23.09.2018
Die Iran-Contra-Affäre: Amerikanische Raketen für Teheran
Grafik: Mohammed Aouda für Alsharq
Grafik: Mohammed Aouda für Alsharq

Die USA und den Iran verband nach der Revolution 1979 eine erbitterte Feindschaft, dennoch lieferte die CIA in den 1980er Jahren dem Iran Waffen für den Krieg gegen den Irak. Mit den geheimen Lieferungen, die später als Iran-Contra-Affäre bekannt wurden, gerieten die Amerikaner mitten in einen internen Machtkampf im Iran.

Dieser Text ist Teil unserer Serie „Erinnerungskultur und Kontinuitäten – 30 Jahre Ende des Iran-Irak-Kriegs“, in der wir der Geschichte und den Nachwirkungen dieses achtjährigen Krieges nachspüren wollen. Alle Texte der Serie findest du hier.

Eine Bibel, ein Kuchen in Form eines Schlüssels sowie eine Ladung Panzer-Abwehr-Raketen – mit diesen Geschenken im Gepäck landeten die Amerikaner am 25. Mai 1986 in Teheran. Ihr Auftrag: Eine Annäherung an die iranische Regierung und die Befreiung der amerikanischen Geiseln der Hisbollah zu erreichen. Ihr Angebot: Den Iranern die dringend benötigten Waffen für den Krieg gegen Saddam Hussein zu liefern. Die Idee für den Plan stammte vom israelischen Geheimdienst. Der Deal selbst wurde hingegen von einem zweifelhaften Waffendealer vermittelt, den die CIA schon lange als nicht vertrauenswürdig eingestuft hatte. Das mutet heute wie ein überdrehter Politthriller an – und tat es auch damals.

Während das geheime Waffen-gegen-Geiseln-Geschäft auf amerikanischer Seite im Detail aufgeklärt wurde, wird die Affäre im Iran bis heute kaum thematisiert. Wer die Ereignisse verstehen will, ist auf die parteiischen Darstellungen von Beteiligten wie dem damaligen Parlamentspräsidenten Ali Akbar Rafsanjani, Geheimdienstminister Mohammed Reyshahri und dem designierten Nachfolger von Revolutionsführer Ayatollah Khomeini, Hossein-Ali Montazeri, angewiesen. Sie offenbaren eine heftige Kontroverse um den außenpolitischen Kurs, aber auch einen erbitterten Kampf um die Macht im Iran.

Als die US-Delegation unter Leitung des früheren Nationalen Sicherheitsberaters Robert McFarlane am 25. Mai 1986 in Teheran eintraf, war die Islamische Revolution gerade einmal sechs Jahre her. Die Besetzung der US-Botschaft durch radikale Islamisten und die folgende Geiselnahme hatten in Washington ein tiefes Trauma hinterlassen. Nicht weniger tief waren die Verletzungen bei den Iranern, die nicht vergessen hatten, wie die USA 1953 die demokratisch gewählte Regierung von Mohammed Mossadegh gestürzt -, und den Schah zurück an die Macht gebracht hatten.

Während die Iraner beim Freitagsgebet „Tod für Amerika“ und „Tod für Israel“ skandierten, verhängte die US-Regierung 1983 ein Waffenembargo gegen den Iran und drohte allen Ländern mit Sanktionen, die dagegen verstießen. Vor der Revolution hatte der Schah sein Land mit modernen Waffen aus dem Westen aufgerüstet, doch erwiesen sie sich als weitgehend nutzlos, als im September 1980 der irakische Machthaber Saddam Hussein den Iran überfiel. Denn mangels Nachschub an Munition und Ersatzteilen stand schon bald ein Großteil der amerikanischen Flugzeuge, Helikopter und Panzer still.

Streitpunkt Revolutionsexport

Während der Iran nur auf Umwegen und zu überhöhten Preisen an Waffen, Munition und Ersatzteile gelangte, wurde der Irak von der Sowjetunion, der Tschechoslowakei, China, Frankreich und den Golfstaaten unterstützt. Auch die USA lieferten Helikopter an den Irak, während westdeutsche Firmen Bestandteile für die Chemiewaffenproduktion beisteuerten. Der Westen war beunruhigt über die aggressive anti-westliche Agitation der Ayatollahs, die arabischen Monarchien sahen sich durch die iranische Rhetorik vom Export der Revolution direkt bedroht.

Die Befreiung der islamischen Welt war von Anbeginn das erklärte Ziel des neuen Regimes in Teheran. Neben bewaffneten Gruppen im Irak und am Golf, und schiitischen Milizen in Afghanistan, galt die Unterstützung vor allem der Hisbollah. Die schiitische Miliz war 1982 für den Kampf gegen die israelische Besatzung des Südlibanon gegründet worden und erregte bald mit blutigen Anschlägen auf amerikanische und französische Truppen in Beirut weltweit Aufsehen.

