26.05.2011
Deutsche Universität in Kairo: Vorzeigeprojekt am Pranger

von Sahra Gemeinder
Seit Monaten herrscht Aufruhr an der German University in Cairo. Horrende Gebühren, intransparente und autoritäre Strukturen bringen die Studenten auf die Barrikaden. Hinkt der deutsche Bildungsexport der Revolution hinterher?


Gefeiert als Vorzeigeprojekt ist die German University in Cairo (GUC) Deutschlands größter je da gewesener Bildungsexport. Derzeit studieren 8.400 Studenten auf dem 600 Hektar großen Campus, der seit seiner Eröffnung 2003 mit mehr als 3 Millionen Euro deutscher Steuergelder gefördert wird. Der ihm angeschlossene 40.000 Quadratmeter große Industriepark ist von besonderem Interesse für die deutsche Wirtschaft, soll er doch deutschen Firmen eine effektive Vernetzung von Forschung und Industrie, sowie eine stärkere Präsenz auf dem expandierenden arabischen Markt gewährleisten.

Geburtshelfer und deutsche Partneruniversitäten sind Ulm und Stuttgart. Bildungseliten soll die GUC produzieren, so Ashraf Mansour, Gründer der GUC, der seine Studenten 2005 in einem Interview mit dem Spiegel als »sehr aufgeweckte Leute« beschreibt, »die genau wissen, was um sie herum vorgeht, und die sich regelmäßig an politischen Debatten beteiligen.« Heute sind es diese aufgeweckten Studenten, die nach dem Sturz Mubaraks nun auch mehr Transparenz und politische Mitbestimmung an der GUC fordern.

Schon seit Jahren rumort es hinter den Kulissen der Kaderschmiede. Studenten beklagen sich über die schlechte Ausstattung der Hochschule, willkürliche Erhöhungen der Studiengebühren, Mangel an Transparenz und schlechtes Lehrpersonal. Selbst die wissenschaftlichen Mitarbeiter beschweren sich über Überlastung, schlechte Bezahlung, Knebelverträge und Mauscheleien bei Prüfungsergebnissen. Das Resultat dieser verfehlten Hochschulpolitik ist, dass viele deutsche wissenschaftliche Mitarbeiter fliehen. Von den einst versprochenen 50 Prozent deutschen Lehrpersonals sind gerade mal 20 Prozent übrig geblieben. Mitarbeiter, die eine solche Politik öffentlich anprangern, fliegen.

Demokratie in Ägypten, auch für die GUC?

 »Privat oder nicht. Ich hab ein Recht zu erfahren, was mit meinen Studiengebühren geschieht!« Ein Satz, den man auf dem GUC-Campus sehr häufig hört. »Funktionierende Studentenvertretungen erhalten jedes Jahr einen Finanzbericht. Eine Selbstverständlichkeit in Deutschland. Auch die Studentenvertretung der Uni Ulm erhält jedes Jahr einen Finanzbericht. Warum bekommen wir keinen Bericht?«

Deutsche Studenten, die ein Auslandssemester an der GUC verbringen, zahlen keine Studiengebühren. Ägyptische Studenten zahlen dafür doppelt. Die horrende Gebühr für die GUC-eigene Unterkunft in Ulm und dazu noch die Semesterstudiengebühren in Ägypten, die zwischen 5000 bis 7500 Euro im Jahr liegen, obwohl sie gar nicht anwesend sind. Selbst um verpasste Prüfung nachzuholen oder um ihre Noten einzusehen, müssen Studenten zahlen. Diese und viele andere Missstände entgehen den Studenten der GUC nicht: »Die American University in Cairo verlangt auch nicht für alles Extragebühren und geht nicht pleite. Sie verdienen so viel Geld an uns und was kriegen wir?«

»Man hat uns gesagt, dass die Zertifikate von den Universitäten Stuttgart und Ulm ausgestellt werden. Darum bin ich überhaupt hier und jetzt müssen wir selbst an unseren Partneruniversitäten Kurse bis hin zu ganzen Semestern wiederholen«, so der Tenor der Studenten.

