Seit Montag fahren in der Westbank Busse nur für Palästinenser, nachdem sich Siedler von ihnen in israelischen Bussen bedroht gefühlt hatten. Anna Lekas Miller, Journalistin aus Brooklyn, zeigt, dass der jüngste Fall von getrennten Verkehrssystemen nur die Spitze des Eisberges von Segregationsbestrebungen in der Westbank und Israel ist.
Text: Anna Lekas Miller (Originaltext), Übersetzung Tobias Pietsch
Die Busse in der Westbank sind nur das jüngste Beispiel der Trennung in öffentlichen Verkehrsmitteln
Am 4. März hat das israelische Busunternehmen Afikim mit dem Betrieb von „Palestinian-only“ Bussen begonnen, um palästinensische Arbeiter aus der Westbank nach Israel zu befördern. Bisher haben Palästinenser mit Arbeitsgenehmigungen für Israel auch israelische Busse benutzt, um zur Arbeit zu gelangen. Von nun an werden Palästinenser, die mit einem israelischen Bus fahren möchten, aufgefordert, stattdessen die palästinensischen Busse zu nutzen. Zwar nennt das israelische Verkehrsministerium Überfüllung der Busse als offiziellen Grund für die Einführung der getrennten Busse, doch eine Quelle aus dem Ministerium gab gegenüber der israelischen Tageszeitung Yedioth Ahronot bekannt, dass die Entscheidung aufgrund von Beschwerden israelischer Siedler getroffen wurde, die in den palästinensischen Fahrgästen ein Sicherheitsrisiko sahen.
Obwohl viele über die Jim-Crow-artige Trennung empört sind, handelt es sich dabei nur um die Spitze eines Apartheidseisberges in den besetzten Gebieten der Westbank und Ostjerusalems. Das Problem fängt schon damit an, dass diejenigen Palästinenser, die nun aufgefordert werden, die getrennten Busse zu nutzen, die wenigen privilegierten sind, die überhaupt eine Arbeitsgenehmigung für Israel haben. Die meisten Palästinenser der Westbank dürfen nicht einmal in einem solchen getrennten Bus nach Israel fahren. Ihre einzige Möglichkeit besteht darin, Arbeit in der Westbank zu finden - was sehr schwer sein kann – oder sich nach Israel einzuschmuggeln, um dort illegal zu arbeiten, was schlechte Bezahlung und die Gefahr der Inhaftierung im Falle einer Festnahme bedeutet.
Außerdem ist die Trennung zwischen israelischen und palästinensischen Fahrgästen in öffentlichen Verkehrsmitteln nichts wirklich Neues. Die „zentrale“ Busstation in Jerusalem verbindet die Stadt mit Tel Aviv, Haifa, dem Toten Meer und einigen israelischen Siedlungen in der Westbank. Die Busse, die dort abfahren, müssen an den Checkpoints nicht halten, da ihre Passagiere israelische Staatsbürger, Soldaten und Siedler sind. Einige der Busse – die Siedlerbusse – werden von der israelischen Regierung stark subventioniert und fahren daher oftmals halb leer. Für diese Busse ist es leicht, einen festen Fahrplan einzuhalten. Die Busstation selbst befindet sich in einem klimatisierten Gebäude, in dem es sogar einen koscheren McDonalds gibt.
Um jedoch von Jerusalem in eine palästinensische Stadt in der Westbank zu fahren, muss man zur palästinensischen Busstation an der Nablus Road, die sich hinter der Altstadt versteckt. Die Busse hier verbinden Jerusalem mit Ramallah, Nablus, Bethlehem und anderen kleineren palästinensischen Städten und Dörfern. Diese Busse werden an den Checkpoints kontrolliert, wobei die Passagiere oftmals komplett aussteigen müssen, während die israelischen Soldaten ihre Identität überprüfen und sicherstellen, dass niemand irgendwohin unterwegs ist, wo er nicht hingehört. Keiner dieser Busse wird von der israelischen Regierung bezuschusst, so dass die Fahrt erst beginnt, wenn der Bus komplett voll mit Fahrgästen ist, die sich häufig auch im Gang drängen. Es ist so gut wie unmöglich, einen festen Fahrplan einzuhalten. Die Haltestelle an der Nablus Road liegt im Freien und wirkt ungepflegt und chaotisch.
Die einzige Art des gemeinsamen Nahverkehrs in Israel ist die Straßenbahn in Jerusalem, die ursprünglich gebaut wurde, um die Siedlungen im Jerusalemer Speckgürtel mit dem Stadtzentrum zu verbinden, und daher kaum als inklusiv bezeichnet werden kann. Als die Straßenbahn gebaut wurde, bedeutete das für viele Palästinenser, die in Jerusalem lebten, die Verdrängung aus der Stadt, und einige palästinensische Stadtviertel wurden abgeschnitten. Heute fährt die Bahn zwar durch einige traditionell arabische Stadtteile, aber die Haltestellen tragen hebräische statt arabische Namen. Auch wenn es Palästinensern frei steht, die Bahn zu nutzen, sind viele verbalen oder physischen Attacken von israelischen Fahrgästen ausgesetzt. Erst Anfang letzter Woche hat eine Gruppe jüdischer Yeschiva Studenten eine Araberin an der Kiryat Moshe Haltestelle angegriffen, sie bedrängt und ihr gewaltsam ihr Hijab, die traditionelle Kopfbedeckung, in der Öffentlichkeit ausgezogen.
Für Israelis auf der Straße ist das Problem der Trennung zwischen Palästinensern und Israelis im öffentlichen Nahverkehr ein unangenehmes Gesprächsthema. Als ich beiläufig einige auf die Straßenbahn wartende Israelis dazu befragte, reagierten die meisten ähnlich wie ein junger Mann, der sich als Giv vorstellte und in aller Höflichkeit sagte, er würde nur ungern über dieses Thema reden.
Letztendlich werden die meisten Entscheidungen zur Trennung von Israelis und Palästinensern hinter verschlossenen Türen getroffen. Für den durchschnittlichen israelischen Bürger, der einfach nur auf die Straßenbahn wartet, liegen sie damit weit außerhalb seines Einflussbereiches.
Dieser Text erschien ursprünglich am 4.3.2013 in "The Daily Beast" auf Englisch.
Autorin: Anna Lekas Miller
Übersetzung aus dem Englischen: Tobias Pietsch
Quelle: http://www.thedailybeast.com/articles/2013/03/04/buses-only-the-latest-i...
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