03.11.2014
Nachruf auf Shlomo Lahat: "Leben und leben lassen" - nicht nur in Tel Aviv
Shlomo "Tschitsch" Lahat starb am 1. Oktober. Foto: Tobias Raschke
Shlomo "Tschitsch" Lahat starb am 1. Oktober. Foto: Tobias Raschke

Fast zwei Jahrzehnte lang regierte Shlomo Lahat Tel Aviv als Oberbürgermeister. Er verwandelte die Metropole am Mittelmeer und prägte den Slogan „die Stadt, die niemals eine Pause macht“. Doch auch der Likudnik selbst wandelte sich vom General a.D. zum Unterstützer des Oslo-Friedensprozesses und organisierte die größte Friedensdemonstration im November 1995. Ein persönlicher Nachruf.

Shlomo „Tschitsch“ Lahat starb am 1. Oktober 2014 im Alter von 86 Jahren.

Erstmals begegnete ich ihm bei einer Gedenkveranstaltung an die Ermordung Rabins. Er erzählte von seiner Freundschaft zu Rabin seit dem Krieg 1948/49. Für dessen Tod fühlte sich Lahat bis zum Ende schuldig, denn schließlich hatte er die Großdemonstration initiiert, an deren Ende Rabin erschossen wurde. Als Cheforganisator überzeugte er den Ministerpräsidenten erst mühsam, an der Kundgebung teilzunehmen, um den Oslo-Prozess zu unterstützen. Das tragische Ende Rabins ist bekannt – ob der Nahostkonflikt mit Rabin anders verlaufen oder gar beendet worden wäre, lässt sich deshalb nur mutmaßen.

Unorthodox wie es seine Art gewesen zu sein schien, reagierte Lahat auf meine Interview-Anfrage. Blitzschnell wechselte er ins Deutsche, als er meine Herkunft erkannte. Deutsch war seine Muttersprache. Seine Beziehung zur deutschen Sprache verglich er unwirsch mit der Beziehung zu seiner Frau: „Ich liebe sie, aber ich beherrsche sie nicht. Denn ich habe die deutsche Sprache nie gelernt.“

Ein Berliner – geflohen aus Nazi-Deutschland 1933

Am 9. November 1927 als Salomon Lindner geboren, wuchs Lahat als Sohn eines kleinen Textilfabrikanten in der Großen Präsidentenstraße am Hackeschen Markt im damaligen jüdischen Viertel Berlins auf. Nach der Machtergreifung der Nazis 1933 konnte sich sein Vater eines Abends der antisemitisch motivierten Verhaftung nur durch die Flucht durch ein Fenster entziehen. Bald darauf emigrierte die Familie nach Palästina und ließ sich in Rehovot nieder.

Ob die Welt aus der Shoah, der größten Katastrophe, dem Holocaust, gelernt habe? Lahat war sich nicht sicher: „Das Gefühl habe ich leider nicht – obwohl ich ein großer Optimist bin. Sogar in Israel hat die Shoah erst seit den 1970er Jahren einen hohen Stellenwert. Vorher konnten viele Überlebende nicht darüber sprechen. Ich hatte im Rathaus eine 35-jährige Mitarbeiterin mit zwei Kindern, die an einem Yom haShoah (dem jährlichen Shoah-Erinnerungstag) von ihrer Mutter erfahren hat, dass diese in Auschwitz war. 35 Jahre konnte sie das der Tochter gegenüber nicht ausdrücken.“ Lahat erzählte, dass Shoah-Überlebende kurz nach ihrer Ankunft im gelobten Land zur israelischen Armee eingezogen wurden. Viele davon sind im israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948/49 gefallen, ganz ohne Zeit zur Vergangenheitsbewältigung oder Wahrnehmung durch die Einheimischen.

