30.07.2014
Ein Waffenstillstand in Gaza ist nicht genug
Noch ist Gaza aus der Luft, vom Land und wie hier von See unter Beschuss. Foto: Israel Defense Forces
Noch ist Gaza aus der Luft, vom Land und wie hier von See unter Beschuss. Foto: Israel Defense Forces

Der Krieg zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen dauert mittlerweile mehr als zwei Wochen an. Die Opferzahlen auf beiden Seiten steigen, ein Ende der Gewalt ist nicht in Sicht. Die Forderung nach einem Waffenstillstand wird dringlicher. Auch der UN-Sicherheitsrat hat sie sich zu Eigen gemacht. Doch das wäre nicht genug, meint Gastautor Franz-Hellmut Schürholz.

Was hat der Krieg bewirkt – außer Tod, Zerstörung, Leid und einer Vertiefung des Grabens zwischen Israelis und Palästinensern? Die Kontrahenten und ihr Konflikt bleiben, mag die Hamas auch in ihrer Logistik und militärischen Kampfkraft vorübergehend geschwächt sein. Eine politische Schwächung muss damit keineswegs einhergehen.

Die Kriege um Gaza von 2008 und 2012 haben es gezeigt: Militärische Lösungen für den Konflikt gibt es nicht. Gush Shalom (Friedensblock) bringt es in einer aktuellen Anzeige auf den Punkt:

Es ist nicht genug, einen Waffenstillstand zu erreichen,

Und gleichzeitig eine unerträgliche Lage so zu belassen wie sie ist.

Die Einschließung von Gaza muss aufgehoben werden,

und die Bewohner von Gaza müssen freien Zugang zur Welt draußen erhalten,

und neue Hoffnung für die Zukunft.

Welche tatsächlichen Umstände das Leben der Menschen in Gaza schon vor dem Krieg so schwer erträglich gemacht haben, fasst die israelische Menschenrechtsorganisation Gishanach Stichworten gegliedert auf einer knappen Seite zusammen.

Im englischen Originaltext von Gush Shalom ist von „intolerable situation“ die Rede, einer „unerträglichen Lage“. „Intolerable situation“ heißt aber nicht nur, was aus der Sicht betroffener Menschen in Gaza an ihren Lebensumständen kaum erträglich ist. Mit „intolerable“ soll auch angesprochen werden, dass es diese Lebenssituation eigentlich gar nicht geben dürfte, dass sie aus Sicht des Humanitären Völkerrechts und der Schutzverantwortung der internationalen Staatengemeinschaft nicht hinnehmbar ist. Zu kurz greifen deshalb Stellungnahmen einiger westlicher Regierungen, die die israelische Verteidigung gegen die Raketenangriffe der Hamas im Grundsatz billigen, aber über die Einschließung Gazas und die humanitären Folgen hinweggehen. Zu kurz gegriffen hat auch der ägyptische Vorschlag eines zu vereinbarenden Waffenstillstands, unter anderem deshalb, weil er auch für den Fall einer stabilen Sicherheitslage nur Erleichterungen für den Personen- und Warenverkehr in Aussicht stellte, nicht aber ein Ende der Einschließung.

Palästina, das ist Gaza, das Westjordanland und das mehrheitlich von Palästinensern besiedelte Ostjerusalem, die von Israel besetzten palästinensischen Gebiete eben. Einen Nährboden für Gewalt und Gegengewalt bildet nicht nur die Einschließung Gazas, sondern ebenso die fortdauernde Besetzung und Besiedlung palästinensischen Gebietes. Was geschieht, wenn ein Volk versucht, ein Maximum seiner nationalen Ziele gegen den Willen und zu Lasten eines anderen Volkes zu verwirklichen, haben hellsichtige Israelis bereits 1967 mit unheimlicher Genauigkeit vorausgesagt. In ihrem öffentlichen Aufruf gegen Besetzung und Besiedlung palästinensischen Landes schrieben sie bereits drei Monate nach Ende des Sechs-Tage-Krieges im September 1967:

„Das Recht, uns gegen unsere Vernichtung zu wehren, gibt uns nicht das Recht, andere zu unterdrücken.
Besatzung bedeutet Fremdherrschaft.
Fremdherrschaft bedeutet Widerstand.
Widerstand bedeutet Terror und Gegenterror.
Die Opfer des Terrors sind vor allem Unschuldige.
Wenn wir die besetzten Gebiete behalten, werden wir zu einem Volk von Mördern und von Mordopfern werden.
Verlassen wir die besetzten Gebiete sofort.“

Die palästinensischen und israelischen Zweige der Friedensbewegung One Voice schreiben in einer gemeinsamen Stellungnahme:

„…Es ist unabdingbar, dass wir nach einer Waffenstillstandsvereinbarung keine Rückkehr zum Status Quo zulassen, der aufgrund seiner Natur mit Sicherheit eine weitere Runde von Gewalt nach sich ziehen wird. Wir bitten Israelis, Palästinenser und internationale Beteiligte eindringlich, mit Kreativität und Mut eine Vereinbarung anzustreben, die den Bürgern Palästinas ebenso wie denen Israels gestattet, in Würde, Freiheit und Sicherheit voranzubringen, was einzig in der Lage ist, der Gewaltdynamik ein Ende zu setzen: das Ende von Besatzung und Konflikt und die Verwirklichung einer Zwei-Staaten-Lösung.“

Die israelisch-palästinensischen Friedensverhandlungen unter amerikanischer Schirmherrschaft sind gescheitert. Aber zu ihrer Wiederaufnahme gibt es keine vernünftige Alternative. Freilich: Für den nächsten Anlauf sollten Grundlagen, Modus der Gespräche und Ziele im Vorhinein verbindlich festgelegt werden. Europa sollte Co-Sponsor werden und die Nachbarstaaten Israels und Palästinas sollten miteinbezogen werden.

 

Der Autor: Franz-Hellmut Schürholz ist Gründungsmitglied und Vorsitzender des Forum Deutschland-Israel-Palästina e.V., das sich einer trilateralen Beschäftigung mit dem Nahostkonflikt verschrieben hat. 

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