»Die Universitätsleitung hat immer gesagt, man wolle eine studentische Opposition gegen das Mubarak-Regime auf dem Campus vermeiden«, erklärt Karim, 22, Student der Ingenieurwissenschaften, auf die Frage, warum in den acht Jahren seit Bestehen der GUC noch keine Studentenvertretung geformt wurde. »Selbst jetzt, wo Mubarak weg ist, hält die Leitung an ihrem Kurs fest. Sie haben sogar die Armee gerufen, um die Proteste aufzulösen. Sie haben behauptet, wir hätten auf dem Campus randaliert«, empört sich Karim weiter. »Alles, was wir wollten, ist eine Studentenvertretung, die auch etwas zu sagen hat!«

Karim schüttelt den Kopf: »Nein, nein an der GUC läuft einiges schief. Aber warum lassen sie es uns dann nicht verbessern? Alles, was wir zu hören kriegen, ist: Das ist eine private Universität. Wenn es dir nicht passt - geh. Das ist Autoritarismus.« Er beugt sich vor und fragt erbost: »Wusstest du, dass Ashraf Mansour fast ein ganzes Stockwerk besetzt, während wir seit Jahren auf eine anständige Bücherei warten?!«

Mubaraks Entourage sitzt an der GUC noch immer fest im Sattel

Dr. Ashraf Mansour, Gründer der hochgelobten GUC und Vorsitzender des Board of Trustees, promovierte und habilitierte an der Universität Ulm und ist dort auch Ehrensenator. Der  Träger des Bundesverdienstkreuzes steht im Zentrum der Kritik. Profitgier und Machterhalt werfen ihm seine Studenten vor. Einzig beschlussfähige Institution an der GUC, so die Studenten, sei Mansour. Manch einer sagt gar, man müsse die Universität umbenennen in »Ashraf Mansour-Universität«.

Die vehemente Weigerung seitens der Universitätsleitung, den Studenten ein Mitspracherecht zu gewährleisten, ruft bei Studenten Erinnerungen an das Ancien Régime wach. Weiß man doch in Ägypten, dass noch tausende von Mini-Mubaraks Ägyptens Institutionen besiedeln. Der Verdacht liegt nahe, zeigen sich doch tatsächlich Parallelen zwischen den Methoden der GUC und denen des alten Regimes. Man bespitzelt seine Studenten auf Twitter und Facebook, beschimpft und diffamiert demonstrierende Studenten, und wenn alles nichts hilft, schließt man sie aus.

Zudem sitzen im Board of Trustees neben zwei ehemaligen Ministern auch der Cousin des gestürzten Präsidenten Mubarak. Ehefrau Suzanne Mubarak erhielt die Ehrenbürgerwürde von Stuttgart für ihre Bemühungen um die Universität verliehen. Und während sich in ganz Ägypten die Menschen von den Mubarak-Bildern entledigen, die Ägyptens Straßen 30 Jahre lang beherrschten, wirbt die GUC auf ihrer Homepage noch immer stolz mit dem Konterfei des ehemaligen Präsidenten.
»Mir tut es um den Ruf der deutschen Bildung leid«

Nach langen Protesten gibt die GUC-Administration nun doch grünes Licht für eine Studentenvertretung. Aber nur unter strenger Aufsicht und mit Maulkorb. Die Statuten der neu entstehenden Studentenvertretung geben der GUC-Administration unbegrenzte Sanktionsmöglichkeiten bis hin zur Auflösung, unter anderem dann, wenn ein Vertreter der Studentenvertretung mit den Medien über die GUC spricht. Die Aufgaben der neuen Studentenvertretung, so die Hochschule, sei es, sich um Studientrips und kulturelle Angebote zu kümmern. »Um Studientrips kümmern sich Klubs. Studentenvertretungen sollen den Studenten eine Stimme im Aufsichtsrat und im Entscheidungsprozess der Universität geben. Es ist eine Organisation, die helfen soll, das Unileben zu verbessern«, schreibt ein Student der GUC auf seinem Blog, nach einem Treffen mit Hochschulvertretern.

Die Studenten haben alle beteiligten deutschen Stellen angeschrieben und im Board of Trustees der GUC sitzen neben dem deutschen Botschafter in Kairo der Wissenschaftsminister des Bundeslandes Baden-Württemberg, der Präsident des Stifterverbandes für die deutsche Wissenschaft und die Rektoren der beiden Patenuniversitäten Ulm und Stuttgart. Die Vorgänge auf dem Campus sollten demnach bekannt sein. Man übt sich wieder in milder Schelte. In einem Statement Mitte April lobt der deutsche Botschafter weiterhin die Errungenschaften der GUC, lobt das das Engagement der Studenten im ägyptischen Kampf für Demokratie und freut sich auf die neu entstehende Studentenvertretung.
Die Gefahr, dass die GUC bloße Auslandsfiliale wird, die ihrer studierenden Kundschaft lediglich das Label Germany verkauft, war bekannt, auch in Deutschland. Eine Universität nach deutschem Standard sollte die GUC sein. Am Ende bleiben die Vorwürfe an der Deutschen Universität in Kairo haften: schlechte Bildung, Profitgier und autoritärer Führungsstil.