Deutschland und Österreich beobachtete er indessen wie die meisten Israelis am Rande. Die Vergangenheit sollte der Jugend deutlicher erklärt werden, meinte er. „Wie war die Situation in Deutschland? Wie kam die Nazi-Partei an die Macht? Das soll sich niemals mehr in der menschlichen Geschichte auf der ganzen Welt wiederholen. Man kann Menschen doch nicht wegen einer Idee ermorden.“ Und er warb um Verständnis für israelische Befindlichkeiten, wenn es um Rechtsextreme in Österreich oder Deutschland geht. Gegen Intoleranz und Judenfeindschaft gäbe es erfolgreiche Mittel, nämlich Begegnungen und insbesondere den deutsch-israelischen Jugendaustausch, befand Lahat: „Da bin ich ganz dafür. Je mehr, desto besser.“

Shlomo Lahat erzählte meisterlich 

Seinen Spitznamen brachte ihm seine Muttersprache ein. Beim Tauziehen mit seinen Freunden schrie er immer „Ziehen“, woraus die anderen Kinder „Tschitsch“ machten. Diese Wortschöpfung wurde zu seinem unverwechselbaren Markenzeichen.

Lahat gehörte zur Gründer-Generation des jüdischen Staates, der mit viel Nachdruck die zionistische Bewegung verkörpert: „Da gibt es ein Volk nach 2000 Jahren und es strebt danach, zurück in sein altes Land zu kommen. Das war die Erfindung von Dr. Herzl. Dafür gibt es in der Welt kein Beispiel.“ Doch Lahat gehörte zu denjenigen Generälen, die auf die Araber zugingen und sich versöhnen wollten. Er sieht die Vorgeschichte so: „Wir hatten nicht die Absicht, die Araber zu vertreiben. Es war ein gering besiedeltes Land. Dr. Herzl kam 1882, da gab es vielleicht 200 000 arabische Bewohner. Die zionistische Bewegung hat die Wirtschaft belebt, weshalb viele Araber aus dem Libanon, Syrien, Jordanien und Ägypten kamen, weil sie hier Arbeitsplätze fanden.“

Er berichtet weiter vom für beide Seiten enttäuschenden UN-Teilungsplan. Nachdem der größte Teil des britischen Mandatsgebiets Palästina bereits 1923 zu Transjordanien wurde, blieb schlicht nicht mehr viel zum Teilen übrig: „Nach der Shoah – bei der ein Drittel unseres Volkes ermordet wurde – gab es 1947 den UN-Beschluss, Palästina in ein arabisches und ein jüdisches Gebiet zu teilen. Die zionistische Bewegung war sehr unzufrieden. Aber wir haben den Wunsch der Mehrheit dieser Welt angenommen. Die arabische Bevölkerung hat den Teilungsplan nicht angenommen und den Krieg angefangen. Ich war damals 19 Jahre alt und habe gekämpft. Wir hatten keine Kanonen, keine Panzer – [nichts als] den Glauben daran, dass man uns nicht besiegen kann. Wir existierten im Streben für das jüdische Land. Wir haben gegen eine Überzahl verschiedener Armeen gekämpft. Wir haben fünf oder sechs Kriege geführt und jedes Mal hat sich das Land danach besser entwickelt.“

Der General für Jerusalem 1967

Lahats militärische Karriere begann im Jahr 1944 in der paramilitärischen Untergrundorganisation Haganah und endete 1972 im Rang eines Generalmajors. Er war unter anderem Kommandeur im Panzerkorps, Direktor des Zentralkommandos und befehligte 1968-1970 im so genannten Abnutzungskrieg die Streitkräfte im Sinai. Nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 erhielt Lahat eine ganz besondere Aufgabe, wie er viele Jahre später erzählte: „Als stellvertretender Kommandeur der Panzer-Armee wurde ich 1967 vom Sechs-Tage-Krieg in Südamerika überrascht. Ich kam morgens um 4 Uhr  zurück und traf im Bunker des Hauptquartiers als erstes auf den damaligen Verteidigungsminister Moshe Dayan: Tschitsch, wo warst Du, fragte er mich? Ich suche Dich seit drei Tagen. Warum? Weil wir heute Jerusalem erobern, fuhr der Minister fort und ich sollte der Kommandant für Ost-Jerusalem werden.“ Es war ein Befehl. Dayan selbst war 1948 Kommandeur von Jerusalem und hatte scheinbar ein Trauma und Angst vor Racheakten. Deshalb suchte er jemanden, der „bei Plünderungen und Gewalt auf unsere Leute schießen konnte“. Und weil dabei nur Lahats Name aufkam, ging er anschließend für drei Wochen nach Jerusalem.