Die Unterstützung für die Hisbollah und andere „Befreiungsbewegungen“ lief über ein Büro der Revolutionsgarden in Teheran, das von Mehdi Hashemi und Mohammed Montazeri mit der Rückendeckung von dessen Vater Ayatollah Hossein-Ali Montazeri gegründet worden war. Der Geistliche war ein langjähriger Schüler und Vertrauter Khomeinis und hatte 1979 eine zentrale Rolle gespielt, das System der Herrschaft des Rechtsgelehrten in der Verfassung zu verankern. Im Juni 1985 wurde er zu Khomeinis designiertem Nachfolger als Revolutionsführer ernannt.

Montazeri war ein überzeugter Anhänger des Exports der Revolution – wenn nötig mit militärischen Mitteln. Andere Mitglieder der Führung hingegen, etwa der einflussreiche Parlamentspräsident Ali Akbar Rafsanjani, waren dafür, sich auf Propaganda zu beschränken, da der Versuch zum gewaltsamen Export der Revolution den Iran in der Region isoliert hatte. Unter dem Einfluss Rafsanjanis ordnete Khomeini im Juni 1985 in einem außenpolitischen Kurswechsel an, den Revolutionsexport zu beschränken und das Verhältnis zu den Nachbarn und dem Westen zu verbessern.

Geiseln gegen Waffen

Das größte Hindernis für eine Entspannung waren die Geiseln der Hisbollah. Seit 1984 hatte die Miliz im Libanon etliche westliche Bürger in ihre Gewalt gebracht, um eigene Mitglieder freizupressen oder andere Forderungen durchzusetzen. Die Geiselnahmen erregten in den USA großes Aufsehen und für die US-Regierung von Ronald Reagan war ihre Befreiung ein wichtiges Ziel. Zugleich befürchtete Reagan, dass die Sowjetunion ihren Einfluss in der Region ausweiten könnte und entschloss sich daher, eine Normalisierung mit dem Iran zu versuchen.

Die erste Idee für ein Waffengeschäft mit dem Iran stammte allerdings nicht aus den USA, sondern aus Israel. Zwar war der Iran für Israel ein Feind, doch fühlte es sich noch mehr von Saddam Hussein bedroht. Auf Initiative des israelischen Geheimdiensts wurde im April 1985 über den dubiosen iranischen Waffenhändler Manuchehr Ghorbanifar erstmals Kontakt zu Rafsanjani aufgenommen. Mit Billigung von US-Präsident Reagan wurden im August und September zwei Ladungen amerikanische Panzerabwehrraketen in den Iran geliefert.

Die Contra-Rebellen in Nicaragua waren eine konterrevolutionäre, paramilitärische Bewegung. Ihr Ziel war es, die im Juli 1979 an die Macht gekommene revolutionäre Regierung der „Sandinisten“ zu stürzen. Die Sandinisten rund um Daniel Ortega hatten die 43 Jahre währende und von den USA unterstützte Diktatur des Somoza-Clans gestürzt.

Ghorbanifar erklärte den Amerikanern, dass mit den Waffen die „moderate Fraktion“ im Kampf um die Macht gestärkt werden sollte, der nach dem Tod Khomeinis erwartet wurde. Da die USA und Israel kaum eigene Erkenntnisse zu den Machtverhältnissen im Iran hatten, wurde diese Darstellung lange nicht in Frage gestellt. Das Ziel, mit den Waffen die interne Machtbalance zugunsten der USA zu beeinflussen, wurde bald um die Idee ergänzt, damit die Freilassung der Geiseln der Hisbollah zu erreichen, wobei im November 1985 tatsächlich eine Geisel freikam.

Auf Initiative des US-Offiziers Oliver North wurden ohne Wissen Reagans Einnahmen aus dem Waffengeschäft mit dem Iran abgezweigt, um die rechten Contra-Rebellen in Nicaragua zu finanzieren. Was als vertrauensbildende Maßnahme begonnen hatte, wandelte sich so in kurzer Zeit zu einem komplexen Waffen-gegen-Geiseln-Geschäft mit einer Dimension, die sowohl den Iranern wie dem US-Präsidenten verborgen blieb. Da dies zu Komplikationen und Missverständnissen führte, wurde schließlich entschieden, direkte Gespräche in Teheran zu organisieren.

