28.01.2007
Beirut und Zahle - Fotos und Falangisten

Gestern Abend genehmigen wir uns unser Wochenendbier im "Moloko" in der Rue Monot. Normalerweise ist diese Straße der Place to Be im christlichen Teil Beiruts, heute Abend sind die Bars jedoch nur spärlich besucht, was daran liegt, dass in den vergangenen Wochen Viele diese Gegend wegen ihrer Nähe zu der Zeltstadt der Opposition meiden, da sie Ärger befürchten. Auch am gestrigen Abend machen Gerüchte ueber Zusammenstöße in Beirut Downtown die Runde, ob an ihnen was dran ist erfahren wir nicht.

Nach Ein Uhr machen wir uns durch menschenleere Straßen auf den Weg in unser neues Zuhause. Auf dem Weg dorthin fotografiere ich ein Poster unweit der Zeltstadt. Da die Qualität des Fotos jedoch miserabel ist, lösche ich es umgehend und wir gehen weiter. Nach wenigen hundert Metern bremst neben uns ein BMW mit quietschenden Reifen. Sieben oder acht Leute springen hastig aus selbigem hinaus und ehe wir die Situation richtig begriffen haben haben sie uns umzingelt. Der Anführer gibt uns zu verstehen, dass ich meine Digitalkamera herausrücken soll, er vermutet, wir hätten irgendetwas ausspioniert. Nur mit Mühe gelingt es die aufgebrachten Amal-Anhänger davon zu überzeugen, dass dies nicht meine Absicht war und das Foto bereits gelöscht wurde.

Als er seinen Fehler einsieht, besteht der Anführer, der einige Jahre in Bensheim gelebt hat, darauf uns die letzten Meter im Auto nach Hause zu fahren, seine Begleiter müssen den Rückweg zu Fuß antreten. Er entschuldigt sich tausendmal und erklärt, man habe uns zunächst für Anhänger des Regierungslagers gehalten. Zum Abschied küsst er mich auf die Schulter.

Heute Morgen wollen wir den Gottesdienst der evangelischen Gemeinde besuchen. Wir verspäten uns um einige Minuten, da sich die Kirche in unmittelbarer Nähe des Regierungspalastes befindet. Die Gegend ist durch mehrere Reihen Nato-Draht gesichert und der Eingang in das Viertel nur an bestimmten Stellen möglich. Im Kirchhof hat die libanesische Armee ein provisorisches Lager errichtet, einige Soldaten dösen auf Pritschen vor sich hin, andere spielen Karten.

Der Gottesdienst wird geleitet von Habib Badr, dem Oberhaupt der evangelischen Kirche in Syrien und Libanon. Die evangelische Kirche im Libanon zählt etwa 10000 Mitglieder; zu dem Gottesdienst in der National Evangelical Church kommen knapp hundert Gläubige, zumeist in der 2.Lebenshälfte. Die Predigt handelt von der Hoffnung und der Forderung das Evangelium an jedem Ort zu leben.Die Gemeinde betet fuer Frieden in Palästina und Irak, aber nicht zuletzt auch für Frieden im eigenen Land.

Zum Mittag sind wir bei Reverend Riad Kassis in der Bekaa-Stadt Zahle eingeladen. Natürlich kommt auch hier das Gespräch schnell zur aktuellen Lage im Libanon. Kassis sieht Neuwahlen als einzigen Ausweg aus der festgefahrenen Lage. Wenn die Opposition wirklich in der Minderheit sei wie dies von Vertretern des Regierungslagers immer wieder betont wird, dann bräuchte dieses Neuwahlen nicht zu fürchten. Es sei nunmal eine Tatsache, dass nach dem Rücktritt aller schiitischer und einiger christlicher Minister weite Teile der Bevölkerung nicht mehr in der Regierung vertreten seien. Darüber dürften Premierminister Siniora aber auch die ihn stützenden westlichen Regierungen nicht einfach hinweg sehen. Zudem unternehme die Regierung nichts um der grassierenden Korruption Einhalt zu gebieten, die die Wurzel allen Übels in der libanesischen Politik darstelle.

Kassis kritisiert die politische Uneinigkeit der christlichen Libanesen. Der größere Teil unterstützt die mit der Hizbollah alliierte Bewegung General Aouns, andere folgen den Lebanese Forces von Samir Geagea. Die Motive hierfür sind vielfältig. Vielen Christen steht die Hizbollah näher. Zum einen ist diese der Korruption unverdächtig und zum anderen erscheinen die Schiiten vielen Christen gegenüber offener zu sein als Libanons Sunniten. Dennoch folgen viele Christen dem ehemaligen Warlord Samir Geagea, auch aus Angst, die Hizbollah könne doch noch die Errichtung eines schiitischen Gottesstaats nach iranischem Vorbild anstreben.

Später unternehmen wir einen kleinen Spaziergang durch Zahle, einen Ort in dem 99% der Einwohner einer der christlichen Konfessionen angehören und der damit das Zentrum des Christentums in der Bekaa-Ebene darstellt. Wir verharren kurz vor dem örtlichen Büro der Kataib und werden freundlich hineingebeten. Die Kataib, inspiriert von Francos spanischen Falangisten, vertreten hauptsächlich die libanesischen Maroniten. Während des Bürgerkriegs waren sie zeitweise Verbündete Israels. Als solche waren ihre Mitglieder auch an den Massakern in den palästinensichen Flüchtlingslagern in Sabra und Chatila beteiligt. Heute sind sie als einfache politische Partei im Parlament vertreten und gehören dem Regierungsbündnis an.

Die Wände des kleine Parteibüros in Zahle schmücken Bilder der verschiedenen Vertreter der Familie Gemayel, die die Geschichte der Partei massgeblich prägten. Die Differenzen mit der Hizbollah gibt der 36-Jährige Ghassan wie folgt wieder.: "Wir lieben das Leben, die Hizbollah liebt das Töten. Wir bringen unseren Kindern bei in die Kirche zu gehen , die Hizbollah bringt den Kindern bei zu schießen." Die Leerstelle die Syrien hinterließ werde nun von der Hizbollah ausgefüllt. Im Grunde gehe es der Opposition nur darum einen Krieg vom Zaun zu brechen um ein Gerichtsverfahren gegen die Mörder von Rafik Hariri, George Hawi, Samir Kassir, Pierre Gemayel und allen anderen zu verhindern. Sein Vater, der während des Bürgerkriegs eine gutgehende Waffen- und Munitionsfabrik führte, erklärt stolz.: "Ich bin zwar 72, aber ich kann immer noch kämpfen."