 Israeli Government Press Office. Shlomo Lahat (2.v.links), Premierminister Levy Eshkol, Verteidigungsminister Moshe Dayan und General Haim Bar Lev während eines Besuchs zu Armeestützpunkten in der Westbank im September 1967. Foto:
© ILAN BRUNER / Government Press Office Israel 1967

In Jerusalem wurde Lahat mit der Frage des Zugangs zur westlichen Mauer des jüdischen Tempels, der von den Römern zerstört wurde, konfrontiert. Wie sah es 1967 dort aus? „Vor der Mauer waren schreckliche Behausungen von Flüchtlingen aus Jaffa. Es war klar, dass nach 2000 Jahren Juden aus der ganzen Welt an die West-Mauer kommen würden. Wenn wir nichts machen, sagte ich mehr Tote und Verluste als während des ganzen Krieges voraus. Ich suchte nach einer Lösung.“

An dieser Lösung beeindruckt, dass sie nicht in einer gewaltsamen Räumung bestand, sondern unter Einbeziehung der Flüchtlinge: „Im Norden Jerusalems liegt das arabische Viertel Shuafat, mit relativ schönen Häusern, deren Bewohner weggelaufen waren. Ich ging zum Lager vor der Mauer, um mit den Menschen zu sprechen und ihnen einen Vorschlag zu machen. Einer Gruppe zeigte ich die Häuser, um sie gewaltfrei zur Aufgabe ihrer Behausungen zu bewegen. Mit einem Militärlaster brachte ich 40 Männer dorthin, um sie vor Ort zu überzeugen. Nach einer Viertelstunde hatten sich alle neue Unterkünfte gesucht und dem Vorschlag zugestimmt. So konnten wir den Platz vor der West-Mauer friedlich räumen.“

Lahat = Tel Aviv

Sein Name verkörperte Tel Aviv, wie Teddy Kollek als Oberbürgermeister von 1965 bis 1993 für Jerusalem stand. Beide gelten als legendäre und weitsichtige Entwickler ihrer Städte. Beide galten als akribische Organisationstalente. Beide waren Jecken – wie die deutschsprachigen Einwanderer, geflohen aus Nazi-Deutschland ins Mandatsgebiet Palästina, am Anfang eher herablassend, später hochachtend genannt wurden.

Wie aber wurde der ehemalige General Likud-Oberbürgermeister im liberalen Tel Aviv? „Keiner dachte damals, dass man den Tel Aviver Oberbürgermeister von der Arbeiterpartei besiegen kann. Die liberale Partei kam im Block mit dem Likud (damals noch Herut) auf mich zu, ob ich kandidieren wolle. Ich habe ihnen dann dargelegt, dass ich liberal bin. Bezüglich ihrer Ausrichtung auf die arabische Bevölkerung und die Palästinenser war ich ganz anders eingestellt, weil ich an den Frieden glaubte. Ich bin in die Likud-Partei eingetreten vom Mittelmeer bis zur Grünen Linie (Waffenstillstandslinie von 1948).“ Die langfristige Besetzung des Westjordanlandes und des Gazastreifens ohne einen Friedensvertrag mit den Arabern lehnte Lahat ab.

Lahat teilte die Groß-Israel-Politik Begins nicht, sondern sagte: „Was den Osten, Süden, Norden betrifft, habe ich andere Meinungen und werde folglich gegen Euch sprechen. Wir hatten eine lange Debatte, auch mit Begin (Premier 1977-83). Am Ende wussten sie, dass sie das Rathaus ohne mich nicht erobern können. Nachts um 12 sagte mir Begin bei sich zu Hause: ‚Shlomo, ich habe so viele verrückte Leute in unserer Partei, mit Dir wird da ein weiterer sein, aber geh und erobere Tel Aviv‘.“

Yitzhak Rabin (rechts), Oberbürgermeister Shlomo Lahat (Mitte) sprechen mit einem Ladenbesitzer auf der belebten Herzl-Straße in Tel Aviv. © YAACOV SAAR / Government Press Office Israel 1975. Yitzhak Rabin (rechts) und Oberbürgermeister Shlomo Lahat (Mitte) sprechen mit einem Ladenbesitzer auf der belebten Herzl-Straße in Tel Aviv. © YAACOV SAAR / Government Press Office Israel 1975.

