16.11.2008
Bildungskonferenz in Tripoli

Vom 13.-15. November 2008 veranstaltete das Orient-Institut Beirut zusammen mit der Libanesischen Universität eine internationale Konferenz mit dem Titel Educational Systems in the Eastern Mediterranean:From Mamluk to Ottoman Rule(15th until the 18th Century) Als derzeitiger Praktikant am Orient-Institut habe ich diese Konferenz betreut, hier nun einige Einblicke zu Verlauf und Ergebnissen.

Schauplatz der Konferenz war die nordlibanesische Stadt Tripoli, genauer gesagt die Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften der Libanesischen Universität. Obwohl der hiesige Campus der chronisch unterfinanzierten staatlichen Universität in dem ihr typischen desolaten Zustand ist, versprüht er doch einen gewissen Charme, schließlich logiert man in dem alten Hauptquartier der französischen Mandatsmacht.

Während mein Mitpraktikant vor dem Vorlesungssaal den Bücherstand mit den Publikationen des Orient-Instituts betreut, kümmere ich mich um die Technik und lausche dabei den Vorträgen.

Schwerpunkte der Tagung sind u.a. verschiedene Arten und Inhalte von Bildungsvermittlung, die Entwicklung und Finanzierung von Medressen sowie das Verhältnis von Lehrenden und Schülern. Im wesentlichen handelt es sich um historische Abhandlungen, doch bald zeigt sich die aktuelle Brisanz einiger Themenkomplexe, die sich schwer auf das akademische Feld beschränken lassen.

Das gilt insbesondere für die osmanische Oberherrschaft über die Levante. Schon zu Beginn der Konferenz formulieren einige, vor allem deutsche Forscher, den expliziten Anspruch der Konferenz, die osmanische Epoche nicht bloß als Zeit von Unterdrückung und Dekadenz darzustellen. Doch das Diktum der osmanischen Tyrannei hält sich insbesondere bei den arabischen Teilnehmern. So entfaltet sich eine für dieses historische Thema seltsam anmutende Diskussion, die die Emotionen der älteren und sonst sehr beherrschten Herren teilweise überschäumen lässt. Während die arabischen Teilnehmer sich über die Idealisierung der osmanischen Epoche beschweren, sehen sich die türkischen Beitragenden genötigt, die positiven Seiten osmanischer Verwaltung hervorzuheben. Es wird deutlich, wie sehr die Osmanen selbst bei professionellen Historikern heute noch eher als negativer Bezugspunkt, denn als historisches Forschungsobjekt gesehen werden, wie sehr die moderne arabische Identität mit der Dämonisierung der Osmanen zusammenhängt.

In einer anderen Diskussionsrunde wirft ein Student die Frage nach nicht-sunnitischen Bildungseinrichtungen in den Raum und trifft damit einen wunden Punkt, schließlich verstehen alle Vortragenden unter islamischen Bildungseinrichtungen sunnitische. Zu meinem Erstaunen wird die Frage abgewürgt und nicht weiter behandelt, auch keinen der Teilnehmer scheint das zu stören. Beim gemeinsamen Abendessen frage ich einen Professor nach dem Vorfall. Obwohl er mir zunächst versichert, kein explizites Motiv zu vermuten, räumt er später hinter vorgehaltener Hand etwas anderes ein:"Erstens, sind wir hier in Tripoli, einer 100% sunnitischen Stadt. Außerdem ist es ja bekannt, dass es zwischen beiden Gruppen bis heute Spannungen gibt. Die schiitischen Bildungseinrichtungen gehören auch ins Bild, das stimmt, aber alles können wir hier nicht machen."

Neben der islamischen Bildung (mit oben stehender Einschränkung) soll auch die der anderen Religionsgemeinschaften im Blickpunkt stehen. Jedoch beschäftigt sich nur einer der fast 20 Vorträge mit dem Bildungswesen der griechisch-orthodoxen Kirche, jüdische Bildungseinrichtungen beispielsweise werden überhaupt nicht erwähnt.

Trotz dieser Kritikpunkte ließen sich einige interessante Erkenntnisse aus der Konferenz gewinnen. Beispielsweise, dass Bildung (nicht ausschließlich theologische) auch außerhalb fester Institutionen vermittelt werden konnte, dass sich das islamische Stiftungswesen (Waqf) relativ flexibel zur Studienfinanzierung nutzen ließ. Generell, dass das Bildungswesen sehr viel flexibler, vielfältiger und wandlungsfähiger war, als es das gängige Bild vom starren, unveränderlichen und dekadenten Orient glauben machen will.