Nach der mit Spannung erwarteten Rede des Generalsekretärs der Hisbollah herrscht Erleichterung im Libanon – und in Israel: Die schiitische Miliz hat nach eigener Aussage kein Interesse an einer neuerlichen Gewalteskalation.Von Christoph Dinkelaker und Jalal Saddi
Hassan Nasrallah war es mal wieder gelungen, mehr Menschen vor die Fernseher zu ziehen, als es selbst der beliebten Casting-Show „Arab Idol“ gelingt. Gebannt lauschten Hunderttausende Libanesinnen und Libanesen den Worten des Generalsekretärs der im Zedernstaat militärisch dominanten, schiitischen Hisbollah-Miliz. Die bange Frage: Was folgt auf die jüngsten militärischen Auseinandersetzungen zwischen der israelischen Armee und der „Partei Gottes“? Ein Krieg wie 2006, von dem das gesamte Land betroffen war?
Der als charismatisch und wortgewandt verehrte Nasrallah ließ sich Zeit mit der Beantwortung dieser Fragen. Zunächst bemängelte er die Uneinigkeit der arabischen Staaten in aktuellen Konflikten. Israel nutze den innerarabischen Zwist zu seinen Gunsten aus. So ließe Israel jihadistische Gruppen wie die Nusra-Front in seinem unmittelbaren Umfeld walten und behandele deren Kombattanten in israelischen Krankenhäusern. Auch ISIS kollaboriere mit Israel. Das Problem sei, dass die Araber vergessen hätten, wer ihr wahrer Feind sei. Aber der „Widerstand“, so die Selbstbezeichnung der Hisbollah, habe die palästinensischen Brüder und Schwestern nicht vergessen und sei sich gewiss, dass Israel der wahre Feind sei.
ISIS und Israel Kollaborateure
In Bezug auf den Angriff der Hisbollah auf ein israelisches Militärfahrzeug vor wenigen Tagen machte Nasrallah deutlich, dass die Attacke als Antwort auf den israelischen Raktenangriff auf ein Hisbollah-Kommando im Golan vergangene Woche zu werten ist. Hisbollah habe das Recht, auf militärische Aggressionen zu antworten und werde dies auch in Zukunft tun. Obwohl Israel auf die Antwort vorbereitet gewesen wäre, hätte die Armee den Angriff nicht verhindern können.
Nasrallah pries dabei die „äußerst präzise und gerechte Antwort“ der schiitischen Miliz: „Sie haben unsere Männer bei Tageslicht getötet, wir haben daraufhin ihre Männer bei Tageslicht getötet. Sie haben zwei unserer Fahrzeuge zerstört, wir zwei ihrer Fahrzeuge. Es sind ähnlich viele Menschen bei den beiden Vorkommnissen getötet worden und wir haben wie sie Raketen als Waffen verwendet.“
Auge um Auge, Zahn um Zahn
Moralisch sei die Hisbollah jedoch überlegen: „Während die Israelis Angst hatten, ihre Taten zuzugeben, ließ der Widerstand den Medien ein offizielles Bekennerschreiben zukommen.“
Zum Ende der Rede dann die wichtigste Aussage: „Der Widerstand möchte keinen Krieg, niemand möchte das. Doch haben wir keine Angst vor Krieg. Wenn Israel einen Krieg beginnen möchte, dann sind wir bereit und wir werden diesen Krieg gewinnen."
Sowohl im Libanon als auch in Israel werden viele Menschen die Aussagen Nasrallahs mit Erleichterung aufnehmen. Zu frisch sind die Erinnerungen an den Krieg 2006, als der Raketenbeschuss der Hisbollah auf Nordisrael und Luftangriffe der israelischen Armee im Südlibanon und in den schiitischen Vorstädten Beiruts die Zivilbevölkerung terrorisierten.