Der ehrliche und selbstbewusste Lahat gilt als der Erfinder des modernen Tel Avivs, wie es heute viele Menschen kennen. Während seiner zwanzigjährigen Amtszeit verwandelte sich Tel Aviv in das israelische Zentrum für Kultur (Opera Tower, Suzanne Dallal Center for Dance and Theater, Tel Aviv Cinematheque), Nightlife, Touristen-Hotspot und damit zur „Stadt ohne Pause“ wie ein Slogan Tel Avivs lautet.

Diese Entwicklung ermöglichte Lahat auch, weil er den Einfluss der Ultra-Orthodoxen zurückdrängte: „Ich habe nichts gegen die Religion. Immer wollten die Ultra-Orthodoxen etwas, aber ich habe ihnen nichts gegeben und gesagt, dass es bei mir nur einen Weg gibt: durch die Armee. Ich habe Tel Aviv vom religiösen Standpunkt aus gesehen ganz verändert. Als ich Oberbürgermeister wurde, waren von den 20 Kinos am Freitagabend nur zwei geöffnet und man konnte die Karten nur 100 Meter weit weg kaufen. Das war grauenhaft. Als ich aufhörte, gab es 40 Kinos, die alle am Schabat geöffnet haben. Jeder Mensch sollte die Wahl haben, ins Kino zu gehen oder nicht. Ich bin aber nach wie vor dagegen, Läden am Schabat zu öffnen. Man braucht einen Ruhetag, auch für Busfahrer und Handel. Bei mir galt das System Leben und leben lassen.“

Lahat diente seiner Stadt und nicht seiner Partei. Er betonte Pünktlichkeit und Einsatz: „Bei mir kam es weniger darauf an, ob jemand zur Arbeiterpartei, dem Likud oder den Kommunisten gehörte, sondern ob er oder sie ehrlich ist und der Bevölkerung nutzt.“

Er verstand es, die Öffentlichkeit zu überzeugen und wurde viermal wiedergewählt. Und er bestimmte seinen politischen Abgang selbst: „Im November 1992 – ein Jahr vor den Wahlen – erklärte ich, dass ich nicht sein will wie ein israelischer Politiker: Wie ein Nagel ohne Kopf, man haut ihn einmal rein, und kann ihn nicht mehr rausbekommen.“ So blieb den Parteien „genug Zeit zum Zanken und beschließen, wer kandidieren sollte.“ Verschmitzt berichtet Lahat, dass alle dachten, dies sei ein politischer Trick für eine weitere Amtszeit. Sogar seine Frau habe nicht geglaubt, dass er wirklich aufhören wollte.

Kulturkampf: Säkulare vs. Orthodoxe

Toleranz fehle den Israelis etwas, meinte Lahat einmal im Gespräch, denn jeder meint, Recht zu haben. Als Gefahr sah er denn auch die Probleme zwischen Orthodoxen und Säkularen: „Wir waren Gemeinden und kein Volk für 2000 Jahre. Da müssen wir ehrlich sein. Das wird ein großer Kampf. Die Demokratie wird siegen in Israel. Daran zweifle ich nicht. Die Menschen werden zur Vernunft kommen, zu Einigkeit und Menschlichkeit. Es ist nicht genug zu sagen, wir sind ein erwähltes Volk, sondern wir müssen auch beweisen, dass wir es verdienen. Wir müssen ehrlich sein, vernünftig sein, brauchen Toleranz. Damit sollten wir uns beschäftigen und nicht mit solchem Unsinn wie koscheren Lebensmitteln.“

 Tel Aviv Oberbürgermeister Shlomo Lahat empfängt den Regierenden Bürgermeister von West-Berlin, Klaus Schütz, im Rathaus. © YAACOV SAAR / Government Press Office Israel 1974 Zwei Berliner unter sich: Tel Aviv Oberbürgermeister Shlomo Lahat empfängt den Regierenden Bürgermeister von West-Berlin, Klaus Schütz, im Rathaus.
© YAACOV SAAR / Government Press Office Israel 1974

