29.12.2005
Ägypten: Fall Nour erregt immer größere Aufmerksamkeit

Gestern versammelten sich in Kairo wieder einmal mehrere Hundert Anhänger des Oppositionellen Ayman Nour und forderten vehement seine Freilassung.
Das allein müsste das ägyptische Regime nicht weiter stören, problematisch könnte sich jedoch das verstärkte internationale Medieninteresse an dem Fall entwickeln. Die von schweren Ausschreitungen und Repressionen begleiteten Wahlen wurden so kritisch wie selten zuvor auch im Ausland verfolgt. Hatten zuvor meist Menschenrechtsorganisationen die massiven Behinderungen von Seiten der regierenden NDP angeprangert und sich damit selber Gefahren ausgesetzt, wurden nun auch kritische Journalisten, arabische wie europäische, Ziel von Angriffen.
Dadurch schon zog sich das Regime den Unmut der internationalen Berichterstattung zu. Die zeitgleiche Verhaftung Ayman Nours wiederum war zu eindeutig ein politisches Manöver, um unkommentiert zu bleiben.
Die NDP hat (unter natürlich sehr fragwürdigen Umständen) ihre 2/3-Mehrheit behauptet und internationale Wahlbeobachter kritisierten zwar den Wahlverlauf, ließen das Ergebnis an sich aber unangetastet. Der Fall Ayman Nour jedoch steht immer noch im Fokus und hat an symbolischem Wert eher noch gewonnen. Im Vorfeld des nun bald beginnenden Prozesses forderte die Ratspräsidentschaft der EU unter Vorsitz Großbritanniens Ägypten explizit auf, einen fairen Prozess für Nour zu garantieren. "Die Verurteilung eines oppositionellen Präsidentschaftskandidaten ziehen die Bemühungen der Regierung um demokratische Reformen in Zweifel.", heißt es in der Erklärung weiter.
Die nun auch von offiziellen Stellen geäußerten Solidaritätsbekundungen für Nour sind natürlich auch die Bewertung des Ergebnis der Parlamentswahlen zurückzuführen. Die Ausschaltung des säkular orientierten Nour, so die Beobachtung, stärkte vor allem die Muslimbrüder, die nun stärkste oppositionelle Kraft ist. Vor die Wahl zwischen die islamistischen Muslimbrüder ("Der Islam ist die Lösung!") und das reaktionäre, aber immer noch stabile Regime gestellt, werden sich viele gemäßigte, eher Nour zugeneigte Ägypter für Mubarak entschieden haben, woraus das immer noch sehr hohe Ergebnis der NDP ersichtlich wird.
Für die Zukunft stellt sich jedenfalls die Frage, inwieweit sich die Wahlmöglichkeiten auf Islamisten und etabliertes Regime verengen werden. Als warnendes Beispiel steht immer noch Algerien vor Augen, welches 1992 unter ähnlichen Umständen im Bürgerkrieg versank. Ähnliches zu verhindern muss deshalb im Interesse aller Beteiligten liegen.