheit und Extremwetterereignisse Verteilungskämpfe weiter intensivieren. Der Zugang zu nachhaltiger Energie und resilienter Infrastruktur ist sowohl im Klimaschutz als auch in der Geopolitik ein zentrales Element für den Schutz von Zivilbevölkerungen. Die WANA-Region ist dabei von der Klimakrise besonders betroffen.
Eine ambitionierte Agenda und auseinanderdriftende Interessen
Bei der diesjährigen COP stehen wesentliche Entscheidungspunkte auf der Agenda. Viele Staaten rechnen damit, dass die Finanzierung des sogenannten Loss and Damage Fund beschlossen wird. Das Programm wurde bei der vergangenen COP beschlossen und soll Staaten des Globalen Nordens dazu verpflichten, für Klimaschäden in Ländern des Globalen Südens aufzukommen. Ein großer Streitpunkt ist nach wie vor, ob auch Schwellenländer wie China in den Fonds einzahlen oder stattdessen davon profitieren sollten. Kern der Debatte ist dabei, ob die historisch aufsummierten oder die aktuellen Emissionen entscheidend für die Einordnung sind.
Gleichzeitig erhoffen sich zivilgesellschaftliche Gruppen wie Nichtregierungsorganisationen zentrale Fortschritte beim Übergang zu erneuerbaren Energien, beispielsweise hinsichtlich grünen Wasserstoffs. Für dessen Produktion streben Staaten und wirtschaftliche Gruppierungen unter anderem die gegenseitige Anerkennung von Standards und Zertifizierungen an, die im Rahmen der Konferenz diskutiert werden sollen. Damit zusammenhängend erwarten politische Beobachter:innen auch, dass einige Staaten und multinationale – oft staatsnahe – Unternehmen zentrale Investitionsprogramme ankündigen werden. Die Golfstaaten mit ihren transnationalen Unternehmen wie ACWA Power oder Aramco, aber auch einige EU-Staaten und China wollen so ihre Positionierung als geoökonomische Player vorantreiben. Neben der Kooperation zum Schutz des Weltklimas schwingen eben immer auch Wettbewerb und Profilierung mit.
Fossile Kontinuitäten?
Bei allen lobenswerten klimapolitischen Ambitionen bleibt aber ein Elefant im Raum: Nutzen öl- und gasexportierende Staaten die COP dazu, um weiter fossile Energieträger zu fördern? Beim Blick auf die Organisator:innen der COP deutet Vieles darauf hin, dass diese Interessen stark vertreten sein werden. So ist der Vorsitzende der diesjährigen COP, Ahmed Al Jaber, nicht nur Minister für Industrie und Fortschrittstechnologien in den Vereinigten Arabischen Emiraten und im Präsidium von Masdar, einem Unternehmen für erneuerbare Energien, sondern auch Chef der Ölfirma Abu Dhabi National Oil Company (ADNOC). Öffentlich setzt sich Al Jaber für umstrittene Technologien wie Kernkraft und Carbon Capture and Storage ein. Bereits unmittelbar nach Vergabe der COP an die Vereinigten Arabischen Emirate hatten Aktivist:innen und Repräsentant:innen verschiedener Arbeitsgruppen dafür plädiert, dass sich Lobbyist:innen für fossile Energie kenntlich machen müssen.
Komplex werden die Verhandlungen auch rund um das Thema Wasserstoff. Bei wirklich grünem Wasserstoff werden ausschließlich erneuerbare Energien für die Elektrolyse verwendet. Wissenschaftler:innen wie Natalie Koch (Syracuse University New York) gehen allerdings davon aus, dass die Golfstaaten ein Interesse am Verkauf von blauem oder grauem Wasserstoff haben, der jeweils auf Gas oder CO2-Abscheidung beruht und damit weiterhin die Möglichkeit zur Förderung fossiler Energieträger lässt.
In diesem Sinne bleibt abzuwarten, ob die diesjährige COP tatsächliche Fortschritte im Bereich des Klimaschutzes bringt, oder ob bisherige Produktions- und Abhängigkeitsverhältnisse aufrechterhalten werden. Neben den geopolitischen Spannungen, die die COP überlagern, könnten auch Privatinteressen effektiven und langfristigen Klimaschutz verhindern.