Für Lahat gab es nur einen Weg in die Gesellschaft. Die Ultra-Orthodoxen „sollten in der Armee dienen. Das ist der beste Weg, um sie vernünftig zu machen. Warum wehren sie sich dagegen? Sie möchten in ihrer Umgebung bleiben. Die Orthodoxen sind Gauner, denn sie sind religiös, aber die verstoßen gegen die Zehn Gebote (Lügen, Stehlen) unbegrenzt. Sie stehlen Geld aus den öffentlichen Kassen.“

Lahat gehörte zum säkularen aschkenasischen (europäischstämmigen) Establishment, das gegenüber den sephardischen (orientalischen) Juden lange Zeit überlegen agierte und die Bedürfnisse dieser Einwanderungsgruppe gemeinhin nicht wahrnahm, wie er im Bezug auf die Erfolge der sepharisch-orthodoxen Schas-Partei bekannte: „Offen gesagt ist Schas entstanden als Reaktion auf die aschkenasische Gesellschaft. Schas unterstützt Eltern durch Ganztagsschulen mit Mittagessen für die Kinder. Hätte die Regierung das organisiert, wäre Schas nicht so erfolgreich.“

Lahat hatte nichts gegen Religiöse, aber „man darf die Religion nicht für politische Zwecke ausnutzen.“ Diese Vermischung von politischen mit religiösen (Macht-) Interessen ärgerte ihn. Über den Schas-Papst Ovadia Yosef, der über die Araber sagt, sie wären Schlangen, befand Lahat: „Das ist grauenhaft. Als ich das hörte, habe ich mich geschämt, dass ich ein Jude bin. So kann man nicht sprechen. Er ist der letzte, der auf Gottes Erde das Recht hat, so moralisch über Juden und Araber zu sprechen. Es ist eine Schande, dass so ein Mann ein Rabbiner ist. Aber wie hat meine Mutter immer gesagt? ‚Der liebe Gott hat sie mit oder ohne Glatze!‘“

Friedensaktivist als General a.D.

Auch ohne Amt, aber aufgrund seiner Erfahrungen als Soldat, engagierte sich Lahat für die arabische Bevölkerung Israels und den Frieden mit den Palästinensern. Schon 1967 stellte er in einem offiziellen Fazit fest, „dass wir den Arabern gegenüber zu feindlich eingestellt waren.“ Denn Frieden macht man mit Feinden, nicht mit Freunden. Der Panzer-General a.D. mit den schlohweißen Haaren bemühte sich daher um den Friedensprozess von Oslo und zeigte sich tief enttäuscht von dem Gewaltausbruch der zweiten Intifada: „Es tut mir Leid – und ich sage das mit viel Schmerz –, dass Arafat und die Araber nicht den Mut hatten, den von Ehud Barak angebotenen Friedensvertrag in Camp David im Jahr 2000 anzunehmen. Ich glaube nicht, dass sich das wiederholen wird.“

In den Augen vieler Israelis wurde so aus dem Oslo-Prozess ein Land für Terror statt ein Land für Frieden. Doch Lahats Analyse fragt vielmehr nach Eigeninitiative und Verantwortung: „Bei diversen arabisch-israelischen Konferenzen Ende der 1990er Jahre sagte ich, dass ich das Gefühl hätte, dass die Palästinenser nicht die Verantwortung auf sich nehmen möchten, ein Land aufzubauen. Es ist viel leichter, andere zu beschuldigen und Forderungen zu stellen. Baut Euer Land auf und danach werdet Ihr es weiter schaffen. Nehmt Euch ein gutes Beispiel – leider – an uns. Dieser Appell hat aber leider nichts geholfen.“

Mit Lahat ist eine der letzten prägenden Gestalten aus der Gründergeneration Israels gestorben, der parteipolitische Interessen zurückstellte und seiner Stadt diente. Tel Aviv, die quirlige Stadt ohne Pause, die erfolgreichste Start-up-Schmiede nach dem amerikanischen Silicon Valley, blickt dankbar zurück auf das Wirken Shlomo Lahats.