Überzogene Erwartungen

Als am 25. Mai 1986 die US-Delegation unter Leitung McFarlanes in Teheran eintraf, zeigte sich rasch, dass Ghorbanifar beiden Seiten mehr versprochen hatte, als er halten konnte. Die Amerikaner waren in dem Glauben nach Teheran gereist, mit Präsident Ali Khamenei, Regierungschef Mir Hossein Mussavi oder Parlamentspräsident Rafsanjani verhandeln zu können. Vor Ort erboste sich die amerikanische Delegation hingegen daran, als sie nur Politiker der dritten Reihe zu sprechen bekamen, darunter den heutigen Präsident Hassan Ruhani, der bei den Verhandlungen als Verbindung zu Rafsanjani diente.

Die Iraner ihrerseits erwarteten, über einen umfassenden Waffendeal zu sprechen, statt nur über einzelne Lieferungen. Auch hatten sie zurecht den Verdacht, dass die Amerikaner überhöhte Preise forderten, da sie daraus die nicaraguanischen Contras finanzieren wollten. Vor allem aber zeigte sich, dass die Gruppe um Rafsanjani keine wirkliche Kontrolle über die Geiseln der Hisbollah hatte. Nach drei Tagen reiste die US-Delegation daher mit leeren Händen wieder ab.

Trotz des Scheiterns der Gespräche wurden in den folgenden Monaten weitere Treffen in Deutschland organisiert, die zu weiteren Waffenlieferungen in den Iran führten. Für die Gruppe um Rafsanjani war aber klar, dass, um die Verhandlungen mit den USA zum Erfolg zu führen, sie die Geiseln der Hisbollah unter ihre Kontrolle bringen mussten. Und dafür mussten sie Mehdi Hashemis Organisation zur Unterstützung der „Befreiungsbewegungen“ ausschalten, die mit der Rückendeckung Montazeris weiter am bewaffneten Revolutionsexport festhielt.

Einen Störfaktor beseitigen

Auch Geheimdienstminister Mohammed Reyshahri und Khomeinis einflussreicher Sohn Ahmad wollten Hashemi schon lange loswerden. Ohne Hashemi, so ihr Kalkül, würde Montazeri leichter zu kontrollieren sein, wenn er nach dem Tod Khomeinis Revolutionsführer würde. Diese Aussicht bereitete ihnen auch deshalb Sorgen, weil Montazeri, trotz seiner radikalen Linie in der Außenpolitik im Innern für Mäßigung und Reformen eintrat. Schon lange drang er auf mehr Partizipation, weniger Repression und eine bessere Behandlung der politischen Gefangenen.

Vergeblich hatte Rafsanjani über Monate versucht, Montazeri zu überreden, Hashemi fallen zu lassen. Als die Hisbollah im September 1986 erneut zwei US-Bürger als Geiseln nahm, entschloss sich Rafsanjani zu handeln. Am 11. September wurde Hashemis Organisation in Teheran vom Geheimdienst durchsucht, und am 12. Oktober 1986 wurde Hashemi trotz der erbitterten Proteste Montazeris bei Khomeini festgenommen. Nach einem unter Folter erpressten Geständnis, wurde er zum Tode verurteilt und ebenso wie 14 Männer aus seinem Umfeld hingerichtet.

Doch wenn Rafsanjani gehofft hatte, mit dem Schlag gegen Hashemis Organisation den Weg für eine Einigung mit den USA frei zu machen, hatte er sich verkalkuliert. Denn kurz nach Hashemis Festnahme informierte ein Vertrauter die libanesische Zeitung Al-Shiraa über die geheimen Verhandlungen mit den USA, und am 3. November 1986 veröffentlichte das Blatt einen Artikel über den Besuch McFarlanes in Teheran. Der Artikel löste in den USA einen riesigen Skandal aus, der immer weitere Kreise zog, bis sogar Reagans Verbleib im Amt auf dem Spiel stand.

Im Iran sorgte die Enthüllung ebenfalls für Wirbel, doch erstickte Khomeini rasch jede weitere Debatte, so dass Rafsanjani die Affäre weitgehend unbeschadet überstand. Mit dem Waffen-gegen-Geisel-Geschäft war es aber vorbei. Statt zu einem Ausgleich mit den USA, führte Hashemis Festnahme letztlich zur Enthüllung der Verhandlungen. Dies zwang beide Seiten, zu einer harten Haltung zurückzukehren. Weitere Waffen gab es nicht und nach weiteren verlustreichen Kämpfen war Khomeini im Juli 1988 gezwungen, den „Giftbecher“ zu leeren und eine Waffenruhe mit dem Irak zu akzeptieren.

 

Der Autor: Ulrich von Schwerin hat zum iranischen Geistlichen und Dissidenten Ayatollah Hossein-Ali Montazeri promoviert (The Dissident Mullah: Ayatollah Montazeri and the Struggle for Reform in Revolutionary Iran) und berichtet heute als freier Journalist über die Türkei und den Iran aus Istanbul.

Artikel von Ulrich von Schwerin
Redigiert von Daniel Walter, Anna-Theresa Bachmann