Etwas mehr als 2 Stunden dauert die etwa 15 Kilometer lange Fahrt durch den dichten Feierabendverkehr von Muhandessin bis nach Medinat al-Nasr, zum Cairo International Stadium. Dort traf gestern der frisch gekuerte Afrikameister Aegypten auf das laut FIFA-Weltrangliste beste Nationalteam der Welt, Argentinien. Praktisch an jeder Strassenkreuzung stehen Maenner mit schwarz-weiss-roten Peruecken, die den Autofahrern aegyptische Fahnen verkaufen wollen.
Das Cairo International Stadium ist das groesste Stadion des Landes. Hier traegt auch der beliebteste Fussballklub Aegyptens, al-Ahly, einen Teil seiner Heimspiele aus. Die "Ultras Ahlawy", die den harte Kern der Ahly-Fans bilden, haben in Graffitti ihre Spuren hinterlassen. Die Ultra-Kultur hat im Lauf des letzten Jahrzehnts ihren Weg in praktisch alle Fankurven des europaeischen Festlandes gefunden und ist in den vergangenen Jahren offenbar auch nach Aegypten geschwappt. Mit ihr auch bekannte Slogans wie "A.C.A.B." (All Cops are Bastards) oder "Liberta per gli Ultras", die auf die Stadionmauern gesprueht wurden. Letztere Losung duerfte hier zwar von kaum jemandem verstanden werden, scheint aber universal zur Ultrakultur dazu zu gehoeren.
Eine knappe Stunde vor Anpfiff ist das 75000 Zuschauer fassende Stadion etwa zur Haelfte gefuellt, viel mehr werden es bei Eintrittspreisen zwischen 3 und 50 Euro auch spaeter nicht. Auf der Ehrentribuene hat unter anderem Gamal Mubarak Platz genommen, Sohn des Staatspraesidenten und wahrscheinlicher Nachfolger seines Vaters. Uberraschend hoch ist der Anteil der Frauen unter den Zuschauern. Viele von ihnen tragen ein Trikot, nur wenige ein Kopftuch und wenn, dann ist dieses heute in den schwarz-weiss-roten Landesfarben gehalten. Mancher Fan nutzt die Zeit bis zum Anstoss fuer ein letztes Gebet in den Katakomben des Stadions, wobei Uneinigkeit uebe die genaue Gebetsrichtung gen Mekka herrscht.
Die Argentinier, die von etwa 50 Landsleuten in blau-weissen Trikots angefeuert werden, mussten auf ihre drei derzeit wohl besten Spieler verzichten. Spielmacher Riquelme war unter der Woche fuer seinen Verein Boca Juniors im Einsatz und Barcelonas Jungstar Lionel Messi musste ebenso verletzt absagen wie der Manchester United unter Vertrag stehende Carlos Tevez.
Dennoch uebernahmen die Gauchos von Anfang an die Initiative auf dem Platz und hatte deutlich mehr vom Spiel. Das Mittelfeld um Maxi Rodriguz und Javier Mascherano setzte die Aegypter fruehzeitig unter Druck, die Viererkette um Bayerns Martin Demichelis und Gabriel Heinze liess die Stuemer der "Pharaonen", Hamburgs Zidan und Nationalheld Mohamed Abu Trika, anfaenglich nicht zur Entfaltung kommen. Erst nach einer halben Stunde legten die Gastgeber ihren Respekt ab, ohne sich jedoch grosse Torchancen zu erspielen.
Weitaus interessanter als das Spiel in der ersten Halbzeit war daher ein Duell unter den aegyptischen Fans auf der Tribuene. Im Mittelpunkt stand dabei der Torwart der Aegypter, Essam el-Hadary. Dieser war nach dem Gewinn des Afrikcacups im Februar in die Schweiz gereits und hatte dort einen Vertrag beim FC Sion unterschrieben. Sein aktueller Verein, al-Ahly, verweigerte dem Keeper jedoch die Freigabe und suspendierte ihn daraufhin. Seit seiner Rueckkehr aus der Schweiz muss Hadary nun mit der Jugendmannschaft trainieren. Nationaltrainer Hassan Shehata haelt jedoch weiterhin an dem 35-Jaehrigen fest.
Die Fans zeigten sich gespalten hinsichtlich ihres Torwarts. Waehrend die Einen Hadary bei jedem Ballkontakt auspfiffen, feierten die Anderen den Keeper mit lauten Sprechchoeren. Gelegenheit sich auszuzeichnen bekam Essam Hadary auch in der zweiten Halbzeit zunaechst jedoch nicht. Die Aegypter kamen mit neuem Elan aus der Kabine und hatten zwei hochkaraetige Chancen, die jedoch von Zidane und Abutrika vergeben wurden.
Die Argentiner zeigten sich da kaltschnaeuziger. Nachdem sich ein aegyptische Verteidiger bei einem langen Ball verschaetzte, war Sergio Aguero zur Stelle. Der Stuermer von Atletico Madrid liess Hadary keine Chance und verwandelte nach 67 Minuten kaltschnaeuzig. Danach hatten die Aegypter den Suedamerikanern nichts mehr entgegenzusetzen. Mit der Auswechslung Mohamed Zidans, der von den Fans mit "Zizou"-Sprechchoeren gefeiert wurde, verliess der gefaehrlichste Aegypter wenig spaeter das Spielfeld. Den Entstand markierte kurz vor Schluss Nicolas Burdisso von Inter Maiand nach einem Freistoss von Maxi Rodriguez. Bei Burdissos Kopfballbogenlampe machte Torwart Hadary nicht die gluecklichste Figur.
Mit dem 0:2 setzte auch eine regelrechte Massenflucht der Zuschauer aus dem Stadion ein und die Jagd auf die begehrten Plaetze in den Minibussen begann. Nur Mohamed Zidan liess sich nach Spielende noch von den Fans feiern und sorgte fuer ein Handgemenge unter den Fans, nach dem er sein Trikot auf die Tribuene warf.