Jüdische Musiker:innen wie die al-Kuwaity-Brüder im Irak oder Munir Murad in Ägypten hinterließen unauslöschliche Spuren im Goldenen Zeitalter der arabischen Musik zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Heute sind diese Einflüsse in Vergessenheit geraten.
Seit Jahrhunderten waren jüdische Gemeinschaften ein integraler Bestandteil arabischer Gesellschaften und trugen zu verschiedenen Bereichen des kulturellen Lebens bei, darunter die Musik. Anstatt jüdisches und arabisches Kulturerbe getrennt zu betrachten, ist es wichtig, den historischen Kontext zu verstehen, in dem jüdische Individuen sowohl kulturell als auch sprachlich arabisch waren. Auf der Arabischen Halbinsel koexistierten jüdische Stämme mit christlichen und polytheistischen Stämmen und bildeten bereits vor dem Aufstieg des Islams im 7. Jahrhundert ein gemeinsames kulturelles Gefüge. Auch nach der Verbreitung des Islams, umfasste die Kultur der WANA-Region vielfältige Gruppen, darunter arabische Jüdinnen und Juden, die eine bedeutende Rolle in der Gestaltung der arabischen Geschichte und Kultur spielten.
Ein besonders bemerkenswerter jüdischer Beitrag findet sich in der arabischen Musik, insbesondere während ihrer Blütezeit im frühen 20. Jahrhundert. In dieser Zeit gab es jüdische Musiker im Irak und in Ägypten, die Innovationen einführten und das musikalische Erbe für künftige Generationen prägten. Obwohl jüdische Beiträge zur arabischen Musik über den Irak und Ägypten hinausgingen, waren sie in diesen Ländern besonders ausgeprägt und gut dokumentiert.
Der jüdische Beitrag zur irakischen Musik
Seit den 1920er Jahren waren die legendären Brüder Saleh und Daoud al-Kuwaity – Violinist bzw. Oud-Spieler – führende Figuren in der frühen irakischen Musikindustrie. Laut Saleh begann seine Karriere, als er gebeten wurde, Musik für die Sängerin Salima Murad, eine weitere jüdische Ikone der irakischen Musik, zu komponieren. Ihre Zusammenarbeit brachte Lieder hervor, die bis heute gesungen und in sozialen Medien geteilt werden, darunter „Ya Nabat al-Rayhan“, „Al-Hijr Mo Ada Ghariba“ und „Kalbak Sakhr Jalmud“, letzteres ist ein bewegendes Lied über Liebe und Herzschmerz.
Als Schüler des kuwaitischen Musikers Khaled al-Bakr war Saleh mit einer breiten Palette arabischer Musikstile aus der Golfregion sowie mit jemenitischen Melodien vertraut, die beide afrikanische und indische Einflüsse aufweisen. Die Musik, die er später komponierte, begeisterte Zuhörer:innen von irakischen Schulen und Theatern bis hin zum königlichen Hof des Irak. Dass die al-Kuwaity-Brüder gemeinsam mit anderen, weniger bekannten jüdischen Musiker:innen in einer Zeit berühmt wurden, als die irakische Musik erstmals auf Vinyl aufgenommen wurde, sorgte dafür, dass ihr Einfluss unauslöschlich ist.
1950 heiratete Salima Murad den irakischen Star-Sänger Nazem al-Ghazali. Ihre Ehe sorgte für Aufsehen, da sie zu einer Zeit stattfand, als die Beziehungen zwischen Muslimen und Juden nach der palästinensischen Nakba und der Gründung des Staates Israel 1948 auf einem historischen Tiefpunkt waren. Obwohl diese Ereignisse das Leben dieser Künstler:innen überschatteten, lebt ihr musikalisches Erbe in der arabischen Musikkultur weiter. Die Beiträge und Innovationen der al-Kuwaity-Brüder im traditionellen arabischen und irakischen makam – einer musikalischen Struktur, die sowohl harmonische als auch modale Eigenschaften aufweist – wurden tief in die Kultur integriert. Expert:innen können ihre Einflüsse in der späteren Musik von Sadoon al-Jabir und anderen irakischen Musiker:innen erkennen.
Der jüdische Beitrag zur ägyptischen Musik
In Ägypten, dessen Musikszene weitaus vielfältiger war als die des Irak, war der jüdische Beitrag noch umfassender. Während das Land in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine florierende Theater- und Filmszene hervorbrachte, bot sich ägyptischen Musiker:innen – darunter viele jüdische Talente – eine beispiellose Gelegenheit, ihre Kreativität zu entfalten. Viele jüdische Musiker:innen, darunter Hani und Muhammad Rahal, komponierten Musik für Film- und Theaterproduktionen und trugen dazu bei, westliche Instrumente und stilistische Innovationen in die makam-basierte Tradition einzuführen.
Zu den bedeutendsten jüdischen Komponist:innen in Ägypten zählten Daoud Hosni und Munir Murad. Letzterer komponierte das Lied „In Rah Minnik Ya Ein“ von Shadia, das noch heute sehr bekannt ist – fast jede:r arabische Muttersprachler:in kennt zumindest einige Zeilen, selbst wenn er:sie die Interpretin oder den Komponisten nicht benennen kann. Daoud Hosni komponierte nicht nur für Shadia und andere hochkarätige Sänger:innen, sondern auch für die Musiklegende Umm Kulthum. Eines seiner frühen Werke mit ihr war das Lied „Sharraf Habib el-Kalb“. Selbst ungeübte Ohren können darin den Einfluss jüdischer religiöser Kantillation erkennen.
Ein Überblick über jüdische Beiträge zur ägyptischen Musik wäre unvollständig ohne die Erwähnung von Laila Murad. Sie war eine der beliebtesten Sängerinnen und Schauspielerinnen Ägyptens. Geboren in eine jüdische Familie, begann sie ihre Karriere unter der Anleitung ihres Vaters Zaki Murad, eines weiteren jüdischen Musikkomponisten. Ihre kraftvolle Stimme und charismatische Präsenz auf der Leinwand machten sie zu einem Superstar der goldenen Ära des ägyptischen Kinos (1940-1950). Ihre Lieder, darunter „Leh Khaletni Ahebak“, gelten als Klassiker und konkurrieren mit den Werken von Umm Kulthum, die als „vierte Pyramide“ Ägyptens und als beste arabische Sängerin aller Zeiten gilt.
Die Beiträge jüdischer Musiker:innen zur arabischen Musik, insbesondere im Irak und in Ägypten, unterstreichen den tiefgreifenden kulturellen Austausch, der den arabischen Raum bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts prägte. Diese Musiker beherrschten nicht nur die arabische Musik, sondern brachten auch Neuerungen ein und hinterließen ein bleibendes Erbe. Ihre Werke zeigen, welche Harmonie und Kreativität entstehen können, wenn Gesellschaften Vielfalt leben und schätzen.