Hier der erste Teil eines Erfahrungsberichts eines Kommilitonen über seine Arbeit in einem Work-Camp im muslimischen Viertel Jerusalems. Danke hierfür an D.S.
Teil 2
Im Sommer vergangen Jahres erfüllte ich mir einen schon lange gehegten Traum. Bei einer ausgiebigen Internetrecherche stieß ich auf das interessante Angebot zur Teilnahme an einem international besetzten Workcamp im Herzen Jerusalems. Ohne lange zu zögern, beschloss ich, diese Reise, die sich als wahrlich spannend erweisen sollte, anzutreten.
Der Nachteil von Reiseerzählungen ist der, dass diese ausschließlich auf persönlich gesammelten Eindrücken beruhen und nicht immer einen allgemeingültigen Charakter haben. Dennoch möchte ich den Versuch unternehmen, einen Teil meiner Erlebnisse schriftlich zu verarbeiten, nicht zuletzt aus dem Grund, um den zumeist unreflektierten, euro-zentrischen Blickwinkel auf den arabisch-israelischen Konflikt einmal durch die palästinensische Perspektive zu ergänzen. Um eventuellen Missverständnissen vorzubeugen, die das Schreiben über dieses Thema leicht nach sich ziehen kann, sei gesagt, dass der Autor das Existenzrecht des Staates Israel zweifelsohne anerkennt. Nichtsdestotrotz sind es die Repressalien, denen die palästinensische Bevölkerung durch israelische Sicherheitskräfte ausgesetzt ist, wert berichtet zu werden. Dies ist in meinen Augen besonders wichtig, da dasdurch den medialen „mainstream“ erzeugte Bild des Konfliktes die alltäglichen Probleme der vor Ort betroffenen Menschen meist ausklammert. Vielleicht können meine Schilderungen etwas dazu beitragen, einen wenn auch nur punktuellen Einblick, in die Lebensumstände der Palästinenser unter dem Eindruck der von Ihnen als Okkupation empfundenen, israelischen Staatlichkeit zu geben.
Der Zufall wollte es, dass ein Kommilitone meines Arabischkurses im selben Zeitraum meines Aufenthaltes ein Praktikum in Amman absolvierte und die kostengünstigste Verbindung nach Israel eben über die jordanische Hauptstadt führte.
2 Tage hatte ich Gelegenheit Amman zu erkunden und die faszinierende Schwerelosigkeit des Toten Meeres zu genießen, bevor ich mich auf den Weg zur israelischen Grenze machte. Erzählungen von anderen Reisenden, über häufig aus „Sicherheitsbedenken“ abgewiesene Touristen, sorgten für ein gewisses Unbehagen in meiner Magengegend, das durch den syrischen Stempel in meinem Pass noch verstärkt wurde. Doch ohne größere Schwierigkeiten gelangte ich auf die andere Seite des Jordan. Und auch den Treffpunkt mit den anderen internationalen Freiwilligen in Ost-Jerusalem erreichte ich rechtzeitig. Das Gefühl, zum ersten Mal die religionsgeschichtlich so immens bedeutende Stadt zu betreten ist wahrlich einmalig.
Der Workcamp-Leiter führte uns nach einer kurzen Projektvorstellung in ein palästinensisches Gemeindezentrum innerhalb der Jerusalemer Altstadt, welches für die nächsten 2 Wochen unsere Wohn- und Wirkungsstätte sein sollte.
Vordergründiges Ziel des Camps war die Renovierung eines auf dem Gelände befindlichen Kindergartens und die Sanierung eines maroden Fußballplatzes. Doch wurde schnell klar, dass die eigentliche Bedeutung der Anwesenheit von ausländischen Freiwilligen darin bestand, den israelischen Regierungsorganen zu demonstrieren, dass die Lage der Palästinenser auf internationales Interesse stößt. Erklärend sei dazu gesagt, dass das Grundstück des Gemeindezentrums seit Jahren im Visier der israelischen Siedlungspolitik steht, die vorsieht an selber Stelle Wohnhäuser für israelische Familien zu errichten.
Der Zweck dieser Maßnahme ist augenscheinlich. Es geht darum den arabischen Bevölkerungsanteil in der Jerusalemer Altstadt zu reduzieren, um dem arabischen Anspruch auf „al-quds“ eine wichtige Legitimationsquelle zu entziehen.
Der Schwerpunkt des durchgeführten Rahmenprogramms, lag auf der hautnahen Erfahrung mit den palästinensischen Lebensbedingungen. Vormittags galt es also den Sanierungsmaßnahmen nachzugehen, während die Nachmittage zu Erkundungstrips, Diskussionsrunden, Filmvorführungen und dergleichen genutzt wurden. Wer die orientalische Einstellung zum Arbeiten kennt, kann sich leicht vorstellen, dass die Effizienz unserer Tätigkeit sicher verbesserungswürdig gewesen wäre. Doch vielmehr ging es darum einfach vor Ort zu sein und den Menschen im muslimischen Viertel zu zeigen, dass es Europäer, Amerikaner und Asiaten gibt, die bereit sind zu helfen. Bei Spaziergängen durch diesen Teil der Altstadt, kam es häufig zu spontanen Dankesbekundungen der Bewohner für unsere Bemühungen.
Anfänglich hatte ich gewisse Zweifel an der Objektivität der palästinensischen Organisation, die für die Ausrichtung des Camps verantwortlich war, wusste ich doch von ihrer politischen Nähe zur „al-Fatah“ (stärkste Fraktion innerhalb der PLO). Diese Skepsis wurde mir jedoch schnell genommen, da zu spüren war, dass die Campleitung absolut frei von Versuchen polemischer Agitation, nur darum bemüht war uns ein abgerundetes Bild der Situation zu liefern. Bei Besuchen von palästinensischen Flüchtlingslagern konnten wir uns beispielsweise von den katastrophalen hygienischen und infrastrukturellen Zuständen vor Ort selbst überzeugen. Die Fahrten zu den Städten innerhalb des Westjordanlandes wie Bethlehem, Hebron, Nablus und Ramallah zeigten wie sehr sich das Leben der Palästinenser jenseits des, von Israel errichteten Sicherheitszauns, unterscheidet.
Der Bau dieser Mauer wird als tiefe Demütigung empfunden, weil er grob in das Privatrecht der Menschen eingreift. Familien werden dadurch auseinander gerissen, Bauern können auf der anderen Seite liegende Felder nicht mehr bestellen, Häuser die dem Verlauf des Walls im Wege stehen, werden zerstört. Auch wenn von israelischer Seite nachgewiesen werden kann, dass durch die Mauer die Zahl der Selbstmordattentate minimiert wurde, so wird diese Maßnahme unweigerlich zu neuem Hass führen.