Die Kommunalwahlen in Aegypten am 8.April werfen ihre Schatten voraus. Diese Schatten fallen momentan in erster Linie auf die groesste Oppositionsbewegung des Landes, die Muslimbrueder. In den letzten Wochen sind mehr als 700 Mitglieder der offiziell verbotenen, aber weithin tolerierten Organisation, verhaftet worden. Offenbar ist es nur 60 Muslimbruedern von den Behoerden gestettet worden, sich als Kandidaten fuer die landesweit insgesamt 4500 Lokalraeten aufstellen zu lassen. In Kairo selbst kommt man von all dem wenig mit. Stets dominieren Berichte ueber Praesident Husni Mubarak und die First Lady Suzanne die Titelseiten der staatlich kontrollierten Zeitungen. Die kleineren Proteste vor dem Innenministerium oder der Anwealtskammer fallen in dieser Millionenstadt ohnehin nicht auf.
Das rigide Vorgehen des aegyptischen Staates gegen die islamistische Opposition liegt weniger in der Gefahr die von dieser ausgeht, als in ihrer breiten Popularitaet im Volk begruendet. Bei den Parlamentswahlen 2005 schnitten ihre Kandidaten als "Unabhaengige" erstaunlich gut ab und gewannen trotz massiver Unregelmaessigkeiten 88 Mandate. Auch aus Angst vor einem weiteren Erfolg der "Ikhwan al-Muslimun" wurden die Kommunalwahlen mehrfach verschoben. Der jetzige Urnengang ist auch deshalb so wichtig, da nach einer Verfassungsaenderung ein kuenftiger Praesidentschaftskandidat die Unterstuetzung von 250 Parlaments- und Lokalratsmitgliedern haben muss um zur Wahl zugelassen zu werden.
Die Bruderschaft ist weit davon entfernt eine moderate islamisch-konservative politische Kraft zu sein - etwa wie die christdemokratischen Parteien die sich im 19. und 20.Jahrhundert in Europa entwickelten - gleichzeitig distanzierte sich die Gruppe stets von Bewegungen wie al-Qaida oder militanten islamistischen Gruppierungen in Aegypten wie der Gamaa Islamiya oder Takfir wa l-Higra.
Trotz der massiven Einschraenkungen und Verhaftungswellen, der sich die Muslimbrueder in den letzten Jahrzehnten immer wieder gegenueber sehen, bekennt sich die Gruppe zur Demokratie. Den bewaffneten Kampf gegen das aegyptische Regime lehnt sie ebenso ab wie grosse Demonstrationen die den Staat herausfordern koennten. Die persoenlichen Opfer, die die Fuehrungsriege fuer ihr Antreten bei den Wahlen der letzten Jahre brachte, legen den Schluss nahe, dass das Bekenntnis der Muslimbrueder zur Demokratie mehr ist als nur ein Lippenbekenntnis.
Dies soll nicht darueber hinwegtaeuschen, dass den Muslimbruedern ein Staatsideal vorschwebt, dass mit einer Demokratie nach westlichem Verstaendnis wenig gemein hat. Seit vergangenen Jahr kursiert ein Parteiprogramm, das die Einfuehrung eines Gremiums islamischer Rechtsgelehrter nach Vorbild des Waechterrats im Iran vorsieht. Dieser haette nach Vorstellung der Muslimbrueder die Befugnis jede Regierungsentscheidung zu blockieren. Diese argumentierten jedoch, es gehe ihnen in erster Linie darum, die Rolle der Azhar-Gelehrten zu minimieren, die ohnehin zu einem blossen Werkzeug der Regierung geworden seien. Der Rat der Ulama nach Vorstellung der Muslimbrueder wuerde immerhin vom Volk gewaehlt.
Als bislang einzige Partei haben die Muslimbrueder ein Wahlprogramm fuer die anstehenden Kommunalwahlen vorgelegt. Dieses stellt die Beduerfnisse der aegyptischen Unter- und Mittelschicht in den Mittelpunkt. Dazu zaehlen der Kampf gegen Korruption, Kampf gegen die steigenden Preise, die Verbesserung des Gesundheitssystems, der Ausbau des Strassensystems, groesserer Einsatz fuer die Belange der Jugend und Kampf gegen die Arbeitslosigkeit. Auch den Umweltschutz und den Einsatz fuer mehr Sauberkeit hat man sich auf die Fahnen geschrieben - nach dem Motto "Unsere Strasse / unser Dorf soll schoener werden" sollen Wettbewerbe das Erscheinungsbild Aegyptens verbessern.